Niemals aufgeben!

Was die Kirche von Mainz 05 lernen kann
Foto: Harald Oppitz

„Was ist dein schönster „Niemals aufgeben! - Moment?“ Wer mag, kann seine persönliche Antwort darauf gerade an die 05er schreiben. Mainz 05 steckt voll im Abstiegskampf, gefühlt die ganze Stadt drückt dem selbsternannten Karnevalsverein die Daumen und hat kollektiv gejubelt, als entfesselte 05er Borussia Dortmund am letzten Samstag mit 3:0 vom Platz gefegt haben. Ich natürlich auch! 

„Niemals aufgeben!“ ist die Parole der Stunde, das Banner hängt sogar am Mainzer Staatstheater. Jetzt fragt der Verein seine Fans nach dem schönsten „Niemals aufgeben! – Moment“. So eine Aktion würde den Bayern sicher niemals einfallen. Ich finde sie genial! Statt sich in Selbstmitleid zu suhlen oder vor Angst im Tabellenkeller zu schlottern, lassen sich die Profis von Mainz 05 von den Geschichten ihrer Fans inspirieren. Sie signalisieren damit: Ihr seid wichtig für uns, Eure Geschichte kann uns helfen! Mir ist sofort meine persönliche Niemals-Aufgeben-Geschichte eingefallen, inklusive des trotzigen Geschmacks auf der Zunge und der Gewissheit: Ihr kriegt mich nicht klein! Mein ganzer Leib erinnert sich bis heute und wenn ich daran denke, richte ich mich unwillkürlich auf und recke die Faust. Das tut so gut! 

Ermutigende Erfahrungen

Ich finde, die Mainzer Aktion könnte auch eine gute Aktion für die Kirche sein. Von den Mainzer Profis kann man gerne lernen! In Deutschland schockieren die Austrittszahlen. Da könnte man die Hoffnung aufgeben, das ist natürlich eine Option. Inspirierender fände ich es, Menschen danach zu fragen, warum sie Lust haben, in der Kirche mitzuwirken. Was ist dein schönster Niemals-aufgeben-Kirche-Moment?  Ich habe da Beispiele: Eine junge Pfarrerin hat mir von ihrem ersten Konfirmationsgottesdienst in ihrer Gemeinde berichtet, letzten Sonntag war das. Vierhundert Menschen in der Kirche, bei der Predigt sind tatsächlich Tränen geflossen, und zwar auch bei den Jugendlichen! So bewegt waren alle. Die junge Frau musste sich sehr zusammennehmen, um nicht selbst die Fassung zu verlieren. „Es war einfach nur krass!“ schreibt sie mir. Sie arbeitet gerne mit jungen Menschen. Doch dass eine Konfirmation so sein kann, das hat sie nicht erwartet. 

Ein Vikar erzählt mir, dass er zwei Konfirmandinnen am Vorabend der Konfirmation getauft hat. Die beiden hatten sich das gewünscht. Er war selbst überrascht darüber. Nach dem Gottesdienst hat er für die Jugendlichen eine Rede gehalten und sich bei ihnen bedankt. „Eigentlich dachte ich, ich könnte mit Jugendlichen nicht viel anfangen, aber ihr habt mir gezeigt, wie toll es ist. Vielen Dank Euch!“ Die junge Pfarrerin, der Vikar, sie haben sich für die Jugendlichen interessiert, für die Geschichten, die sie zu erzählen haben. Sie haben sich dadurch ermutigen lassen und Resonanz erfahren. Beide haben sich vorher öfter überlegt, ob der Beruf in der Kirche wirklich das richtige für sie ist. In ihren Erlebnissen geht es weniger um den Erfolg, den sie hatten, als um diese Resonanzerfahrung, die ermutigt – und zwar beide Seiten! Von Anfang an hat das doch den Glauben getragen und Kirche entstehen lassen, dass Menschen persönlich erzählt haben, was ihnen Mut gemacht hat, allen Widerständen zum Trotz. Schon die Bibel ist voll solcher Geschichten vom Niemals-Aufgeben. 

Was ist Ihr schönster Niemals-Aufgeben-Kirche-Moment?

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Foto: Harald Oppitz

Angela Rinn

Angela Rinn ist Pfarrerin und seit 2019 Professorin für Seelsorge am Theologischen Seminar der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau in Herborn. Sie gehört der Synode der EKD an.


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