Fragen zum Frieden (IV)

Die Antworten von Sarah Jäger
Foto: Anne Günther/Universität Jena

Wir haben prominenten Protestanten und Protestantinnen drei Fragen gestellt: War es richtig , dass Deutschland sich doch dazu entschieden hat, Waffen an die Ukraine zu liefern? Was ist davon zu halten, dass die Bundesregierung 100 Milliarden Euro zusätzlich für die Bundeswehr bereitstellt? Brauchen wir eine neue evangelische Friedensethik? Hier vorab aus dem Mai-"zeitzeichen" die Antworten von Sarah Jäger, Juniorprofessorin für Systematische Theologie und Ethik an der Universität Jena.

Zu Frage 1: In dieser Frage verdichten sich so ziemlich alle vorstellbaren friedensethischen Herausforderungen, vom Umgang mit autokratischen Regimen bis zur Frage des Selbstverteidigungsrechtes eines Landes, verbunden mit Überlegungen zur Unterstützung dieses Landes durch Drittstaaten. Ich hätte mir jedenfalls sehr gewünscht, dass im politischen wie öffentlichen Diskurs in Deutschland noch schärfere und konsequentere Wirtschaftssanktionen als Zwangsmaßnahmen neben diplomatischen Versuchen rasch und entschlossen umgesetzt worden wären, auch wenn mir sehr bewusst ist, zu welch herben Einschnitten dies führen würde.

Zu Frage 2: Diese Entscheidung ordnet sich für mich in die durchaus beunruhigende Logik der Militarisierung ein, die als vorrangige Reaktionsmöglichkeit im gegenwärtigen Konflikt Waffengewalt sieht. Das stellt in der Nachkriegsgeschichte sicherlich einen Umbruch dar, galt Deutschland, nicht erst seit der Aussetzung der Wehrpflicht, doch eher als postheroisch. Dabei ist jedoch auch zu bedenken, dass etwa Frankreich oder Israel deutlich weniger für ihr Militär ausgeben, die Schwierigkeiten der Bundeswehr lassen sich also nicht alleine durch eine zu rigide Sparpolitik erklären. Meines Erachtens hat die Bundeswehr neben einem Imageproblem vor allem ein kompliziertes, langwieriges und bürokratisches Beschaffungswesen. Hier sind dringende Reformen nötig.

Zu Frage 3: Die evangelische Friedensethik ist wie jedes theologische Nachdenken zur immer neuen Auseinandersetzung mit veränderten gesellschaftlichen und politischen Situationen aufgerufen. Die Lage in der Ukraine lässt so danach fragen, welche Überzeugungen (noch) tragfähig sind. Die Grundparameter der Lehre vom gerechten Frieden behalten aber Geltung: 1. Vorrang der Prävention vor der Intervention; 2. Vorrang des Zivilen vor dem Militärischen; 3. Frieden als mehrdimensionaler Prozess: Verringerung von Gewalt, Abbau von Not, Förderung von Freiheit, Gewährleistung kultureller Vielfalt; 4. Frieden durch ein starkes  Völkerrecht; 5. Friedenssicherung durch den begrenzten Einsatz rechtserhaltender Gewalt. Eine zentrale Herausforderung, vor allem vor dem Hintergrund der Vereinten Nationen, stellt dabei sicherlich die Frage der Rechtsdurchsetzung dar, wegen der teilweisen Handlungsunfähigkeit des Sicherheitsrates in Fällen, in denen sich bestimmte Akteure über das internationale Recht hinwegsetzen. Evangelische Friedensethik kann nach wie vor zwei zentrale Ressourcen in den Diskurs einbringen: Sie lebt aus einem höheren, dem von Gott selbst geschenkten Frieden und sie weiß davon, dass das letzte Wort in dieser Welt nicht gesprochen und eine andere Welt als unsere gegenwärtige möglich ist.

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Foto: Anne Günther/Universität Jena

Sarah Jäger

Dr. Sarah Jäger ist Juniorprofessorin für Systematische Theologie und Ethik an der Universität Jena.


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