Ich bin Aquarianer – Sie können das Wort ruhig googeln, ich kenne es auch erst seit kurzem. Also, ich gehöre, obwohl Journalist, jetzt nicht zu der friedliebenden Art auf einem fremden Planeten, die in der Serie „Star Trek“ ungefähr so aussieht wie eine Kreuzung aus einem Tintenfisch und einem Elefanten in grünlich-trübem Wasser. Aber mit Wasser, klar, das wissen wir alten Lateiner, hat das schon zu tun: Ich habe ein Aquarium. Bin also ein Aquarianer, wie sich diese Leute, meist Männer (warum – das lässt tief blicken), nennen.
Das mag Sie jetzt nicht vom Hocker reißen, dennoch mein ungebetener Rat: Aquarien sind schön! Kaufen Sie sich eines! Es bereichert Ihr Leben! Und es ist besser als ein Hund, der süß, treu und knuddelig ist, aber auch schnell stinkt, dauernd Gassi muss, selbst morgens um fünf, und leider nicht höflich aus unserem Leben verschwindet, wenn wir mal in den Urlaub fahren wollen, der verdammte Köter!
Fische statt Hund, das war also der Deal, der innerfamiliär gefunden wurde, naja: Es war nicht ganz Konsens. Denn wir sind gebrannte, besser: durchnässte Kinder. Wir hatten nämlich schon zwei Aquarien. Beim ersten hatten wir „Dummenglück“, wie meine Frau oft sagt, denn wir kauften es einfach gebraucht, etwas Kies rein, ein paar Pflanzen und (vor den Fischen!) noch Wasser drauf geschüttet, fertig war die Laube, äh, das Aquarium. Weil alles so einfach war, kam rasch die Hybris: Wir kauften ein größeres Aquarium, 200 Liter oder so. Und zwei Tage nach der Füllung knackte es verdächtig … den Rest können Sie sich denken.
Unser drittes Aquarium war also ein, sagen wir: umstrittener Kauf. Und das „Dummenglück“ hatte uns verlassen. Die Pflanzen schwammen dauernd an der Wasseroberfläche, die schmucke Baumwurzel wollte einfach nicht auf dem Boden bleiben – und der arme Schlomo: Der schwarze Wels, von Anfang an ein sehr scheues Tier, war nur selten zu sehen, an den Aquariumsscheiben nuckelnd. Zur Seite stellten wir ihm einen artgleichen orangenen Genossen, Zaid genannt. Es sollte ein friedliches Zusammenleben werden, eine Parabel des gelösten Nahostkonflikts, eine Utopie im Aquarium.
Dann der Schock (ich übertreibe ein wenig): Schlomo war nach wenigen Wochen plötzlich verschwunden. Einfach weg. Keine Fischleiche, nirgends. Dafür trübte sich das Wasser bedenklich ein. Unsere Vermutung: Entweder wurde er von seinen lieben Mitfischen gefressen – oder er löste sich langsam irgendwo auf und ließ das Aquariumwasser bedrohlich kippen. Nur durch ausgiebigen Einsatz von böser Chemie nach den Ratschlägen des aquarianischen Fachverkäufers unseres Vertrauens (familienintern „Chemical Ali“ genannt) nahm die Trübung wieder ab … Aber Schlomo blieb verschwunden. Jetzt ist unser Aquarium wieder klar und schön. Aber was das über den Nahostkonflikt sagt, darüber will ich lieber nicht nachdenken.
Philipp Gessler
Philipp Gessler ist Redakteur der "zeitzeichen". Ein Schwerpunkt seiner Arbeit ist die Ökumene.