Es geht voran

Beispiele für mehr Klimaschutz in Kirchenkreisen und Landeskirchen
Pastor Jens Rohlfing mit seinem E-Bike vor der St.-Johannis-Kirche in Hitzacker. Der Pastor nutzt das Elektro-Fahrrad als Dienstfahrzeug, was die hannoversche Landeskirche finanziell fördert.
Foto: epd
Pastor Jens Rohlfing mit seinem E-Bike vor der St.-Johannis-Kirche in Hitzacker. Der Pastor nutzt das Elektro-Fahrrad als Dienstfahrzeug, was die hannoversche Landeskirche finanziell fördert.

Nicht überall in den evangelischen Kirchen in Deutschland hat der Klimaschutz die  Bedeutung, die er den eigenen Zielen zufolge haben müsste. Deshalb wurden diese auch verfehlt. Doch das soll sich ändern. Gute Beispiele gibt es jedenfalls. Ruth Gütter,  Referentin für Nachhaltigkeit bei der EKD, und Oliver Foltin vom Projektbüro EKD-Klimaschutz stellen einige von ihnen vor.

Die evangelischen Landeskirchen und die EKD setzen sich schon sehr lange in Theorie und Praxis mit den Fragen des Klimaschutzes auseinander. Bereits ab Ende der 1990er-Jahre wurde in einigen Landeskirchen das Umweltmanagementsys­tem „Grüner Gockel/Grüner Hahn“ entwickelt. Ein wichtiger Meilenstein für die verstärkten Klimaschutzaktivitäten wurde im November 2008 auf der EKD-Synode gelegt, in dem – früher als andere Kirchen und andere zivilgesellschaftliche Organisationen – erstmalig eine klimapolitische Zielvorgabe auf den Weg gebracht und in den folgenden Jahren mehrmals fortgeschrieben wurde. Die EKD-Synodenbeschlüsse – obwohl nur mit Empfehlungscharakter – haben Wirkung gezeigt: 15 von 20 Landeskirchen haben seither Klimaschutzkonzepte erarbeitet, die konkrete Maßnahmen zur Reduktion der CO2-Emissionen im Bereich Gebäude, Mobilität und Beschaffung enthalten. Zwei weitere Landeskirchen haben hierfür 2021 eine Förderung beantragt. In zwei Landeskirchen (Nordkirche und Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz) wurde mit dem Beschluss von Klimaschutzgesetzen den Klimaschutzmaßnahmen eine noch höhere Verbindlichkeit gegeben.

Seit 2011 werden die klimarelevanten Daten aus den Landeskirchen vom Projektbüro Klimaschutz der EKD gesammelt, ausgewertet, in Klimaschutzberichten veröffentlicht und der EKD-Synode in dreijährigen Abständen präsentiert. Seit einigen Jahren führt das Projektbüro regelmäßige Tagungen zur Weiterbildung für die wachsende Zahl der landeskirchlichen Klimaschutzmanagerinnen und -manager durch, bei denen auch ein intensiver Austausch zu Best-Practice-Maßnahmen stattfindet.

Der letzte Klimabericht, der 2020 der EKD-Synode vorgelegt wurde, hat jedoch ergeben, dass die Klimaziele für 2015 und für 2020 trotz dieser Struktur und trotz aller Bemühungen deutlich verfehlt wurden. Die Gründe dafür sind bereits in einem Interview mit dem Leiter des Projektbüros in zz 01/21 benannt worden. In einigen Landeskirchen wird der Klimaschutz noch nicht als prioritär genug angesehen, wenige Landeskirchen – sehr kleine Landeskirchen und Landeskirchen in den neuen Bundesländern – sahen sich bisher finanziell und personell dazu nicht in der Lage. Angesichts der Zunahme von Katastrophen, die durch den Klimawandel bedingt sind, und auch durch die wachsende Bedeutung, die das Thema gerade für junge Menschen hat, wächst aber in den Landeskirchen der Konsens, dass der Klimawandel eine zentrale Herausforderung unserer Zeit ist, zu dessen Begrenzung auch die Kirchen ihren Beitrag leisten müssen.

So hat der Think Tank „Nachhaltigkeit der EKD“, in dem neben Brot für die Welt und der Diakonie Deutschland zehn weitere kirchliche Arbeitsfelder sowie Initiativen mitarbeiten, die Landeskirchen 2021 aufgefordert, ihre Anstrengungen im Bereich Klimaschutz zu intensivieren und ihnen eine noch höhere Priorität und mehr Verbindlichkeit zu geben. Andernfalls sei die Glaubwürdigkeit der evangelischen Kirche in dieser wichtigen Frage gefährdet. Der Artikel von Arnd Henze in der Novemberausgabe von zeitzeichen unterstreicht diese These eindrücklich.

Es ist also deutlich, dass mehr geschehen muss, um die selbst gesetzten Ziele zu erreichen. Dabei gibt es in vielen Gemeinden, Kirchenkreisen und Landeskirchen bereits viele gute Beispiele für wirksamen Klimaschutz, die zur Nachahmung einladen. Diese Beispiele und viele andere gelungene Projekte aus dem Bereich nachhaltige Entwicklung (zum Beispiel zum Thema Artenschutz, Bildung, Ernährung, Mobilität, Stadtentwicklung, Beschaffung) sind ausführlicher in einer von der FEST und der EKD veröffentlichten Publikation beschrieben („Auf dem Weg zur sozial-ökologischen Transformation. Geschichten des Gelingens in Kirche und Diakonie“, 2021).

Zum Kernthema Klimaschutz daher hier nur einige wenige exemplarische Beispiele, die zum Nachahmen einladen:

In der badischen Landeskirche, eine der Vorreiterkirchen in Sachen Klimaschutz, gibt es seit 2015 das Projekt „Energiemission“. Das Energiemanagementsystem für die Bereiche Wärme, Strom und Wasser hat das Ziel, in Kirchengemeinden Energie einzusparen und den Einsatz erneuerbarer Energien auszubauen. Ehrenamtliche Energiebeauftragte überprüfen kontinuierlich die Heizungssysteme auf Schwachstellen, erfassen die Verbräuche, erstellen Energieberichte und schlagen dem Kirchenvorstand Maßnahmen zur Verbesserung der Energiebilanz vor. Auf diese Weise konnten Gemeinden ihren Heizungsenergieverbrauch um bis zu 35 Prozent senken. Die Landeskirche unterstützt dieses Programm mit Fördergeldern. Das Konzept wurde, weil es so erfolgreich ist, inzwischen von der hessischen Nachbarkirche EKHN übernommen.

In einem anderen Projekt im Kirchenkreis Mecklenburg, der seit 2012 zur Nordkirche gehört – ebenfalls eine Vorreiterkirche –, wurden in den 1990er-Jahren Flächen der Kirchengemeinden an Investoren für Windenergieanlagen verpachtet. 2015 hat der Kirchenkreis beschlossen, selbst ein „Kirchliches Energiewerk“ zu gründen, um mittels einer Stiftung Windenergieanlagen und Photovoltaikanlagen zu betreiben und dabei auch mit der Kommune zusammenzuarbeiten. Dem Kirchenkreis gehören 51 Prozent des Werkes, dem regionalen Energieversorger 49 Prozent. 2020 konnte zum Beispiel auf dem Kirchengut Sabel der Kirchengemeinde Burg Stagard eine Photovoltaikanlage mit 700 Kilowatt errichtet werden. Neben der Erzeugung von regenerativer Energie für den Eigenbedarf und die Region werden aus dem Erlös der Stiftung zudem noch Klimaschutzprojekte (Erzeugung regenerativer Energie, Sanierungen, E-Mobilität, Beratungen) in den Kirchengemeinden, aber auch in den Partnerkirchen weltweit gefördert.

Heizkosten eingespart

Ein weiteres Beispiel, bei dem Landeskirche und Kirchengemeinden Hand in Hand arbeiten, ist das Projekt „Minus 40 Prozent “ der Evangelischen Kirche der Pfalz. Die Landeskirche hatte sich, nachdem sie das Emissionsminderungsziel minus 25 Prozent bis 2015 im Gebäudebereich erfolgreich erreicht hatte, das Ziel gesetzt, ihre Emissionen von 2005 bis 2020 um 40 Prozent zu senken. Wohlwissend, dass das kein Selbstläufer ist, haben sich die Verantwortlichen ein Projekt ausgedacht, bei dem die Kirchengemeinden in ihrem Klimaengagement unterstützt werden und das Energiemanagement in eine verbindlichere Form gebracht wird. Gemeinden, die einen schlüssigen Maßnahmenplan vorlegen konnten, wurden mit einem Betrag von bis zu 2 500 Euro unterstützt. 69 Kirchengemeinden haben sich bis 2020 beteiligt. Die Daten werden noch ausgewertet, aber schon jetzt sind bemerkenswerte Einzelergebnisse erzielt worden. Eine Gemeinde schaffte es sogar mit einem Mix von Maßnahmen, ihre CO2-Emissionen bis 2020 um 49 Prozent zu senken und damit jährlich eine fünfstellige Summe an Kosten für Strom und Heizung einzusparen. „Für uns ist Klimaschutz keine zusätzliche Aufgabe, sondern integraler Bestandteil der Gemeindeentwicklung“, so berichtet eine Pfarrerin.

Schließlich sei im Hinblick auf eine höhere Verbindlichkeit auf die Verabschiedung von Klimaschutzgesetzen in der Nordkirche (2015) und in der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) im Jahr 2020 hingewiesen (zunächst nur für Gebäude, in 2022 soll ein Gesetz für den Bereich Mobilität und Beschaffung folgen). Beide Landeskirchen sehen in ihren Klimaschutzgesetzen neben vielen empfohlenen Maßnahmen auch einige verbindliche Maßnahmen für alle kirchlichen Ebenen vor. Dazu gehören etwa der Bezug von Ökostrom ab 2022 (EKBO), eine verbindliche ökofaire Beschaffung nach einem Beschaffungsgesetz (Nordkirche), eine veränderte klimafreundliche Reisekostenvergütung (Nordkirche) oder das Verbot von fossilen Heizungen ab 2023 (EKBO). Darüber formulieren beide Gesetze eine Pflicht zur Erhebung von Daten und eine Berichtspflicht für alle Ebenen – von den Kirchengemeinden, über die Kirchenkreise bis zur Landeskirche. Kernelement beider Klimaschutzgesetze ist die Einführung finanzieller Abgaben für Klimaschutzmaßnahmen für alle Ebenen. In der Nordkirche sind das jeweils 0,8 Prozent der Schlüsselzuweisungen und in der EKBO soll ab 2023 jede emittierte Tonne CO2 mit 125 Euro bepreist werden. Damit soll der Anreiz zur CO2-Einsparung erhöht werden. Gleichzeitig wird aus den eingenommenen Mitteln ein Klimaschutzfond gebildet, aus dem die Kirchengemeinden Mittel für Maßnahmen für den Klimaschutz, aber auch für Bildungsmaßnahmen in diesem Bereich beantragen können. In der EKBO sollen diese Fonds von der Kirchenkreisebene verwaltet werden.

Die Erfahrungen beider Kirchen mit der Entwicklung und Umsetzung von Klimaschutzgesetzen werden von den anderen Landeskirchen aufmerksam verfolgt. Die Expertise beider Kirchen ist aktuell bei den Planungen der Landeskirchen zur Weiterentwicklung ihrer Konzepte zu mehr Verbindlichkeit sehr gefragt. Dabei ist es notwendig, dass die laufenden Struktur- und Zukunftsprozesse sowie die Bedarfsplanung für Gebäude und Liegenschaften in den Landeskirchen noch stärker mit den Klimaschutzmaßnahmen verzahnt werden. Eine Kernfrage wird dabei sein, welche Gebäude braucht Kirche wirklich angesichts der Mitgliederentwicklung für die künftige Arbeit, welche Gebäude können auch mit anderen gesellschaftlichen Akteuren genutzt und wie müssen die verbleibenden Gebäude energetisch umgerüstet werden, damit sie klimaverträglich sind.

Das alles gewinnt Bedeutung insbesondere nach dem bemerkenswerten Beschluss der EKD-Synode Anfang November 2021 für eine Verschärfung der Klimaziele in der EKD und für die Entwicklung einer Roadmap für einen verbindlichen EKD-weiten Prozess zur Erreichung der Klimaneutralität im Jahr 2035.

Nur wenige Tage nach diesem EKD-Beschluss hat die Evangelische Kirche in Oldenburg die Entwicklung eines Klimaschutzgesetzes und die Evangelische Kirche von Westfalen einen Prüfauftrag für ein Klimaschutzgesetz beschlossen. In weiteren Landeskirchen laufen bereits seit Längerem Verhandlungen für die Entwicklung und den Beschluss von Klimaschutzgesetzen. Der Weg in Richtung eines ambitionierteren und verbindlicheren Klimaschutzhandelns in den Landeskirchen ist damit vorgezeichnet. Die EKD-Synode will 2022 eine datenbasierte und verbindliche Roadmap zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2035 verabschieden, die in den kommenden Monaten zwischen Landeskirchen und EKD erarbeitet und abgestimmt werden soll. „Es ist höchste Zeit, dass die Menschheit Wege findet, innerhalb der ökologischen und sozialen Grenzen unseres Planeten zu leben. ‚Weiter so‘ geht nicht. In den Jahren vor uns muss die Transformation zu einem nachhaltigeren Leben für alle gelingen“ – diese Worte aus dem EKD-Text „Geliehen ist der Stern, auf dem wir leben“ gelten auch für das Klimaschutzhandeln der evangelischen Kirchen.

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