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Für eine Reform des Islam
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Khorchide formuliert einen anregenden Appell für ein anderes Islamverständnis.

Was hat der Islam mit Terror und Gewalt zu tun? Durchaus einiges, meint Mouhanad Khorchide, Professor für islamische Religionspädagogik. Wenn Muslime sich von den Gräueltaten des so genannten Islamischen Staates nur mit dem Hinweis distanzierten, das habe nichts mit dem Islam zu tun, machen sie es sich, laut Khorchide, zu einfach. Islamische Gelehrte, die bis heute als autoritative Rechtsquellen im Islam gelten, haben den Angriffskrieg gegen „Ungläubige“ und die Versklavung Andersgläubiger in bestimmten Situationen erlaubt. Dazu listet Khorchide in seinem neuen Buch „Gott glaubt an den Menschen. Mit dem Islam zu einem neuen Humanismus“ zahlreiche Quellen auf. Muslime müssten heute dringend ihre eigenen Traditionen durchforsten und Gewalt bejahende Passagen verwerfen, mahnt der Leiter des Münsteraner Zentrums für Islamische Theologie.

Die Frage nach der Gewalt ist für Khorchide nur ein Aspekt, bei dem Reformbedarf besteht. Er wirbt für ein Gottesbild, in dem Allah eine partnerschaftliche Beziehung zu den Menschen und nicht bloße Unterwerfung will. Gott sei Humanist, weil dieser die Glückseligkeit des Menschen anstrebe. Der im Koran besonders angeprangerte Polytheismus äußere sich heute oftmals als Einschränkung der menschlichen Freiheit durch geistige Bevormundung. „Der Monotheismus ist im Grunde ein Bekenntnis zur Befreiung von jeglicher geistigen, sozialen oder politischen Bevormundung“, schreibt der Theologe.

Für sein Verständnis des Verhältnisses zwischen Gott und Mensch bezieht Khorchide die Eigenschaften Allahs, die im Islam aus den 99 Namen Gottes abgeleitet werden, auf den Menschen. Der Gläubige solle diese Eigenschaften, zu denen unter anderem Verantwortung, Selbstreflexion und Toleranz gehören, in der Gesellschaft verwirklichen. Allerdings könne sich der Mensch diese Eigenschaften nie absolut zu Eigen machen, denn die Vollkommenheit bleibe Gott vorbehalten. Damit grenzt Khorchide sein Humanismus-Verständnis von anderen Ansätzen ab, die den Menschen an Gottes Stelle als absolute Bezugsgröße verstehen. Für ihn ist Humanismus vor allem eine Haltung des Sich-Öffnens für andere Menschen. Zu einem modernen Humanismus – dessen geistesgeschichtliche Wurzeln Khorchide etwas zu ausführlich nachzeichnet – könne der Islam seinen Beitrag leisten.

Mit seinen Thesen, die eine Fortschreibung seines Buches „Islam ist Barmherzigkeit“ sind, steht Khorchide erneut im Widerspruch zu einem konservativen Islamverständnis. Für viele Muslime sind Reformen in der Glaubenstradition nicht nur unnötig, sondern sogar ein Abweichen vom Islam. „Das Problem des Islams heute sind längst nicht allein Extremisten, sondern ein in sich verkapselter Diskurs, der sich zu öffnen weigert und keine Reformen zulässt“, schreibt Khorchide. Die Reformverweigerer vergleicht er mit den alten Völkern im Koran, die die Botschaft des Propheten abgelehnt hatten. Das werden traditionalistische Gläubige als Provokation empfinden. Sie werfen dem Münsteraner Islamwissenschaftler immer wieder vor, sich zu stark an die christliche Theologie anzulehnen und zentrale Aspekte des Islam in Frage zu stellen. Doch das ficht Khorchide nicht an. Sein Buch wendet sich ohnehin nicht direkt an seine Kritiker. Zielgruppe sind philosophisch und theologisch interessierte Leser, Muslime wie Nichtmuslime. Das Buch ist kein in sich geschlossener theologischer Entwurf, wohl aber ein lesenswerter Appell für ein anderes Islamverständnis.

Andreas Gorzewski

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