Poesie und Reim

Chormusik von Lauridsen

Morten J. Lauridsen ist in der Chorszene eine feste Größe und insbesondere seit den 2000er-Jahren im anspruchsvolleren A-cappella-Bereich geradezu en vogue, was sich auf seine Klangsprache zurückführen lässt, die sich zunächst am ehesten über Bilder und Landschaften, Poesie und Reim beschreiben lässt. Angesiedelt zwischen den Seerosen Monets und den Gedichten Rainer Maria Rilkes ließe sich dieser Klang vielleicht am besten postimpressionistisch nennen.

Lauridsens Musik durchmisst nicht die Tiefe der Welt, nicht die Größe des Göttlichen wie bei Bach, sie spiegelt nicht ihre pulsierende Lebendigkeit wie bei Mozart, sondern webt auf der glitzernden Oberfläche des Gefühls den pastellenen Klang ihrer Schönheit – das Licht einer Schönheit, die beschworen und sichtbar, aber nicht zugänglich ist. Dafür überführt sie den Text in ein sphärisches Schweben, das in seiner magisch aufbereiteten Form skandinavische Einflüsse hat, aber vielleicht doch am ehesten Teil der Neuen Welt ist, die Musik – wie den Film – auch als träumerisches Abbild einer heilen Welt versteht, wie es in sublim-transzendenter Form sonst nur in der Klaviermusik Robert Schumanns aufleuchtet. Musik für stille(nde) Stunden, die in sich keine überbordende Komplexität aufweist, aber das komplexe Vermögen guter Einstudierung braucht für die Zusammenführung von Tempo und Rhythmus, Agogik und Dynamik, was wesentlich für das Erreichen dieser atmosphärischen Dichte ist, die den Hörgenuss ermöglicht.

Stephen Layton hat auf dieser zweiten Lauridsen-Werk-CD drei lyrische Zyklen versammelt – die ‚Mid-Winter Songs‘ (1983) nach Gedichten von Robert Graves, ‚Les chansons des roses‘ (1993) nach französischen Gedichten Rainer Maria Rilkes und die dreiteiligen ‚Nocturnes‘ (2005) nach Versen von Rainer Maria Rilke, Pablo Neruda und James Agee. Dazu kommen drei geistliche Chorwerke, von denen die A-cappella-Vertonung des 121. Psalms „I will lift up mine eyes“ mit seiner klaren, vergleichsweise renaissancehaft transparenten Tonsprache und monastischen Diktion besonders hervorsticht. Herzstück der CD aber sind nach den groß als fünfsätzige Chorsymphonie angelegten ‚Mid-Winter Songs‘ die gegenüber der orchestralen Form größtenteils A-cappella-komponierten fünf ‚Les chansons des roses‘ und das ‚Nocturnes‘-Triptychon, das einem künstlerischen Manifest Lauridsens gleichkommt – sowohl, was die üppig dichte Klangstruktur, als auch, was die Textauswahl angeht.

Der besondere Klang dieser CD lebt von seinen Akteur:innen – dem Ensemble Polyphony –, von der Geschmeidigkeit der Sprache und des Klangs, von seiner Dichte und der Zielsicherheit, die die Stunde aufschließt, in der sie klingt.

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