Ist weniger mehr?

BasisBibel: Neue Bibelübersetzung mit kurzen Sätzen, aber wissenschaftlich fundiert
Foto: Deutsche Bibelgesellschaft

zeitzeichen: Herr Rösel, Ende Januar erscheint die BasisBibel mit Altem und Neuem Testament nach der überarbeiteten Fassung der Lutherbibel 2017. Warum braucht es eine neue Bibelübersetzung?

CHRISTOPH RÖSEL: Zunächst ist das Projekt der BasisBibel vor der revidierten Lutherbibel auf den Weg gebracht worden. In ihrer Sprachgestalt ist diese gerade auch nach der Revision 2017 ein Buch, das seine Wurzeln im 16. Jahrhundert hat. Durch die lange Wirkungsgeschichte hat sie zwar eine immense Vertrautheit. Aber für Bibel ungewohnte Menschen ist die Lutherbibel einfach eine zu große Hürde. Deshalb ist die BasisBibel ein sehr gutes Pendant.

 

Worin unterscheidet sich die BasisBibel von der Guten Nachricht, also der Bibel im heutigen Deutsch?

CHRISTOPH RÖSEL: Die Gute Nachricht ist in manchem etwas stärker erklärend, etwas weitschweifiger, sie packt Erklärungen direkt in den biblischen Text hinein. Für die biblische Sprache bedeutet das teilweise eine Einbuße an Prägnanz; außerdem hat sie auch längere Sätze, ist also in dieser Hinsicht etwas komplizierter.

 

Hat die Gute Nachricht ausgedient?

CHRISTOPH RÖSEL: Nein. Es gibt ausgesprochene Fans der Guten Nachricht, häufig Menschen, die sie im Konfirmandenunterricht kennengelernt haben und die etwa auch im Pfarrdienst weiter mit ihr arbeiten.

 

Auf welchen Erkenntnissen begründet sich die Nachfrage nach einem niederschwelligen neuen Bibelformat?

CHRISTOPH RÖSEL: Auf anderen, neuen Lesegewohnheiten durch die Digitalisierung. Man liest kurze Sätze und kürzere Texte. Es muss die Komplexität im Satzbau reduziert werden. Die Anfrage dazu kam aus der Evangelischen Jugendarbeit. Eine leichter zugängliche, aber trotzdem wissenschaftlich verantwortete Bibel sollte entstehen, nicht einfach nur eine freie Übertragung, sondern eine qualitativ wertvolle Übersetzung.
 

Wen wollen Sie mit dieser neuen Bibel erreichen?

CHRISTOPH RÖSEL: Die ausdrückliche Zielgruppe sind Konfirmanden und Schülerinnen und junge Erwachsene. Darüber hinaus soll die BasisBibel auch zur Erstbegegnung mit der Bibel verhelfen. Gerade für Menschen, die sich an diese schwierigen Texte vielleicht das erste Mal wagen. Und wir haben gemerkt, dass von Anfang an Menschen aller Generationen zur BasisBibel gegriffen haben, das Neue Testament ist ja als Einzelausgabe schon seit 2010 auf dem Markt. Selbst erfahrene Bibelleser greifen zum Beispiel bei der Lektüre des Römerbriefs darauf zu. Die komplexen Sachverhalte sind durch die kurzen Sätze leichter nachzuvollziehen, auch wenn man theoretisch alle Wörter der Lutherbibel versteht. Beim Fernsehgottesdienst zur EKD-Synode 2020 stammte der Text aus dem Römerbrief aus der neuen Bibel.
 

Wie geht das zusammen: eine Bibel nah am griechischen und hebräischen Urtext und gleichzeitig die erste deutsche Übersetzung, die das durch Computer und Internet veränderte Medienverhalten berücksichtigt?

CHRISTOPH RÖSEL: Übersetzen ist ein sehr komplexer Prozess, den man sehr unterschiedlich ausführen kann. Es gibt eine formale Äquivalenz, bei der der Übersetzer den Satzbau aus dem Urtext übernimmt. Das gibt es in der BasisBibel dort, wo es geht, gerade auch hebräische Texte sind in den Erzählungen nicht so kompliziert. Im Neuen Testament ist diese formale Entsprechung schwieriger. Nur in der Wahl der Begriffe bleibt man dabei. Zum Beispiel im Römerbrief der Begriff Glaube. In der Guten Nachricht Bibel wird er häufig durch Vertrauen erklärt, was ja sachgemäß ist, aber schon weiter in die Erklärung hineingeht. Die BasisBibel benutzt hier konsequent den Begriff Glaube. In den Erklärungen beschreibt sie, wie das gemeint ist und zusammenhängt.
 

Jede Übersetzung ist auch Interpretation. Das heißt also, das Übersetzerteam der BasisBibel hält sich stärker zurück?

CHRISTOPH RÖSEL: Ja, im Erklären. Der Anmerkungsapparat ist ausgelagert, was die Arbeit sehr aufwändig machte. Andere Übersetzungen haben immer auch Anmerkungen, aber die BasisBibel hat das in einer sehr ausgeprägten Weise. Einzelne Wörter werden am Rand jeder Seite erläutert oder in den digitalen Ausgaben verlinkt, so dass der Interpretationsspielraum stärker beim Leser liegt.

Und wie konnten Sie für eine verständliche Sprache und Satzstruktur Sorge tragen?

CHRISTOPH RÖSEL: Zum einen haben wir von Anfang an Leute ausgewählt, die ein gutes Sprachgefühl mitbringen. Zum anderen gab es nach den von den Exegetinnen und Exegeten angefertigten Übersetzungen den Arbeitsschritt der germanistischen Redaktion. Wir hatten immer den Ausgangstext und einen Anwalt der deutschen Sprache. Und dann gab es auch über tausend Testleser, die Rückmeldungen gegeben haben.
 

„Wir wollen in unseren Kirchen eine verständliche Sprache sprechen. Das gilt bei aller nötigen Fremdheit auch für die Texte der Bibel“, sagt Annette Kurschus, die Vorsitzende des Aufsichtsrates der Deutschen Bibelgesellschaft. Inwieweit denken Sie, kann die BasisBibel dazu beitragen?

CHRISTOPH RÖSEL: Im Gottesdienst ist die neue Bibel sehr geeignet für Lesungen, weil sie sich durch die kurzen Sätze gut hören und verstehen lässt. Das ist schon jetzt ein Beitrag für eine verständlichere Sprache.
 

Können Sie auf dem Bibelmarkt einen Trend zu Bibeln im heutigen Deutsch festmachen?

CHRISTOPH RÖSEL: Wir haben in Deutschland eine sehr gute Versorgung mit Bibelübersetzungen auf einem hohen Niveau. In der Katholischen Kirche ist die Einheitsübersetzung die kirchlich verbindliche Übersetzung, auch in der Liturgie und im Schulunterricht. Und daraus begründet sich ihre Dominanz in diesem Bereich. Im evangelischen Bereich gibt es nur Empfehlungen vom Rat der EKD. In den vergangenen Jahrzehnten haben sich die neueren Übersetzungen etabliert, aber nach wie vor verkauft sich die Lutherbibel am stärksten auf diesem insgesamt schrumpfenden Markt.

Das Gespräch führte Kathrin Jütte am 24. November 2020 per Zoom.

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Foto: Deutsche Bibelgesellschaft

Christoph Rösel

Christoph Rösel ist seit 2014 Generalsekretär der Deutschen Bibelgesellschaft. Der im Fachbereich Altes Testament habilitierte Theologe hat an der neuen Basis-Bibel mitübersetzt.

Kathrin Jütte

Kathrin Jütte ist Redakteurin der "zeitzeichen". Ihr besonderes Augenmerk gilt den sozial-diakonischen Themen und der Literatur.


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