Alte Sünden

The Black Keys: Delta Kream

Das Wiegen in den Hüften ist unvermeidlich. Füße ausstellen und dann wirklich Tanz kommen bei den forcierten Coal Black Mattie oder Mellow Peaches rasch hinzu. Der Körper erinnert sich: den Blues nicht unbedingt haben, aber spüren – als Weite, Ausgreifen, fluide Melancholie, verdichtet zu Stimmung, Flow.

Delta Kream serviert lupenrein elf Mississippi-Hill-Country-Blues-Standards, darunter sieben von den Legenden Robert Lee Burnside und Junior Kimbrough, den das Bluesrock-Duo The Black Keys besonders schätzt. Dan Auerbach (git, voc) und Patrick Carney (dr) aus Akron, Ohio, widmeten ihm bereits ein ganzes Album.

Dies ist ihr Zehntes, mit Eric Deaton (b), Kenny Brown (git) und Ray Jacildo (organ) an zwei Tagen nahezu live aufgenommen. Traumwandlerisches Zusammenspiel, magische Intensität, hypnotisch dichter Sound, im Kern rau und doch elegant, tanzbar. Stoff für die Juke Joints genannten Hill-Country-Kneipen. Der Körper erinnert Übereinstimmen im Flow und ein Freund Jugendsünden wie bekifftes Autofahren, dazu bretterlaut vom Kassettenrekorder aus den selbst montierten Bassreflexboxen ZZ Top, deren Texas-Blues-basierter Southern Rock von den Black Keys aber Meilen entfernt liegt. Bis der Freund so weit kam, hatte er indes erst jenen Jugendleiter aus den Knochen zu schütteln, der, obwohl nach 1945 geboren, in allem Schwarzen und im Blues besonders solid rassistisch den Teufel lauern sah. Eben allzu leibhaftig. An die legendäre Seelenkreuzung eines Robert Johnson, wo Entscheidendes gegen Inspiration und Stil zu tauschen war, konnte er sich erst nach der Begegnung mit Kierkegaard trauen. Denn der hatte die Folgerung des Apostels Paulus, wonach, was nicht aus dem Glauben gehe, Sünde sei (Römer 14, 23), logisch umgekehrt. Woraufhin mehr ging. Der Körper erinnert sich. Die Black Keys bieten dazu mit Burnsides Going Down South oder Poor Boy A Long Way From Home eine Liturgie, die im hügeligen Nord-Mississippi ebenso trägt wie im Sauerland oder auf jener Gefällestrecke zwischen Engelssturz, Golgatha, Wittenberg, Schleswig und dem „Institut für wissenschaftlichen Atheismus“ in Berlin, damals noch Hauptstadt der DDR, wo Stefan Heyms Roman Ahasver dessen Wanderschaft und die seines Kumpels Luc in einem ominösen Hauswandloch heiter kulminieren ließ.

Der Körper erinnert sich und erkennt den literarischen Double zum Hill Country Blues von Delta Kream darin. Denn Ahasver wandert weiter und trifft Luc auf diesem Album nach langem wieder mal. Bewegung, die in sich ruht. Das Richtige ist mitunter verkehrt. Blues weiß darum. Er verbindet – wie alte Sünden. Und die Erlösung? Die muss warten, nicht jetzt. Wer ihm seit Hendrix oder Canned Heat nicht mehr gewogen war, kann mit diesem Tribut an ihn eine schöne Bekehrung erleben.

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