Klar und unerklärlich

Bachs Opus ultimum

Kennen Sie die h-moll-Messe von Bach? „Unverschämtheit“ werden die meisten von Ihnen innerlich schnauben und einige gar beginnen, vor ihrem geistigen Auge die Zahl der Konzerte mit diesem Werk aufzuzählen, denen sie beigewohnt, oder bei denen sie gar mitgewirkt haben. Der Autor dieser Zeilen hörte die h-moll-Messe „in echt“, also live, erstmals bei einem Konzert während des Düsseldorfer Kirchentages 1985 kurz nach dem Abitur mit 19 Jahren in der dortigen Tonhalle und weiß nur noch, dass Almuth Rössler dirigierte und Christoph Prégardien die Tenorarien sang, bevor er wenige Wochen später in kurzen Abständen das Werk gleich in drei verschiedenen Chören mitsang, aber Details führten jetzt zu weit …

Nun gibt es unter Ihnen sicher auch einige, die die h-moll-Messe nicht oder kaum kennen. Denen sei gesagt, dass es eines der großartigsten Werke der Musikgeschichte ist und ein Unikat, denn Bach vertonte nur dieses eine Mal das gesamte Messformular. Das knapp zweistündige Opus ist geschaffen aus umfangreichem umgearbeitetem Material aus Bachs Kantaten, aber entscheidende Teile komponierte Bach exklusiv 1748/49 gegen Ende seines Lebens neu.

Die h-moll-Messe umfasst insgesamt 27 Nummern: 18 Chöre, sechs Arien und drei Duette, alles von größter Schönheit, gefühlstief und zuweilen außerordentlich virtuos, kurz: „Völlig klar, aber unbegreiflich.“ So urteilte einst Carl Friedrich Zelter, der Leiter der Berliner Singakademie, über Bachs Kunst. In dieser kleinen Rubrik nun Detailliertes über das Werk sagen zu wollen ist zwecklos. Nur so viel: Wer es hört, will es wieder hören, und wer es noch nie hörte, dem oder der sei gesagt: Es wird höchste Zeit!

Es gibt unendlich viele Aufnahmen der h-moll-Messe. Eine neue lässt jetzt aufhorchen: Das Ensemble Gli Angeli Genéve unter Leitung des mitsingenden Bassisten Stephan McLeod hat eine wirklich überzeugende und berückende Einspielung von Bachs Opus ultimum vorgelegt. Der sogenannte Chor besteht nur aus acht Sängern, es wird zwischen solistischer und chorischer (sprich Oktett-)Besetzung gewechselt, und alle Arien werden natürlich aus den Reihen des Ensembles bestritten. McLeod und den Seinen gelingt eine vorzügliche Mischung aus Transparenz und dichtem Klang mit Mut zur emotional fesselnden Gestaltung. Man höre allein die Trias „Et incarnatus-Crucifixus-Et resurrexit“ – herausragend!

Diese CD sei allen, die Bach lieben, dringlichst empfohlen, egal wie viele Aufnahmen des exzeptionellen Werkes bereits im Regal stehen – und Erstlingen in Sachen h-moll-Messe sowieso. Und da es ein Werk für alle (Kirchenjahres-)Zeiten ist, eignet es sich auch trefflich dafür, unter dem Christbaum zu liegen.

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