Für Gemeinschaft und Zugehörigkeit

Das schweizerische Schulwesen und die Rolle der Kirche
Foto: EKS

Auf ihre Schulen sind die Schweizerinnen und Schweizer stolz. Besonders die öffentliche Schule genießt einen guten Ruf. Die Schweiz ist eines der wenigen OECD-Länder, in denen die Schülerinnen und Schüler öffentlicher Schulen denjenigen von Privatschulen leistungsmäßig überlegen sind. Diese Stärke der öffentlichen Schulen passt zum nationalen Selbstverständnis: Gemäß PISA-Studie liefern sie gute Ergebnisse – gut, nicht exzellent. Doch sie bieten eine hohe Integrationskraft, liegt doch die Anzahl der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund bei 26 Prozent. Vergleichsweise wenige Jugendliche brechen vorzeitig die Schule oder Ausbildung ab und weniger als fünf Prozent besuchen eine Privatschule.

Die Reformation war ein bedeutender Treiber dieser Erfolgsgeschichte. Reformatoren wie Huldrych Zwingli und Johannes Calvin betonten die Bedeutung der Bildung für alle und öffneten Schulen auch für Mädchen. Diese Wurzeln werden besonders von jenen gerne betont, die sich für religiöse Bildung und die christlich-theologische Mitgestaltung dieser Bildung an öffentlichen Schulen einsetzen. Zur historischen Wahrheit gehört aber auch, dass auf dem Weg zu dieser erfolgreichen Volksschule konfessionelle und weltanschauliche Interessen moderiert, ausgeklammert und zurückgedrängt werden mussten. Besonders wichtig war dabei der seit der Total­revision der Bundesverfassung von 1874 für alle Kinder eingeführte obligatorische, unentgeltliche und bekenntnis­unabhängige Unterricht. Der kirchliche Einfluss wurde im Kulturkampf staatlich zurückgebunden, die Kantone erhielten das Recht und die Pflicht, öffentliche Schulen zu betreiben. Dies führte zu einem flächendeckenden Schulsystem mit Grundschulen, Sekundarschulen und später auch Gymnasien. Diesem flächendeckenden Schulsystem steht ein kantonal fragmentierter Flickenteppich an Verordnungen zum Religionsunterricht gegenüber. Deshalb schauen wir mit Bewunderung und auch ein wenig Neid nach Deutschland, wo Religions- und Ethikunterricht zum festen Bestand jeder schulischen Laufbahn gehört – das ist bei uns so nicht der Fall.

In der Schweiz ist der konfessionelle Religionsunterricht fakultativ und getrennt vom restlichen Unterricht. Während dies als Bedeutungsverlust der Kirche ge­sehen werden kann, bietet es aber auch die Chance für eine Neudefinition ihrer Rolle. Andererseits vermittelt der schulische Ethik-Religionen-Gemeinschafts­unterricht nicht primär religiöse Inhalte, sondern soll – entlastet durch den konfessionellen Unterricht – Pluralismus und Dialogfähigkeit fördern. Im Gegenzug kann die Kirche in ihrem Katechetik­unterricht unverschämt konfessionell für das einstehen, wozu sie berufen ist. Die kirchliche konfessionelle Bildung kann sich als ein Ort der Glaubens- und Wertevermittlung positionieren, die unabhängig vom staatlichen Bildungssystem operiert, aber dennoch einen wichtigen Beitrag zur Gesellschaft leistet. Auch in Bildungsfragen sind wir keine Staatskirche mehr. Aber auch keine Kirche gegen den Staat. Wir sind Kirche im Staat für die Menschen, die mehr als Staat, nämlich Gemeinschaft und Zugehörigkeit wollen. Als solche geben sich unsere konfessionell gebildeten Mit­glieder als christliche Bürgerinnen und Bürger wiederum in den Staat ein.

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