Bibeltexte kann man sonntäglich in jeder Kirche hören. Oft ist der schwere, gleichzeitig unbeholfen feierliche Tonfall der Lesungen derselbe, und wer sich als Neugieriger in der Kirche verirrt, muss selbst das Buch zur Hand nehmen, um den Text und seine Kraft zu schmecken. Gegenüber gottesdienstlichen Bibellesungen herrscht ein Argwohn, weil nicht nur generell die Kunst des Vorlesens, sondern auch der spezielle Duktus der biblischen Sprache und Rede unterschätzt werden. Alles ist Windhauch übertitelt die Schauspielerin Ulrike Kriener ihre Lesung und hat dafür die (Lebens)Weisheiten des Predigers Salomo in der Einheitsübersetzung gewählt. Kommentiert werden ihre ohne raunendes Pathos im klarsichtig zugewandten Alltagston eines Zwiegesprächs vorgetragenen Texte in einem Beibuch von der Theologin Sabine Bobert und dem Benediktiner Anselm Bilgri.
Hat Ulrike Kriener in ihrer beidfüßig ausbalancierten, direkten Ansprache wunderbar die Kleinkariertheit des Schubladendenkens gelehrt, bleibt sie in der Auswahl der zweifellos exzellenten und dramaturgisch klug eingewebten Musik von Quadro Nuevo dem klassischen Portfolio treu, dass Welttexte mit orientalischer Weltmusik daherkommen müssen. Die Kraft der Texte für das Hier und Heute hätte mehr diesseitige Direktheit vertragen. Aber das ist Geschmackssache. Geschmacklos gegenüber aller Text- und Lesequalität ist nur die Aufmachung des Buches. Aber Augen zu – dann ist aller Windhauch voller Leben. Einem klugen Text und einer die Herz-Ohren öffnenden Stimme sei Dank.
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Klaus-Martin Bresgott
Klaus-Martin Bresgott ist Germanist, Kunsthistoriker und Musiker. Er lebt und arbeitet in Berlin.