Dieser Inhalt ist nur für zeitzeichen-Abonnenten zugänglich. Bitte geben Sie Ihre Kundennummer ein *:
Ihre Kundennummer finden Sie entweder auf Ihrer Rechnung oder über dem Versandetikett ihrer Zeitschrift. Die Kundennummer ist eine 10-stellige Zahl die mit der Ziffer 4 beginnt.
* Das einmalige Einloggen reicht aus, Sie erhalten damit automatisch Zugang zu allen anderen Artikeln. Beim Verlassen der Webseiten von zeitzeichen werden Sie automatisch ausgeloggt. Beim erneuten Zugriff auf die Seite behält sich diese Ihre Kundennummer.
Online Abonnement
Die komplette Printausgabe und zusätzlich aktuelle Texte als Web-App
Die folgenden Ausführungen schließen an die Überlegungen an, die kürzlich unter der Überschrift „Hoffnu
Liebe Leserin, lieber Leser,
Dieser Inhalt ist nur für zeitzeichen-Abonnenten zugänglich. Bitte geben Sie Ihre Kundennummer ein *:
Ihre Kundennummer finden Sie entweder auf Ihrer Rechnung oder über dem Versandetikett ihrer Zeitschrift. Die Kundennummer ist eine 10-stellige Zahl die mit der Ziffer 4 beginnt.
* Das einmalige Einloggen reicht aus, Sie erhalten damit automatisch Zugang zu allen anderen Artikeln. Beim Verlassen der Webseiten von zeitzeichen werden Sie automatisch ausgeloggt. Beim erneuten Zugriff auf die Seite behält sich diese Ihre Kundennummer.
Online Abonnement
Die komplette Printausgabe und zusätzlich aktuelle Texte als Web-App
Seit einiger Zeit treibt mich die Frage um, wieviel Geld ich ins Metaverse investieren sollte. Die unbegrenzte Vision des Mark Zuckerberg klingt doch verlockend. Wenn ich mich jetzt rechtzeitig beteilige, kann ich mir vielleicht noch ein kleines Stück vom großen Kuchen der schönen neuen Welt sichern, in der mein Avatar es sich gut gehen lassen kann! In der kann man nicht nur shoppen, man kann auch Grundstücke erwerben und bebauen. Leider fehlen mir die Mittel dafür, ganz zu schweigen davon, dass MZ selbst schon Milliarden an dem Projekt verloren hat und ich mir solche Verluste nicht leisten kann.
Trotzdem erzeugen er und die Global-Tec-Unternehmen schon heute erfolgreich vor allem bei jungen Leuten „fomo“: „fear of missing out“. Das ist die Angst, abgehängt zu sein und etwas nicht mitzubekommen. Schon deshalb wird voraussichtlich kein Weg an diesem digitalen Universum vorbeigehen, und genauso voraussichtlich wird es ein Universum sein, das nicht jedem offensteht. Es ist jetzt schon klar, dass der Teil der Menschheit, der zu arm oder zu ungebildet ist, um im Metaverse zu shoppen oder gar Immobilien zu erwerben, einfach exkludiert sein wird. Die Werbefilme für Metaverse, in denen schöne Menschen in hochästhetischen Gebäuden miteinander tagen, Schach (!) spielen oder in Mega-Konzerthallen abtanzen können, sprechen Bände. Sogar mein Körper soll im Metaverse dank Technik involviert sein, die Werbung verspricht mir, dass es sensorische, ja sogar olfaktorische Reize geben wird.
Shoppingmalls, Konzerthallen, Schachspiel – ob es wohl auch Kirchen geben wird? Da bin ich mir auch sicher! Die Megachurches der USA stehen bestimmt schon in den Startlöchern, um sich zu beteiligen.
Fratze des Kapitalismus
Ich hoffe, dass auch die Politik aller Länder in den Startlöchern steht. Denn ein solches Gebilde ohne gesetzliche Regelungen zu belassen wäre wie der „Wilde Westen“ – so ein Kommentator. Ein gesetzloses Megaverse würde uns – neben der Hochglanzperspektive der Shopping-Malls und ästhetischen Avatare - auch die Fratze des ungebändigten brutalen Kapitalismus zeigen. Einmal ganz zu schweigen davon, was das Metaverse für unsere Umwelt bedeutet. Denn irgendwoher muss ja auch die Energie für das Vorhaben kommen.
Es ist bezeichnend, dass sich die Reichen und Mächtigen der Welt ohne jegliche Scham an den Ressourcen unserer Erde bedienen. Und es ist traurig, dass es uns bis heute nicht gelingt, die Welt, in der wir leibhaftig leben, zu einem schönen und lebenswerten Ort für alle Menschen zu gestalten. Ich wäre schon froh, wenn sich die deutschen Stadtplaner*innen so einbringen könnten, dass in unseren Städten nicht nur schicke Lofts an den Flüssen und Seen für wohlhabende deutsche, saudische und chinesische Investoren hochgezogen würden, die dann sogar die Wege am Wasser für die Normalos sperren.
Ich bin dafür, dass stattdessen über eine generationenübergreifende , ökologische und inklusive Gestaltung unserer Städte für alle Bürgerinnen und Bürger nachgedacht wird. Da gibt es Vorbilder! Das wären dann Orte, an denen man keine Brillen braucht, um angenehme leibliche Reize zu bekommen, einfach, weil es ausreicht, den eigenen Leib zu spüren. Es wären Städte und Dörfer, in denen man sich freuen dürfte am spannenden Zusammensein mit anderen leibhaftigen Menschen. Fangen wir mit einer solchen offenen, transparenten Konzeption doch bei unseren kircheneigenen Grundstücken und Gebäuden an! Da investiere ich gerne und bin ich dann wirklich und leibhaftig dabei!
Liebe Leserin, lieber Leser,
Dieser Inhalt ist nur für zeitzeichen-Abonnenten zugänglich. Bitte geben Sie Ihre Kundennummer ein *:
Ihre Kundennummer finden Sie entweder auf Ihrer Rechnung oder über dem Versandetikett ihrer Zeitschrift. Die Kundennummer ist eine 10-stellige Zahl die mit der Ziffer 4 beginnt.
* Das einmalige Einloggen reicht aus, Sie erhalten damit automatisch Zugang zu allen anderen Artikeln. Beim Verlassen der Webseiten von zeitzeichen werden Sie automatisch ausgeloggt. Beim erneuten Zugriff auf die Seite behält sich diese Ihre Kundennummer.
Online Abonnement
Die komplette Printausgabe und zusätzlich aktuelle Texte als Web-App
Angela Rinn ist Pfarrerin und seit 2019 Professorin für Seelsorge am Theologischen Seminar der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau in Herborn. Sie gehört der Synode der EKD an.
Mit den berühmten Zeilen „‘s ist Krieg“,‘s ist Krieg.
Liebe Leserin, lieber Leser,
Dieser Inhalt ist nur für zeitzeichen-Abonnenten zugänglich. Bitte geben Sie Ihre Kundennummer ein *:
Ihre Kundennummer finden Sie entweder auf Ihrer Rechnung oder über dem Versandetikett ihrer Zeitschrift. Die Kundennummer ist eine 10-stellige Zahl die mit der Ziffer 4 beginnt.
* Das einmalige Einloggen reicht aus, Sie erhalten damit automatisch Zugang zu allen anderen Artikeln. Beim Verlassen der Webseiten von zeitzeichen werden Sie automatisch ausgeloggt. Beim erneuten Zugriff auf die Seite behält sich diese Ihre Kundennummer.
Online Abonnement
Die komplette Printausgabe und zusätzlich aktuelle Texte als Web-App
Wäre ein verpflichtendes Dienstjahr für alle jungen Menschen ein richtiger Schritt zu mehr Gemeinsinn und gegen Nachwuchsmangel in vielen Bereichen? Ja, sagt Carsten Linnemann, Bundestagsabgeordneter und stellvertretender Parteivorsitzender der CDU. Ihm widerspricht die Bundestagsabgeordnete Linda Teuteberg, Mitglied des FDP-Parteivorstandes und der EKD-Synode.
Gemeinsames Fundament
Ein Gesellschaftsjahr wirkt den Fliehkräften entgegen
Mit einem Dienstjahr würden wir klarmachen, dass der Staat keine Bestellplattform ist, sondern dass unser demokratisches Gemeinwesen auf das Engagement aller angewiesen ist.
Seit mehr als einem Jahr hält uns der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine in Atem. Angesichts der schlimmen Ereignisse denke ich oft an meine Zeit bei der Bundeswehr zurück. Wie dankbar können wir sein, dass in Deutschland seit Jahrzehnten kein Krieg herrscht. Zugleich führt uns der Krieg schonungslos vor Augen, dass dies keine Selbstverständlichkeit ist.
Während meiner Wehrdienstzeit im Jahr 1997 ereignete sich die verheerende Oderflut. Als der Ruf nach Unterstützung kam, machte ich mich mit vielen anderen Soldaten auf den Weg ins Katastrophengebiet. Tage- und nächtelang wuchteten wir Sandsäcke. Ich erinnere mich noch, wie kräftezehrend dies war. Aber ich weiß auch, dass die gemeinsame Anstrengung etwas im positiven Sinne mit uns machte. Kameraden aus allen Ecken Deutschlands und aus unterschiedlichen Milieus zogen an einem Strang. Am Anfang nahm ich den Wehrdienst als eine Pflichtübung an. Doch spätestens mit diesem Einsatz änderte sich meine Einstellung. Ich habe zum ersten Mal am eigenen Leib erfahren, wie wichtig es für unsere Gesellschaft ist, dass man sich unterhakt. Ich habe gelernt, was Solidarität, Gemeinschaft und Zusammenhalt bedeuten. Ich habe in dieser Zeit auch zum ersten Mal begriffen, wie sinnstiftend es ist, sich für andere Menschen einzusetzen.
Auch wenn die Geschehnisse während der Oderflut nicht vergleichbar sind mit dem derzeitigen Leid in der Ukraine, so sehen wir doch gerade dort sehr eindrücklich, welche Kräfte Zusammenhalt freisetzt. Fakt ist, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der zunehmend Fliehkräfte wirken. Die Digitalisierung verführt zu einem physischen Rückzug in die eigenen vier Wände und eigene Gedankenwelten. Oft tauschen wir uns nur noch dort aus, wo wir uns in unserer eigenen Meinung bestärkt sehen. Gleichzeitig werden unsere Wirklichkeiten pluralistischer, etwa durch die Zuwanderung aus anderen Kulturkreisen. Ein solcher Pluralismus kann für eine Gesellschaft bereichernd sein, aber auch herausfordernd. Denn wo Menschen mit unterschiedlichen Werten und Lebensvorstellungen zusammenleben, lassen Bindekräfte nach und Konflikte treten auf.
Wir benötigen daher ein gemeinsames Fundament, das die Gesellschaft trägt und Vertrauen schafft. Ein solches Fundament wäre für mich ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr. Dieses Jahr – das nebenbei bemerkt kein ganzes Jahr sein muss – könnte beispielsweise bei der Bundeswehr, im Katastrophenschutz, in der Pflege oder auch im Ausland durchgeführt werden. Ein Gesellschaftsjahr wäre ein kraftvolles Instrument, um der zunehmenden Anonymität und Polarisierung entgegenzuwirken. Wir würden als Staat zeigen, für welche Kultur und welches Miteinander wir stehen. Wir würden damit entscheidende Weichen stellen für sozialen Frieden, Toleranz, Sinnstiftung und gesellschaftlichen Zusammenhalt. Wir würden klarmachen, dass unser Staat keine Bestellplattform ist, sondern dass unser demokratisches Gemeinwesen auf das Engagement aller angewiesen ist.
Der Vorteil eines verpflichtenden gegenüber einem freiwilligen Gesellschaftsjahr besteht darin, dass wir nur so auch diejenigen erreichen können, die von einem solchen Dienst besonders profitieren könnten. Etwa junge Menschen, die sich wegen ihres sozialen Umfeldes oder auch aufgrund ihres Migrationshintergrundes ausgeschlossen fühlen. Mit einem freiwilligen Dienst würden wir eher diejenigen erreichen, die längst wissen, dass sie durch ihr Tun einen Wert schaffen.
Ein Gesellschaftsjahr wäre nur durch eine Grundgesetzänderung umsetzbar. Dabei steht das Recht auf Freiheit, das in unserem Grundgesetz verankert ist, nicht zur Disposition. Jedoch bedeutet Freiheit für mich mehr als individuelle Freizügigkeit. Die Freiheit des Einzelnen können wir auf Dauer nur im Rahmen von gesellschaftlichem Frieden und demokratischen Werten gewährleisten. Beidem kann ein Gesellschaftsjahr dienen.
Untauglicher Ersatz
Die Wertentscheidung des Grundgesetzes widerspricht einem verpflichtenden Dienstjahr
Wir sollten auch in schwierigen Zeiten unsere Verfassung bewahren.
Das Böckenförde-Diktum, wonach der freiheitliche, säkularisierte Staat von Voraussetzungen lebt, die er selbst nicht garantieren kann: Es wird oft zitiert, aber selten wirklich beachtet. Darüber, wie gesellschaftlicher Zusammenhalt gestärkt und bewahrt werden kann angesichts vielfältiger Anfechtungen von innen und außen, lohnt es, nachzudenken und zu streiten.
Verstärkt wird seit einigen Jahren die Forderung nach einem sozialen Pflichtjahr erhoben. Um die Wehrpflicht soll es hier gerade nicht gehen. Sie ist ausgesetzt und kann wieder eingeführt werden, wenn dies verteidigungspolitisch geboten sein sollte. Letzteres ist angesichts der außen- und sicherheitspolitischen Situation nicht auszuschließen. Doch auch Experten der Bundeswehr halten es derzeit weder für sinnvoll noch praktisch durchführbar, erneut eine Wehrpflichtigenarmee zu organisieren.
Wichtig für die Debatte um eine Dienstpflicht ist indes die Wertentscheidung unserer Verfassung, die hier zum Ausdruck kommt: Dass nämlich jenseits des Zweckes der Landesverteidigung und ihrer Erfordernisse kein Raum ist für einen verpflichtenden, ja einen Zwangsdienst. Dass selbst die Mütter und Väter des Grundgesetzes angesichts der Situation nach dem Zweiten Weltkrieg zu einer solchen Wertentscheidung kamen, sollte alle nachdenklich machen, die schnell Allgemeinplätze wie „Freiheit ist nicht grenzenlos“ entgegenhalten. Unsere Verfassung will Individuum und Gemeinsinn nicht gegeneinander ausspielen, sondern betont aus historischer Erfahrung Würde und Rechte des Einzelnen, der in Freiheit Verantwortung übernimmt.
Werte wie Hilfsbereitschaft, Rücksichtnahme und Pflichterfüllung zu vermitteln, ist Aufgabe von Erziehung und Wertevermittlung in Familie, Bildungseinrichtungen und Gesellschaft ohne staatliche Zwangsdienste. Eine Dienstpflicht ist untauglich als Ersatz dafür, Defizite und Versäumnisse bei Bildung und Integration zu kompensieren. Erst recht nach all den Entbehrungen und Zumutungen, ja realen Schäden, die junge Menschen im Zuge der Pandemie erlitten haben, ist es zudem ein problematischer Zungenschlag, dass gerade junge Menschen der Gesellschaft etwas geben müssten. Viele von ihnen engagieren sich bereits freiwillig. Entscheidend aber ist, dass man sich ein ganzes Leben freiwillig ehrenamtlich engagieren kann und sollte. Als staatsbürgerliche Normalität neben und zusätzlich zu Ausbildung, Studium und Erwerbsarbeit. In verschiedenen Lebensphasen mit ihren familiären und beruflichen Erfordernissen in unterschiedlichem Maße, aber eben nicht symbolisch begrenzt auf ein verpflichtendes Jahr.
Der Ruf nach einer Dienstpflicht ist auch Ausdruck einer Sehnsucht nach Eindeutigkeit und einfachen Lösungen. Übrigens etwas, das man sonst gern Populisten vorwirft. Dabei werden regelmäßig die Augen verschlossen vor Auswirkungen an anderer Stelle. Angesichts der demografischen Entwicklung junge Menschen systematisch ein weiteres Jahr von Ausbildungs- und Berufsbeginn abzuhalten, reißt Lücken und zeitigt reale Probleme an anderer Stelle. Demokratie ist kein Versandhaus, kein Pizzadienst. Was wir daher benötigen in unserer Gesellschaft, ist mehr Wertschätzung, zum Teil überhaupt Respekt für Engagement. Gerade für langfristiges Engagement und nicht nur für oder gegen ein Thema, das die eigenen Interessen besonders berührt. Für das schwierige, Frustrationstoleranz erfordernde friedliche Ringen um demokratische Mehrheiten.
Auf die Frage nach gesellschaftlichem Zusammenhalt brauchen wir bessere Antworten und keine Ablenkungsmanöver oder Profilierung auf Kosten der jungen Generation. Wir sollten auch in schwierigen Zeiten die Fassung wahren und unsere Verfassung achten. Engagement braucht keine Grundgesetzänderung. Das Grundgesetz gibt uns den Auftrag, gesellschaftlichen Zusammenhalt ohne eine allgemeine Dienstpflicht zu organisieren.
Liebe Leserin, lieber Leser,
Dieser Inhalt ist nur für zeitzeichen-Abonnenten zugänglich. Bitte geben Sie Ihre Kundennummer ein *:
Ihre Kundennummer finden Sie entweder auf Ihrer Rechnung oder über dem Versandetikett ihrer Zeitschrift. Die Kundennummer ist eine 10-stellige Zahl die mit der Ziffer 4 beginnt.
* Das einmalige Einloggen reicht aus, Sie erhalten damit automatisch Zugang zu allen anderen Artikeln. Beim Verlassen der Webseiten von zeitzeichen werden Sie automatisch ausgeloggt. Beim erneuten Zugriff auf die Seite behält sich diese Ihre Kundennummer.
Online Abonnement
Die komplette Printausgabe und zusätzlich aktuelle Texte als Web-App
Als Social-Media-Influencer ist Markus Söder wahnsinnig effektiv. Der bayerische Ministerpräsident versetzt im Wochentakt die digitale Gesellschaft mit seinen Tweets und Sharepics in Wallung. Emphatische Zustimmung und Entsetzen halten sich unter den Reaktionen ziemlich die Waage. Auch diejenigen, die Söders Botschaften herzhaft kritisieren, nehmen natürlich an deren Verbreitung teil. Der gewiefte Populist Söder hat das nicht nur antizipiert, sondern erfreut sich sichtlich an der Aufregung. https://twitter.com/Markus_Soeder/status/1651513709997457409
Am Fleischtweet Söders lässt sich eine Menge studieren, zunächst einmal, was Söder alles richtig macht – und wo seine Botschaft ganz auf der Linie eines zeitgemäßen Konservatismus liegt. Fleischkonsum und -herstellung framed er als hehren Brauch und Handwerk, als regionale Sitte, als liebgewonnene und erhaltenswerte Tradition. Regionalismus, Bodenständigkeit, Heimatverbundenheit, Naturliebe – all das will Söders Kommunikation evozieren, bestärken, politisch nutzbar machen. Wer wöllte schon etwas gegen die treu schaffende Fleischer:in am Ort sagen, bei der man noch richtig gute Bratwurst kaufen kann? Wer etwas gegen die glücklichen Schweinchen im Stall am Dorfrand oder die sanft muhenden Kühe und ihre Kälber auf der satten bayerischen Blumenwiese? Eben.
Kulturkampf über der Suppenschüssel
Allein, das wissen wir ja doch: So sieht Fleischproduktion für den Massenmarkt nicht nur in Bayern nicht aus, sondern in ganz Deutschland und Europa. Mit realitätsnahen Darstellungen aber belästigt Söder seine Zuschauer:innenschaft im Netz bewusst nicht. Das große Anliegen Wirtschaftsförderung wird bei ihm kleinteilig in Heimatstubengröße vermittelt. Das ist geschickte, aber eben auch irreführende politische Kommunikation.
Keine politische Partei in Deutschland fordert übrigens ein Verbot von Fleisch und Wurst und was bei uns allen auf den Teller kommt, das schreibt uns im Rahmen geltender Tier- und Verbraucherschutzgesetze auch kein grüner Landwirtschaftsminister vor. Indem Söder fluffig derartige Unterstellungen einfließen lässt, befördert er den Kulturkampf über der Suppenschüssel.
An diesem Kulturkampf wird im Netz und an den Stammtischen freudig erregt teilgenommen, derweil sich die Gesamtgesellschaft mehrheitlich friedlich vom überbordenden Fleischkonsum verabschiedet. Der Fleischkonsum ist eine Generationenfrage und die Zeit nicht im Jahr 2000 stehen geblieben. Die Generation der Kriegs- und Nachkriegskinder, für die Fleisch soziale und wirtschaftliche Sicherheit symbolisiert, ist nun 80+. Für die nachfolgenden Alterskohorten ist nicht das Fleisch auf dem Teller, sondern sind das Auto oder das Eigenheim die entscheidenden Statussymbole der Wohlstandsgesellschaft, was nicht zuletzt unsere elendigen Debatten um ein Tempolimit, das Ende des Verbrenners auf unseren Straßen und zuletzt um Gas- und Ölheizungen zeigen.
Im vergangenen Jahr wurde in Deutschland so wenig – aber immer noch viel – Fleisch gegessen wie zuletzt vor 30 Jahren. Da kann Markus Söder twittern wie er will, die Deutschen greifen immer seltener zu an der Fleischtheke. Um über vier Kilogramm auf insgesamt 52 Kilogramm Fleisch ist der Pro-Kopf-Verzehr von Fleischerzeugnissen im Vergleich zum Vorjahr gesunken, berichtet das ZDF mit Material der KNA. Noch nie seit Beginn der Aufzeichnungen 1989 wurde ein niedrigerer Wert ermittelt: „Im Zehn-Jahres-Vergleich sank der Pro-Kopf-Verzehr demnach sogar um knapp neun Kilogramm.“
Fleisch als Luxusgut
Ungeachtet von Krawall und Remmidemmi in den Medien verzichtet sich die Bevölkerung also in die richtige Richtung. Das hat vielfältige Gründe, unter denen die massiven Preissteigerungen im letzten Jahr besonders hervorragen. Fleisch ist für viele Menschen schon jetzt ein Luxusgut, selbst wenn es im Discounter und nicht an der regionalen Wursttheke gekauft wird. Umso billiger desto schmieriger das Geschäft, gilt zwar auch weiterhin. Aber vor allem sieht man: Konsument:innensteuerung durch Preisgestaltung wirkt.
Vor allem sollte der in vielen, abertausenden Fällen aus Überzeugung oder doch Einsicht erfolgende Ausstieg aus dem Fleischverzehr doch Anlass genug sein, Werte wie Genügsamkeit und Mäßigkeit wieder stärker in die Umwelt- und Klimadiskurse einzuspeisen. Seit Jahr und Tag sind sich Aktivist:innen und Forschende einig darin, dass man den Deutschen ja nicht mit Verzicht kommen dürfe. Das würde die Akzeptanz des Klimaschutzes nur beschädigen, fabulierte erst in dieser Woche der CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz.
Wirklich? Ist das so? Vielleicht sollte man sich bei der Verzichts-Kommunikation, die ja für einen Wechsel ins Grüne Zeitalter und den damit verbundenen Ausstieg aus der Wachstumswirtschaft, dringend notwendig ist, ein wenig von Markus Söder inspirieren lassen: Genügsamkeit und Maßhalten sind nämlich zunächst einmal Tugenden, die generationenübergreifend in unserer strukturkonservativen Gesellschaft wertgeschätzt werden. Und übrigens ganz erdverbunden christlich verkündigt werden können.
Es gibt ja auch immer noch ein gut christliches, ressourcenschonend lebendes und wenig Auftrieb um die eigene Anspruchslosigkeit machendes Milieu. Halt Leute, die beim Gedanken an Tempolimits, keinen Herzkasper kriegen und laut „Nein!“ sagen müssen. Denn beim Klimaschutz geht es zuerst nicht um das (Nicht-)Erreichen von Klimaschutzzielen und Klimaneutralitätsdaten, sondern um den Schutz der saftigen Blumenwiese mit den Kühen und Kälbern drauf. Die hat nämlich schon jetzt zu wenig Wasser.
Liebe Leserin, lieber Leser,
Dieser Inhalt ist nur für zeitzeichen-Abonnenten zugänglich. Bitte geben Sie Ihre Kundennummer ein *:
Ihre Kundennummer finden Sie entweder auf Ihrer Rechnung oder über dem Versandetikett ihrer Zeitschrift. Die Kundennummer ist eine 10-stellige Zahl die mit der Ziffer 4 beginnt.
* Das einmalige Einloggen reicht aus, Sie erhalten damit automatisch Zugang zu allen anderen Artikeln. Beim Verlassen der Webseiten von zeitzeichen werden Sie automatisch ausgeloggt. Beim erneuten Zugriff auf die Seite behält sich diese Ihre Kundennummer.
Online Abonnement
Die komplette Printausgabe und zusätzlich aktuelle Texte als Web-App
„Literatur ist absolute Subjektivität.“ So lautet Benjamin von Stuckrad-Barres Antwort auf die journalistischen Dauerfragen nach dem Realitätsbezug seines kürzlich erschiene
Liebe Leserin, lieber Leser,
Dieser Inhalt ist nur für zeitzeichen-Abonnenten zugänglich. Bitte geben Sie Ihre Kundennummer ein *:
Ihre Kundennummer finden Sie entweder auf Ihrer Rechnung oder über dem Versandetikett ihrer Zeitschrift. Die Kundennummer ist eine 10-stellige Zahl die mit der Ziffer 4 beginnt.
* Das einmalige Einloggen reicht aus, Sie erhalten damit automatisch Zugang zu allen anderen Artikeln. Beim Verlassen der Webseiten von zeitzeichen werden Sie automatisch ausgeloggt. Beim erneuten Zugriff auf die Seite behält sich diese Ihre Kundennummer.
Online Abonnement
Die komplette Printausgabe und zusätzlich aktuelle Texte als Web-App