Lebensdienlich

Neue christliche Wirtschaftsethik
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Menschenrechtliche Standards sind das Kriterium, vor dem sich alle wirtschaftliche Tätigkeit verantworten muss, weil sie sonst ihr Ziel verfehlt.

Der Altkatholik Franz Segbers ist wohl einer der streitbarsten christlichen Sozialethiker in Deutschland. Immer wieder hat er sich zu aktuellen Fragen aus Wirtschaft und Arbeitswelt zu Wort gemeldet: beispielsweise zum bedingungslosen Grundeinkommen, dem Streikrecht in der Kirche oder zur Schuldenkrise in Europa. Nun hat er im aktiven Ruhestand die Grundlagen einer Wirtschaftsethik ausformuliert. Damit hat er den Ansatz, aus seiner Habilitationsschrift eine christliche Wirtschaftsethik biblisch zu profilieren, weitergeführt: Neben die Bibel sind die Menschenrechte getreten. Die Menschenrechte formulieren für Segbers das "Menschengerechte", oder anders gesagt: Sie sichern in rechtlicher Terminologie das gute Leben, das das Ziel wirtschaftlichen Handelns sein muss. Menschenrechtliche Standards sind also nicht etwas, das bei einem gewissen Wohlstand und guter Konjunktur Berücksichtigung finden sollte, sondern das Kriterium, vor dem sich alle wirtschaftliche Tätigkeit verantworten muss, weil sie sonst ihr Ziel verfehlt und deswegen auch nicht "sachgerecht" genannt werden kann. Die Polemik gegen eine Sicht, die menschenrechtliche Standards mit "Marktgesetzen" vermitteln will oder sie sogar "Markterfordernissen" nachordnet, ist offensichtlich.

Dabei bezieht Segbers sich besonders auf die "sozialen Menschenrechte", wie sie im "Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte" von 1966 festgeschrieben worden sind. Aber er betont, dass damit nur Inhalte der "Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte" von 1948 entfaltet worden seien: So ist in der "Allgemeinen Erklärung" nicht nur das Recht auf Arbeit verbrieft, sondern der Artikel 28 stellt fest, dass die Menschen einen Anspruch auf eine internationale (Wirtschafts-) Ordnung hätten, die ihre Rechte voll verwirklicht. Damit macht Segbers auf eine wichtige Kampfzone aufmerksam, die hierzulande auch in sozialethischen Diskussionen kaum beachtet wird: Der Streit um die Durchsetzung von Menschenrechten auf internationaler Ebene.

Segbers' theologische Pointe besteht nun darin, dass er die Menschenrechte als Schutzrechte für die Armen interpretiert. In dieser Intention sieht er eine starke Parallele zur Sozialgesetzgebung der Thora. Segbers verbindet dies mit dem hermeneutischen Prinzip der Option für die Armen beziehungsweise der "Autorität der Leidenden" (Johann Baptist Metz). Nun ist es sicher so, dass viele Gehalte der jüdisch-christlichen Überlieferung zum Wurzelgrund der Menschenrechte gehören. Aber das Spezifische moderner Rechtsauffassung, dass der Einzelne Träger subjektiver Rechte ist, kannte die Thora, die eine göttliche Ordnung entwarf, noch nicht. Segbers benennt diesen Unterschied zwar, ebnet ihn aber doch letztlich ein, wenn er die Analogien zwischen Thora und Menschenrechten stärker betont als die Differenzen. So bleibt auch eine Auseinandersetzung über den Charakter der subjektiven Menschenrechte der Moderne außen vor: Waren dies wirklich nur Schutzrechte für die Armen? Oder haben sich durch sie nicht auch die spezifischen Ausbeutungsverhältnisse des Kapitalismus legitimieren können? So wäre weiter zu fragen, ob eine christliche Wirtschaftsethik nur auf die Menschenrechte als Norm setzen kann oder ob es nicht auch Kriterien bräuchte, die eine Hierarchie von Rechten und Bedürfnissen ermöglichen? Segbers nimmt diese Hierarchisierung mit der Option für die Armen vor - ohne allerdings klar zu machen, dass dies über eine rein menschenrechtliche Argumentation hinausführt. Unbeschadet dieser Fragen ist das Buch ein wichtiger Beitrag zur Sache und eine Ermutigung zum Engagement.

Franz Segbers: Ökonomie, die dem Leben dient. Butzon & Bercker/ Neukirchener Verlag, Kevelaer / Neukirchen-Vluyn 2015, 248 Seiten, Euro 24,95.

Christoph Fleischmann

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