Neue Perspektive

Abraham im Koran
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Eine neue Perspektive auf die altbekannte Figur.

Abraham ist für zahllose interreligiöse Dialoginitiativen Bezugspunkt und Namensgeber. Abrahami(ti)sche Kreise, Foren und Gruppen bringen Juden, Christen und Muslime an einen Tisch. In dem biblischen Erzvater und koranischen Propheten wird die Parallelität der monotheistischen Gottesbezüge scheinbar besonders deutlich. Doch wird Abraham - auf Arabisch Ibrahim - dieser Rolle gerecht? Verbindet die religiöse Gestalt, oder trennt sie eher? Der evangelische Theologe und Religionswissenschaftler Martin Bauschke schildert in seinem Buch "Der Freund Gottes. Abraham im Koran" detailliert die islamische Sicht. Bibelkundige Leser erhalten darin eine neue Perspektive auf die altbekannte Figur.

Zweifel an einer allzu unkritischen Erklärung Abrahams zum Schutzpatron des interreligiösen Austausches sind angebracht. Die Idee einer abrahamischen Ökumene stößt schnell an ihre Grenzen. So ist Abraham für die Juden der Stifter eines Bundes zwischen Gott und dem eigenen Volk. Der Koran zeichnet dagegen ein anderes Bild. Der "Freund Gottes", wie Abraham im Arabischen oft genannt wird, wird laut Bauschke "ethnisch entgrenzt" und zum Vorbild für die Glaubenden aller Völker. Für die frühen Christen wird Abraham zum ersten Gerechtfertigten allein aus dem Glauben. Die Verheißung des Landes Israel/Palästina an die Nachkommen Abrahams kennt der Islam nicht.

In der Darstellung Abrahams im Koran und in der späteren Koran-Auslegung finden sich zahlreiche Einflüsse aus der jüdischen Überlieferung. Das frühe Christentum spielte dabei kaum eine Rolle. Trotz der Einflüsse unterscheidet sich der "muslimische" vom "jüdischen" Abraham in wesentlichen Punkten. Besonders weit auseinander gehen die beiden Religionen in der Bewertung der Ehefrauen und Kinder Abrahams. Die islamische Tradition weist Abrahams und Saras Magd Hagar und dem Sohn Ismael eine ganz andere Rolle zu als im Judentum. Die eine Figur Abraham gibt es nicht, betont Bauschke. Der Erzvater sei "ein Spiegel für alle, die sich auf ihn beziehen und berufen".

Vor allem für den islamischen Propheten Mohammed war Abraham Vorbild und Deutungsmuster. So wie Abraham im Islam die Kaaba in Mekka gegründet oder zumindest ihren Kult wiederhergestellt haben soll, so hat auch Mohammed das Heiligtum vom heidnischen Götzenkult gereinigt.

Wie schon in seinem Buch "Der Sohn Marias. Jesus im Koran" geht es Martin Bauschke vor allem um einen religionshistorischen Vergleich. Der Autor, der als Leiter des Berliner Büros der Stiftung Weltethos im interreligiösen Dialog engagiert ist, deutet darüber hinaus Konsequenzen aus den unterschiedlichen Abraham-Bildern an. Das ist nötig, wenn er die intolerante Seite des "Freundes Gottes" erklärt. Drastisch wendet sich Abraham von seinem Vater und dessen Götzenkult ab. Im Islam geht die Abgrenzung so weit, dass Abraham seinen Vater zum Feind Gottes erklärt. Die freie Religionswahl, die der Prophet in seiner Hinwendung zu dem einen Gott für sich in Anspruch nimmt, spricht er der eigenen Sippe aber ab. Auf diese scharfe Ablehnung berufen sich auch muslimische Fanatiker, die Andersgläubige anfeinden. Als Beispiel dafür verweist Bauschke auf die radikal salafistische Gruppe "Millatu Ibrahim". Der Name der in Deutschland verbotenen Gruppe deutet die angebliche Orientierung an der Glaubensform Abrahams an.

Der ambivalente Abraham könne Fluch und Segen sein, erklärt der Religionswissenschaftler Martin Bauschke in seinem Buch, das eine stark überarbeitete Neufassung eines älteren Werkes ist. Wer sich im Trialog auf den Urvater beruft, sollte beide Seiten bedenken.

Martin Bauschke: Der Freund Gottes. Abraham im Koran. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2014, 208 Seiten, Euro 29,95.

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Andreas Gorzewski

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