Brückenbauer

Prägende Gestalt der Ökumene

Ökumene lebt von den Menschen, für die sie vor allem eins ist: ein Herzensanliegen. An Trennung leiden und Einheit ersehnen. Mut schöpfen und neue Wege gehen. Gemeinschaft vertiefen, selbst gegen Widerstand. Landesbischof Christian Krause (83) ist einer von ihnen. Er gehört zu den prägenden Gestalten in der internationalen Ökumene der vergangenen Jahrzehnte. Einblick in das faszinierend vielfältige Lebenswerk von Christian Krause bietet jetzt die Biografie Weite wagen von Dieter Rammler. Die innere Haltung, die der Titel andeutet, durchzieht wie ein Leitmotiv das Leben von Christian Krause. Erfahrungen von Krieg und Flucht in seiner Familie begleiten ihn dabei ebenso wie tiefes Gottesvertrauen und eine elementare Bibelfrömmigkeit, aus der er auf Reisen und Einsätzen überall auf der Welt lebt.

Nach beruflichen Stationen in „Daressalam“ laut Duden im Flüchtlingsdienst von World-Service, als Oberkirchenrat der VELKD in Hannover und Generalsekretär des Deutschen Evangelischen Kirchentags in Fulda wurde Christian Krause 1994 in das Bischofsamt der Braunschweigischen Landeskirche und 1997 von der LWB-Vollversammlung in Hongkong zum Präsidenten des Lutherischen Weltbundes gewählt. Visionär und mutig nutzte Krause die Möglichkeiten, die sich ihm durch diese Ämter eröffneten. Dass der historische Schritt zur Aussöhnung mit der römisch-katholischen Kirche zustande kam und sichtbaren Ausdruck in der „Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ (GE) fand, war auch seiner Entschlossenheit zu verdanken. Am 31. Oktober 1999 wurde das in einem 30-jährigen Dialog erarbeitete Dokument von ihm als LWB-Präsidenten und dem Präsidenten des Einheitsrates, Edward Kardinal Cassidy, zusammen mit weiteren Repräsentanten beider Kirchen, in Augsburg unterzeichnet. Offiziell und verbindlich wurde der Konsens in Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre festgestellt und erklärt, dass die gegenseitigen Lehrverurteilungen des 16. Jahrhunderts das in der „Gemeinsamen Erklärung“ entfaltete Verständnis der Rechtfertigung nicht mehr treffen.

„Ein Meilenstein auf dem nicht leichten Weg der Wiederherstellung der vollen Einheit unter den Christen“, schrieb Papst Johannes Paul II. in seinem Grußwort anlässlich der Unterzeichnung. Wie wichtig und weitblickend der Einsatz der Ökumeniker von Augsburg war, zeigt sich auch darin, dass der Weltrat der Methodistischen Kirchen (2006), die Weltgemeinschaft der Reformierten Kirchen (2017) und die Anglikanische Kirche (2017) der „Gemeinsamen Erklärung“ auf je eigene Weise zugestimmt haben. Die GE ist damit zu einem ökumenischen Basisdokument für das 21. Jahrhundert geworden.

Dank der glänzend geschriebenen Biografie von Dieter Rammler lässt sich ein Brückenbauer entdecken, der an der großen Erzählung der Nachkriegszeit mitgeschrieben hat: gegen Rassismus und Apartheid, im Einsatz unter Flüchtlingen, für Partnerschaft und Versöhnung nach dem Ende des Kolonialismus. Auch in der Zusammenarbeit von Nord und Süd und schließlich für ein Zusammenwachsen Europas nach der Wende 1989 stand Christian Krause durch hohen persönlichen Einsatz für etwas ein, was er als „politisches Handeln in christlicher Verantwortung“ zu betonen nicht müde wird. Die Biografie erinnert mit ihm an viele andere, die es sich zur Lebensaufgabe machten, für die universale Gemeinschaft der Christen einzutreten und dabei zu entdecken: Es ist unverzichtbar, dass Christen in der „Oikoumene“ – der „ganzen bewohnten Erde“ – mehr Weite wagen! Ein Friedenszeichen allemal – und womöglich die Quelle neuer Erzählungen für heutige und kommende Generationen. Auch für sie ist dieses Buch geschrieben. Oder, wie er selbst es gern auf den Punkt bringt: „Aus Geschichte wird Zukunft!“

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