Auch die Vollkonferenz der UEK musste in diesem Jahr digital tagen. Dabei hielten sich die Delegierten der unierten und reformierten Landeskirchen nicht lange mit Formalia auf, sondern stellten spannendes theologisches Nachdenken ins Zentrum.
Die UEK-Vollkonferenz ist eine Oase in der EKD-Synode: Gefühlt nie gibt es Gegenstimmen bei irgendwelchen Entscheidungen, meist geht alles sehr schnell, jedenfalls, was die Formalien betrifft, dann gibt es fast immer ganz viel tolle Theologie und das alles häufig in rekordverdächtig kurzer Sitzungszeit. Könnte es nicht überall so sein? Der Name UEK allerdings, wenn er denn ausgeschrieben wird, ist der mit Abstand längste der drei kirchlichen Entitäten EKD, UEK und VELKD: Die Union Evangelischer Kirchen in der Evangelischen Kirche in Deutschland bringt 62 Buchstaben auf die Waage – da landen die Kolleginnen VELKD (51) und EKD (nur 31) deutlich hinten.
Erstaunlich, wie virtuos, ohne Stocken, zügig, ohne zu hetzen und völlig unfallfrei Clara Popp, seit gut drei Wochen neue juristische Kirchenrätin der UEK, diesen bandwurmartigen Namen mehrmals in Fülle erklingen ließ, als sie der am Bildschirm versammelten Vollversammlung die Bestätigung der gesetzesvertretenden Verordnung zur Änderung des Pfarrdienstausführungsgesetzes der UEK und des Ausführungsgesetzes der UEK zum Besoldungs- und Versorgungsgesetz der EKD vom 26.03.2020 zur Beratung vortrug. Chapeau! Meldungen oder gar Gegenstimmen? Natürlich keine.
Aber die UEK wird munter, wenn es um Theologie geht: Zuerst nahm die Vollkonferenz den „Bericht über die Arbeit des liturgischen Ausschusses der UEK“ zur Kenntnis, den deren Vorsitzender Pfarrer Carsten Haeske, im Hauptamt stellvertretender Leiter des Instituts für Aus-, Fort- und Weiterbildung in der Evangelischen Kirche von Westfalen, abgab. Besonders pointierte Haeske darin den „atmosphärische(n) Wandel“ im Verhältnis zum Liturgischen Ausschuss der VELKD, den er unter anderem daran festmachte, dass das Präsidium der UEK und die Kirchenleitung der VELKD trotz sehr unterschiedlicher Ausgangslagen im Vorfeld „einhellig (…) den Auftrag zu einer von vornherein gemeinsamen Über-bzw. Neuerarbeitung einer gegenwartssensiblen gemeinsamen Taufagende“ erteilt haben. Allenthalben große Zustimmung!
„Schlagader berührt“
Zum Höhepunkt geriet dann die Behandlung des Votums des Theologischen Ausschusses der UEK durch den Ausschussvorsitzenden, den emeritierten Münsteraner Theologieprofessor Michael Beintker. Thema: „Das Handeln Gottes in der Erfahrung des Glaubens“. Fünf Jahre habe sich der Ausschuss damit beschäftigt, so Beintker in seiner Einbringungsrede und gleich zu Anfang betonte er: „Die Frage nach dem Handeln Gottes hat für den Glauben allergrößtes Gewicht, sie berührt gleichsam seine Schlagader.“
Auf der anderen Seite skizzierte Beintker die Alternative: „Was wäre von einem Gott zu halten, zu dessen höchster Vollkommenheit es gehört, selbstversunken ausschließlich um sich selbst zu kreisen oder irgendwo ein weltentzogenes Dasein am menschlichen Ideenhimmel zu fristen?“
Dass dies für ihn, Beintker, keine Alternative sei, wurde in der folgenden Viertelstunde deutlich, etwas für theologische Feinschmecker, ja, aber, und das ist die große Stärker Beintkers, etwas für theologische Feinschmeckerinnen und Feinschmecker aller Fachbereiche, denn Beintker verfügt über die Gabe, umfassende Dinge komprimiert, aber dabei eben nicht zu komplex zu formulieren, sondern in wunderbarer Weise elementar zu bleiben. Zum Beispiel, wenn er fragt: „Was ist eigentlich Handeln? Um dann fortzufahren: „Schon im Blick auf das menschliche Handeln ist diese Frage nicht leicht zu beantworten. Ist jedes Wirken ein Handeln? Ist jedes Verhalten ein Handeln? Was unterscheidet das Verhalten vom Handeln? Und lässt sich unter Umständen auch das Nicht-Handeln als Handeln auffassen? Was schon im Blick auf das menschliche Handeln nur scheinbar leicht zu beantworten ist, wird im Blick auf Gottes Handeln zu einer hochkomplexen Herausforderung für das Nachdenken.“
Öffentliche Kontroverse um Corona und Gott
Dann kommt das Thema Corona. Für Beintker ist klar: „Die Corona-Krise ist nicht die erste Zumutung für die Rede vom Handeln Gottes und sie wird auch nicht die letzte Zumutung dieser Art bleiben.“ Er erinnert daran, dass es kürzlich eine öffentliche Kontroverse gegeben habe, „ob zwischen der Corona-Pandemie und dem Gericht Gottes ein Zusammenhang bestehe“. Beintkers Antwort: „Man müsste ein Prophet sein, um bei der Antwort auf diese Frage in der einen oder anderen Richtung das Richtige zu treffen.“ Aber es würde seiner Ansicht nach doch sehr weiterhelfen, wenn man sich klarmachte, dass zwischen der „Allmacht Gottes“ und der Vorstellung von „einer alles und jedes unmittelbar bewirkenden Allwirksamkeit erhebliche Unterschiede bestehen.“
Deshalb dürften „Allmacht und Allwirksamkeit … auf keinen Fall gleichgesetzt werden“. Gott könne eben nicht auf das „moderne ,Aktitivitätsparadigma‘“ festgelegt werden, „demzufolge nur als wirklich gilt, was wirksam ist und Wirkung entfaltet“. Beintker: „Der allmächtige Gott hat ein Recht auf Passivität“. Der Respekt davor, so der Theologe weiter, lindere zwar nicht „unsere Anfechtung“, aber könne vor dem „Missverständnis“ bewahren, die Corona-Pandemie sei ein „der Wirklichkeit Gottes entzogenes Aktionsfeld.
Die Ausführungen Beintkers beeindruckten in ihrer Präzision und in ihrem Beieinander von Kürze und innerer Weite die virtuelle Gemeinschaft der Vollkonferenz nachhaltig, was sich auch im lebhaften Diskurs danach niederschlug, an dem sich viele Delegierte sowohl lobend wie ergänzend beteiligten. Eine kleine Sternstunde am Bildschirmen, denn es wurde Theologie zur Sprache gebracht, die zum einen denkerisch in Höhen führt, aber zum anderen trotzdem in Gemeindezusammenhängen fruchtbar gemacht werden kann. Fazit: UEK at its best – so sollte es doch gerne noch lange bleiben …
Reinhard Mawick
Reinhard Mawick ist Chefredakteur und Geschäftsführer der zeitzeichen gGmbh.