Maria, Merkel und die anderen
Es beginnt mit Heintje.
Es beginnt mit Heintje.
zeitzeichen: Professor Huber, als Sie Ende der 1950er-Jahre anfingen, sich mit Bonhoeffer zu beschäftigen, war dieser Theologe noch in Teilen der Kirche und der Gesells
Dr. Nadine Hamilton ist Privatdozentin und Akademische Rätin an der Universität Erlangen-Nürnberg.
In diesen Tagen jährt sich der Todestag Dietrich Bonhoeffers zum 80. Mal.
Bonhoeffers Seelsorge im Raum der Politik wird vor allem an zwei Stellen greifbar: in seinen theologischen Überlegungen zum Widerstand gegen Hitler und in Berichten von Seelsorgegespr
Wir gehen einer völlig religionslosen Zeit entgegen; die Menschen können einfach, so wie sie nun einmal sind, nicht mehr religiös sein“, so schreibt Dietrich Bonhoeffer am 30.
Dietrich Bonhoeffer ist nicht nur eine Figur der Vergangenheit, an die anlässlich des 80. Todestages im kirchlichen Raum erinnert wird.
Der Theologe Dietrich Bonhoeffer ist 80 Jahre nach seiner Ermordung durch die Nazis immer noch für viele Menschen ein Vorbild. Seine Theologie und sein Leben im Widerstand gegen die Diktatur faszinieren nach wie vor. Aber ist Bonhoeffers Theologie nicht viel sperriger und komplexer, als es vielen erscheint, die ihn für ihre Zwecke einspannen? Und ist es nicht Zeit für eine neue Sicht auf diesen schillernden Märtyrer des deutschen Protestantismus?
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Wer AfD wählt, ist auch ein Mensch und sehnt sich eigentlich nach Zuwendung. Und Christenmenschen sollten darauf empathisch reagieren. Wer Lust an der Polemik hat und dem Streit, den sie provoziert, könnte so den Inhalt des Textes zusammenfassen, den der Rat der EKD kürzlich veröffentlichte. Aber der will nun ein Zeichen setzen gerade gegen den Stellungskrieg der einfachen Parolen und ständig sich erneuernden Ressentiments.
Denn der Befund ist klar: 80 Prozent der Menschen in Deutschland nehmen eine Spaltung der Gesellschaft wahr. Das ist das Ergebnis einer Studie, die midi, die „Zukunftswerkstatt von Diakonie und evangelischer Kirche“, im Februar vorlegte. Jeder dritte Befragte habe bereits erlebt, dass Diskussionen über polarisierende Themen unsachlich oder respektlos verlaufen, ein Drittel der Befragten hat schon einmal den Kontakt zu Menschen wegen kontroverser Themen eingeschränkt oder abgebrochen.
Für eine Kirche, die einerseits sehr klare ethische Positionen mit Blick auf die Reizthemen Migration und gesellschaftliche Diversität vertritt, anderseits aber allen das Evangelium in Wort und Tat verkünden will, eine schwierige Lage. Rückzug in die moralischen Echokammern von Gleichgesinnten ist keine Option, zumal auch Kirchenmitglieder AfD wählen. Stattdessen soll etwa die Kampagne #Verständigungsorte kirchlichen Raum zum Austausch von Mensch zu Mensch bieten.
Der EKD-Rat hat nun ein Style-Book für diese Begegnungen formuliert. Statt „Populismus und Polarisierung“ sollen „die abwägende Vernunft als göttliche Gabe“ und der „mitfühlende Blick auf unsere Mitmenschen“ die Haltung prägen. Eine klare Ansage eben nicht nur gegen politische Populisten, sondern auch ein Hinweis in die eigenen Reihen auf das, was schon mal als „pausbäckiger Moralismus“ bezeichnet wird. Dieser verschanzt sich gerne hinter moralischen Brandmauern und lehnt die offene Auseinandersetzung mit den blau-braunen Schmuddelkindern auf kirchlichen Bühnen ab, um sie nicht aufzuwerten.
Haltung zeigt der Rat der EKD auch und verweist auf den politischen Trick des Populismus, stets zwischen „Wir“ und „Die“ zu unterschieden, Letztere zu diskriminieren und viel zu einfache Lösungen für komplexe Probleme anzubieten. Dagegen gelte es für Christenmenschen, sich zu positionieren und im Zweifel das Gespräch abzubrechen, wenn die andere Seite nicht offen für Empathie oder Argumente der Vernunft ist. Aber das alles mit dem „Mut zur Infragestellung der eigenen Überzeugung“. Und es gelte, allen Mitmenschen „mit gleicher Sorge zu begegnen und ihr Bedürfnis nach Zuwendung zu achten“.
Vielleicht kann Kirche mit diesem neuen Sound in diesen Zeiten der Spaltung tatsächlich Räume für Verständnis und sogar Versöhnung schaffen. Aber es bleiben Fragen: Warum benennt dieses Papier nicht AfD und BSW als die politischen Vertreter des Populismus, gegen die es Haltung zu zeigen gilt? Wo bleibt die ausdrückliche Rückenstärkung für die, die etwa mit Kirchenasylen oder Demonstrationen in rechten Hochburgen sehr deutliche Zeichen setzen? Warum wird eigentlich nicht mit Sternchen oder Doppelpunkt gegendert? Mag sein, dass das alles provozieren und der Intention des Papieres entgegenwirken würde. Wer stets Boxhandschuhe trägt, kann schlecht die Hand reichen. Aber: Samthandschuhe sind auch keine Dauerlösung.
Stephan Kosch ist Redakteur der "zeitzeichen" und beobachtet intensiv alle Themen des nachhaltigen Wirtschaftens. Zudem ist er zuständig für den Online-Auftritt und die Social-Media-Angebote von "zeitzeichen".
Seit langem sind die meisten evangelischen Pfarrerinnen und Pfarrer als Beamte im Dienst, ähnlich wie die meisten Lehrkräfte an Schulen. Doch dieses Privileg steht in Frage. So will die rheinische Landeskirche künftig Pfarrpersonen nur als Angestellte beschäftigen. Der langjährige zeitzeichen-Redakteur Jürgen Wandel ist dagegen, der hessische Kirchenreformexperte Steffen Bauer ist dafür.
Bitte keine Verbeamtungen mehr!
Pfarrverbeamtung ist unzeitgemäß und auf Dauer viel zu teuer
Die Kirche sollte schleunigst mit der Verbeamtung von Pfarrpersonen aufhören, denn sie ist ein unzeitgemäßes Privileg gegenüber anderen kirchlichen Mitarbeitenden, und die Pensionslasten werden bald erdrückend sein.
Drei Bemerkungen zu Beginn. Erstens: Schon heute sind Pfarrer:innen sowohl im Beamten- wie auch im Angestelltenverhältnis beschäftigt. Aufgrund der (gewollten) Zunahme von Quer- und Späteinstiegen in den Pfarrberuf wird die Zahl der angestellten Pfarrer:innen wachsen.
Zweitens: Schon heute werden Pfarrer:innen, abhängig von der Landeskirche, ungleich bezahlt, und dass die Bezahlung sich durch geringere Lohnerhöhungen gegenüber der Bundesbeamtenbesoldung auch nach unten verändern kann, hat sich in Kurhessen-Waldeck 2024 gezeigt. Ich gehe davon aus, dass aufgrund der zunehmenden finanziellen Belastungen gerade auch durch die zunehmenden Beihilfezahlungen weder aktive noch im Ruhestand befindliche Pfarrer:innen vor finanziellen Einschnitten grundsätzlich „sicher“ sind. Das Schlagwort von der Organisation Kirche als „Versorgungsanstalt mit angehängter Kapelle“ macht die Runde und wird in seiner Bedeutung in den nächsten Jahren erst so richtig bewusst werden.
Drittens: Gleichwohl sollte „Geld“ nicht der Grund für eine Systemumwandlung sein, denn eine Umstellung kostet aufgrund von Parallelbelastungen auf längere Zeit sogar erstmal mehr Geld. Ich halte es auch nicht für geboten, die Eingruppierung zum Anlass für Kürzungen zu nehmen. Es braucht gut bezahlte Hauptamtliche in allen (!) Professionen der Kirche.
Aus der letzten Bemerkung ergibt sich für mich aber der eine Grund, warum es keine Neu-Verbeamtungen mehr geben sollte: Im Beamtenverhältnis verpflichtet sich „die Kirche“ als Arbeitgeberin, bis zum Eintritt des Todes der Person für Versorgung und Beihilfe aufzukommen und für hinterbliebene Angehörige noch länger. Bei einem Angestelltenverhältnis endet diese Verpflichtung mit dem Eintritt ins Rentenalter, also gute 20 Jahre früher. Von heute aus gesehen, mag die Tragweite dieser Entscheidung noch weit weg erscheinen. Ich gehe aber davon aus, dass die evangelische Kirche in Deutschland sich weiter deutlich verkleinert, und da wird es in 30 bis 40 Jahren einen erheblichen Unterschied machen, ob diese Entscheidung jetzt so oder anders getroffen wird.
Der Hauptgrund für meine Einstellung hängt aber mit den Transformationsprozessen in Gesellschaft und Kirche zusammen, die einerseits durch ein Mehr an Flexibilität und Agilität, durch ein Mehr an Kooperation und Teamarbeit geprägt sind und die Kirche sehr verändern und prägen werden. Andererseits gelten verschiedene Annahmen über die Lebensförmigkeit des Berufsbildes der Pfarrer:in nicht mehr. Das alles muss auch die Arbeitgeberin Kirche in ihrer Erwartungshaltung gegenüber den Kolleg:innen prägen. Die kurhessische Bischöfin Beate Hofmann betont zurecht: „Eine Pfarrerin oder ein Pfarrer ist nicht mehr sieben Tage die Woche für 24 Stunden ansprechbar. Das ist in den größer werdenden pastoralen Räumen überhaupt nicht mehr zu leisten.“ Und der kurhessische Prälat zur Nieden hat vor der Synode in Kurhessen und Waldeck davon gesprochen, dass der Pfarrberuf „neu entwickelt werden“ müsse, er „neu zu konzipieren“, ja „neu zu erfinden“ sei. In einem FAZ-Interview hat er im Oktober 2024 herausgestellt: „Im Kern geht es um ein Kirchenbild. Wir wollen Leute anziehen, die Flexibilität nicht scheuen. Als angestellte Person kann man ohne Schwierigkeiten für einen anderen Arbeitgeber arbeiten und später wieder zurückkehren – das ist für die Kirche gut, weil ein Wechsel neue Horizonte eröffnet.“ Und nochmals Beate Hofmann, die darauf hinweist: „Es gibt sehr engagierte Gemeindereferentinnen, Diakoninnen und Kirchenmusiker im Angestelltenverhältnis. Ist es angemessen, demgegenüber von den Pfarrerinnen und Pfarrern ein besonderes Treueverhältnis zu fordern? Eigentlich erwarte ich von allen Treue zur Kirche.“
Letzteres ist für mich die Grundlage der zukünftigen strukturellen Organisation der Kirche: Alle Hauptamtlichen sind Angestellte der Kirche und arbeiten in Teams zusammen. So leben sie Kirche. Dienstzeiten, Aufgabenstellungen und Verantwortungsbereiche sind zwischen den im Team vorhandenen Professionen abgesprochen. In der Berufsgruppe der Pfarrer:innen wird es Quer- und Späteinstiege, unterschiedliche Qualifikationen, Berufswege und Berufserfahrungen geben. Es wird und soll vielfältiger werden. Im Team braucht es auch Personen, die ein umfangreiches Theologiestudium durchlaufen haben. Studium und Vikariat werden sich sicher weiterentwickeln, aber dass es Menschen in unserer Kirche gibt, die jahrelang intensiv Theologie studieren, ist bleibend wichtig. Sie sind ein unverzichtbarer Teil vom Ganzen, aber eben: ein Teil.
Für mich ist eine weitere Beobachtung wichtig. Verschiedene Landeskirchen arbeiten im Moment an zwei Systemumstellungen, die beide vor über hundert Jahren gleichzeitig begründet wurden. Als im Jahre 1919 das landesherrliche Kirchenregiment zu Ende ging, bekamen die bis dahin bestehenden Staatskirchen den Status einer Körperschaft öffentlichen Rechts. Die Kirchen haben seither das Recht, innerhalb ihrer eigenen Ämterautonomie öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse zu begründen, zum Beispiel Beamte einzustellen.
Von diesem Zeitpunkt an hat sich in unserem Land etabliert, sowohl den Berufsstand des Pfarrers mit dem Beamtenstatus zusammenzudenken als auch das Verständnis, wonach die Gemeinde Jesu Christi als Körperschaft des öffentlichen Rechts aufgestellt sei. Staatliche Übertragungen prägen damit zwei Grundpfeiler unserer Kirche. Beides erschwert jetzt, über 100 Jahre später, theologisch-geistlich und strukturell neue Formen von Gemeinde zu gestalten, als auch die Ämter der Kirche, das Zusammenspiel der verschiedenen Professionen (und der Ehrenamtlichen) und insbesondere die Tätigkeit der Pfarrer:innen ohne Beamtenstatus, ausgehend vom Priestertum aller Getauften, neu zu beschreiben. Es ist gut, wenn hier nun neue Wege gegangen werden.
Information
Einen ausführlicheren Beitrag von Steffen Bauer zum Thema lesen Sie unter: www.zeitzeichen.net/node/11662.
Lebenslange Bindung
Weil ihr Dienst ein besonderer ist, sollten Pfarrpersonen verbeamtet sein
Pfarrerinnen und Pfarrer haben besondere Verpflichtungen und sind besonderen Anforderungen unterworfen. Deshalb ist auch künftig die Verbeamtung von Pfarrpersonen der richtige Weg für die Kirchen.
Auf den ersten Blick mag der Beamtenstatus evangelischer Geistlicher in Deutschland wie ein Überbleibsel der 1919 abgeschafften Staatskirche wirken. Und alte Zöpfe sollte man abschneiden, gerade in einer Kirche der Reformation, die sich immer wieder reformieren soll (ecclesia semper reformanda). Aber wer genauer hinschaut und nachdenkt, statt einfach modischen Trends zu folgen, entdeckt, dass der Beamtenstatus dem Pfarrberuf angemessen ist. Beamte sind Diener des Staates und Geistliche Diener des Wortes Gottes (verbi divini minister). Und noch mehr Parallelen fallen auf: Der Beamtenstatus begründet ein Treueverhältnis auf Lebenszeit. Dies wird durch den Eid ausgedrückt, den der Beamte schwört, und durch das Versprechen, das Geistliche unter Bezug auf ihr Ordinationsgelübde bei der Einführung in die erste ständige Pfarrstelle abgeben. Im Eid verspricht der Staatsbeamte, „Gerechtigkeit gegen jedermann“ zu üben. Und das Pfarrdienstgesetz (PfDG) verpflichtet evangelische Geistliche zum „Dienst der Liebe an jedermann“. Das „Verhalten“ von Beamten muss (laut Bundesbeamtengesetz) „innerhalb und außerhalb des Dienstes … der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordert“. Und Pfarrerinnen und Pfarrer müssen „in ihrem dienstlichen und außerdienstlichen Verhalten erkennen … lassen, dass sie dem anvertrauten Amt verpflichtet sind“ (PfDG).
Eid und Ordination binden ein Leben lang. Auch wenn Pfarrerinnen und Pfarrer wie Beamtinnen und Beamte mit dem Eintritt in den Altersruhestand von ihrer Aufgabe entpflichtet werden, gilt für beide weiterhin die Verschwiegenheitspflicht und bei Geistlichen auch noch das Beichtgeheimnis. Im Ruhestand unterstehen sie „weiterhin der Lehr- und Disziplinaraufsicht“, und sie sind „weiterhin zu einer amtsangemessenen Lebensführung verpflichtet“ (PfDG).
Staatsbeamte und beamtete Geistliche beziehen nicht ein Gehalt, dessen Höhe auf einem Tarifvertrag beruht, den Arbeitgeber(verbände) und Gewerkschaften aushandeln. Und anders als Angestellten kann Beamtinnen und Beamten auch nicht gekündigt werden. Das soll die Unabhängigkeit und die – nur durch die Gesetze eingeschränkte – Freiheit bei der Ausübung des Dienstes sichern. Wie Staatsbeamte können Pfarrerinnen und Pfarrer nur bei schweren Verfehlungen und im Rahmen eines Disziplinarverfahrens entlassen werden. Diese starke, beamtenähnliche Stellung ermöglicht, dass Geistliche in der Verkündigung Gemeindegliedern nicht nach dem Munde reden müssen, sondern ihnen auch frank und frei widersprechen oder unangenehme Wahrheiten vorhalten können – wenn es das Evangelium nahelegt.
Die Frage, ob Geistliche als Beamte oder Angestellte tätig sind, betrifft nicht nur die Finanzen der Kirche. „Im Kern geht es um ein Kirchenbild: Wir wollen Leute anziehen, die Flexibilität nicht scheuen“, betonte kürzlich ein führender Kirchenmann im Interview mit der FAZ. Schwang da Kritik an beamteten Pfarrerinnen und Pfarrern mit? Für den Interviewten ist es ein Vorteil, dass Geistliche im Angestelltenstatus „ohne Schwierigkeiten für einen anderen Arbeitgeber arbeiten und später wieder zurückkehren“ können. Aber die Zahl der Pfarrerinnen und Pfarrer, die in die Wirtschaft wechseln, dürfte sich in Grenzen halten. Und noch fraglicher ist, ob diejenigen, die entsprechend qualifiziert sind und außerhalb der Kirche eine gut bezahlte Stelle ergattern, „später wieder zurückkehren“. Denn bei einem Wettbewerb um die Höhe des Gehalts dürfte die Kirche den Kürzeren ziehen.
In Baden-Württemberg können Geistliche ohne Probleme als Gymnasiallehrer für Religion in den Staatsdienst wechseln. Und Militärgeistliche sind Beamte auf Lebenszeit. Aber angestellte Pfarrerinnen und Pfarrer dürfte der Staat wohl nicht in ein Beamtenverhältnis übernehmen.
2004 schaffte das Land Berlin für Lehrerinnen und Lehrer den Beamtenstatus ab. Aber zwanzig Jahre später wurde er wieder eingeführt. Denn Lehramtsbewerber hatten Bundesländer vorgezogen, die sie verbeamteten. Um eine Konkurrenz der 20 Landeskirchen zu verhindern, drängen leitende Geistliche in der EKD auf einen einheitlichen Übergang von beamteten zu angestellten Pfarrpersonen. Aber damit wäre das Problem nicht gelöst. Die Berufe eines Geistlichen und eines Religionsphilologen ähneln einander in Ausbildung und Tätigkeit. So wuchs die Zahl derer, die für ein Lehramtsstudium Theologie und ein anderes Fach belegten, immer dann, wenn der Zugang zum Pfarrberuf erschwert war. Und wiederholen könnte sich dies, wenn Lehrer weiterhin verbeamtet werden, während Pfarrer als Angestellte arbeiten (müssen).
Fachleute gehen davon aus, dass Beamte für den Dienstherrn in ihrer aktiven Zeit preiswerter sind als Angestellte. Das dicke Ende kommt, wenn Beamte in den Ruhestand treten und Pensionen anfallen. Der Wirtschaftswissenschaftler Bernd Rürup schrieb in einem Beitrag für das Handelsblatt Research Institute, „im öffentlichen Dienst“ würden Arbeitsplätze bei der Umstellung von Beamten auf Angestellte „ohne Kompensation“ beim Gehalt „unattraktiver“. Aber „höhere Angestelltengehälter“ würden die „Einsparungen merklich reduzieren“, die durch den Wegfall der Beamtenpensionen gewonnen werden. Weil Rürup die Zahl der Beamten zugunsten von Angestellten stark reduzieren will, ist er ein unverdächtiger Zeuge.
Die Landeskirchen müssen also sorgfältig prüfen, welche Vor- und Nachteile der Beamtenstatus von Pfarrerinnen und Pfarrern mit sich bringt. Egal, wie die Entscheidung ausfällt: Sie darf auf keinen Fall dazu führen, dass aus Kostengründen verstärkt Absolventen von Bibelschulen in den Pfarrdienst übernommen werden. Dass in den Gemeinden der Landeskirchen – selbst auf dem Land – akademisch ausgebildete Pfarrerinnen und Pfarrer amtieren, ist kostspielig. Aber an der Universität haben sie sich historisch-kritisch mit der Bibel und den Traditionen der Kirche auseinandergesetzt. Und das befähigt, die christliche Botschaft so zu übersetzen, dass sie von Zeitgenossen verstanden und als relevant wahrgenommen wird.
Dr. Steffen Bauer ist Theologe und war bis Ende 2024 Leiter der Ehrenamtsakademie der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau in Darmstadt.
Jürgen Wandel ist Pfarrer, Journalist und ständiger Mitarbeiter der "zeitzeichen".