Schön, leicht und vergänglich

Warum wir in unserer Kirche mehr Seifenblasen-Momente brauchen
Foto: Harald Oppitz

Keine Frage – die Kirchen haben es nicht leicht gerade in Deutschland. Der Wind bläst hart ins Gesicht. Da kann man als Christenmensch verzweifeln – oder sich ab und an eine Unterbrechung von der Katastrophenstimmung gönnen. Ein Vikar hat mir von einer kleinen Andacht erzählt, die allen Teilnehmenden richtig gutgetan hat. Das Vorbereitungsteam hat eine Großpackung Seifenblasen eingekauft. Alle sind herzlich eingeladen worden, nach Herzenslust Seifenblasen zu produzieren. 

Währenddessen erzählte eine Vikarin davon wie zerbrechlich, schön und schillernd diese Gebilde sind – mich erinnert es an die Schöpfung. Der Vikar hat von kostbaren Lebensmomenten erzählt, die man aus vollem Herzen genießen möchte, mit allen Sinnen, und zugleich weiß man: Sie sind endlich. Darüber kann man traurig sein, oder sich darauf freuen, dass es neue wundervoll schillernde Tage und Stunden geben wird. Ganz bestimmt. Während die beiden gesprochen haben, schwebten hunderte Seifenblasen in den Himmel. Dazu gab es noch Musik: Taylor Swift, August. Ein bisschen romantisch-traurig, aber auch triumphierend. Irgendwie schien es, als ob zwischen der Musik und den vielen Seifenblasen der Heilige Geist mitgeweht hat. Es hat gepasst!

So kann Verkündigung auch sein: Mit allen Sinnen erfahrbar.

Sentimentaler Twist

Macht das die Situation der Kirche leichter? Wahrscheinlich wird keine Seifenblase einen Kooperationsvertrag aushandeln und Taylor Swift hat derzeit bestimmt andere Fragen im Kopf als die, ob die Staatsleistungen an die Kirche eingestellt werden oder nicht. Sicher löst eine Seifenblase auch nicht die Frage, wie Gemeinden ihre maroden Kirchengebäude renovieren können.

Doch: es sind diese Seifenblasen-Momente, die wir brauchen. Diese Leichtigkeit, gerne im Wissen darum, dass vieles von dem, was einmal ganz wichtig war, vergänglich ist und nicht bestehen wird. Meinetwegen auch mit einem sentimentalen Twist, weil vieles schön war, so wie die Sommerliebe in Taylor Swifts Song. Mag der Wind uns noch so hart ins Gesicht wehen, dieser religiösen Erfahrung kann er nicht den Wind aus den Segeln nehmen. Wer gegen den Heiligen Geist anpusten will, der muss ziemlich tief Luft holen.

Ich glaube, vor der nächsten EKD-Synode gönne ich mir eine Großpackung Seifenblasen und nehme sie mit zur Vorbereitungssitzung unserer EKHN-Gruppe. Klar haben wir einiges vorzubesprechen und wir müssen viele Texte lesen, und es gibt, ganz bestimmt, einige unangenehme Themen. Aber für ein paar hundert Seifenblasen und den Heiligen Geist muss einfach Zeit sein! 

 

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Foto: Harald Oppitz

Angela Rinn

Angela Rinn ist Pfarrerin und seit 2019 Professorin für Seelsorge am Theologischen Seminar der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau in Herborn. Sie gehört der Synode der EKD an.


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