Leise Enttäuschung

Globalisierung und Religion
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So sehr man den wesentlichen Thesen des Autors zuzustimmen vermag, bleiben diese doch sehr allgemein.

Miroslav Volf, 1956 in Kroatien geboren, hat bei Jürgen Moltmann in Tübingen promoviert und ist derzeit Professor für Systematische Theologie an der Yale University in den Vereinig-ten Staaten von Amerika. Er hat ein bemerkenswertes Buch vorgelegt, in dem versucht wird, im Titel die Vision eines gelingenden guten Lebens anklingen zu lassen, wobei die Übersetzung von „flourishing“ mit „zusammenwachsen“ nicht besonders glücklich wirkt, lädt sie doch gerade in Verbindung mit dem Untertitel zur Vermutung ein, Religion sei eine unverzichtbare Ingredienz für globales Wirtschaftswachstum. Das aber ist gerade nicht die Botschaft dieses Buches. Volf fordert „integrierendes und verknüpfendes Wissen“ ein, „das uns Anleitung für unser Handeln geben kann“.

Globalisierung wird normativ gefasst: „Sie ist in dem Maße gut, in dem sie mir und anderen dabei hilft, an dem Charakter und der Mission von Jesus Christus teilzuhaben“ - Vertreter anderer Religionen würden den Namen Jesus Christus durch andere Namen ersetzen. Globale Übereinkommen werden als „Manifestationen der Liebe zu Gott und den Nächsten“ begriffen, „wenn sie fair sind und die grundlegenden Bedürfnisse der Schwächsten berücksichtigen“.

Auf der Grundlage dieser Kriterien macht Volf Vorschläge, wie sich Christinnen und Christen zu Menschen anderer Religionen und zur Globalisierung ins Verhältnis setzen können. Die Weltreligionen würden daher die Globalisierung in ihrer derzeitigen Form in Frage stellen, wenn sie nur einige Menschen begünstigt, die Macht und Reichtum anhäufen können, während „die große Masse die Last bitterer Armut und der Zerstörung der Umwelt ertragen muss“.

Ein zweites Korrektiv der Religion sollte darin bestehen, wenn Globalisierung die Menschen in einem endlosen Kreislauf des Konsums gefangen hält und damit ihrem Leben „jegliche tiefere Bedeutung und komplexere Freude raubt“.

Kurz gesagt - Volf sieht die Religionen dem globalen Gemeinwohl näher als einem ungeregelten internationalen Kapitalismus, wobei Globalisierung als zweischneidiges Phänomen gesehen wird, als Risiko und Chance zugleich. Um sie von ihrem Schatten zu befreien, braucht Globalisierung die Religionen. Aber lässt sich Globalisierung gestalten? Die Antwort nach Miroslav Volf ist hier ein bedingtes Ja, denn der Autor sieht sehr wohl, dass sich Religionen sehr oft unter Aufgabe ihrer ursprünglichen Visionen allzu leicht an bestehende Verhältnisse angepasst haben.

Aber die Weltreligionen, so versucht Volf zu zeigen, sind immer wieder auch von versöhnlichen Bemühungen um die Aufarbeitung und konstruktive Wendung von Unrecht gekennzeichnet, und die Globalisierung habe den Frieden fördernde Anteile: nach Volf symbolisiert mit Leviathan, der politischen Macht, mit Justitia, der Gerechtigkeit, und mit Mammon, jetzt charakterisiert durch die Einsicht, dass Handel mehr Profit bringt als Eroberungen. Im Zusammenspiel dieser Elemente seien die Aussichten gut, „dass es gelingt, Frieden erhalten und zu stiften“.

Mammon als eine der äußeren Bedingungen der Globalisierung für den Rückgang der Gewalt über Jahrhunderte hinweg? Volf sieht durchaus die zerstörerischen Elemente einer globalen Ökonomie, die Kluft zwischen Arm und Reich, die ökologische Katastrophe. Deswegen die Religionen, denn sie würden nicht-materielle Güter und Konsum in den Vordergrund stellen, in ihnen spiele die Solidarität eine entscheidende Rolle. So wird ihr Beitrag für eine gelingende Globalisierung unverzichtbar.

Das Buch von Volf ist wesentlich reicher an Facetten in seiner Argumentation, als es diese Rezension zum Ausdruck zu bringen vermag; es ist ein lesenswerter Text. Dennoch bleibt eine leise Enttäuschung. So sehr man den wesentlichen Thesen zuzustimmen vermag, bleiben diese doch sehr allgemein. Es wäre spannend gewesen, sie an praktischen Konflikten um die Globalisierung im Detail zu erproben, etwa an den (fast ergebnislosen) Versuchen einer Regulierung der Finanzmärkte oder an den Verhandlungen zum internationalen Klimaschutz. Man müsste zu zeigen versuchen, an welchen Punkten eine vermehrte Aufmerksamkeit für Religionen hier hilfreich sein könnte. Diese Ebenen aber berührt der Text nicht.

Hans Diefenbacher

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