Schlachtfest am Bildschirm?
Das gab es noch nie: Die Jahrestagung der EKD-Synode wird im digitalen Modus veranstaltet. Einsamkeit am Bildschirm daheim statt dichtbesetzter Reihen in Berlin. Dabei geht es auf der letzten Tagung der 12. Synode der EKD am 8./9. November um enorm wichtige Weichenstellungen für die Zukunft und auch darum, wer künftig wieviel Geld bekommt. Der Ton im Vorfeld ist rau …
Lange hatten die Verantwortlichen bei der EKD gehofft, es würde gelingen, zumindest die 120 Delegierten der 12. Synode der EKD samt Tross in einer Präsenztagung im Maritim-Hotel am Berliner Tiergarten zu versammeln – zwar ohne Stände im Foyer und ohne Empfänge – also ohne all das, was die EKD-Synode als jährlichen Begegnungsraum für viele ausmacht –, doch immerhin „live vor Ort“. Aber schon knapp zwei Wochen bevor gestern Nachmittag seitens der Politik ein Quasi-Shutdown des öffentlichen Lebens ab kommenden Montag verkündet wurde, hatte die EKD die Notbremse gezogen und beschlossen, die siebte und letzte Tagung der 12. Synode am 8./9. November ausschließlich digital zu gestalten.
Gut für den Infektionsschutz, aber auch gut für die Tagung? Klar ist, das wesentliche Elemente, die für eine Synodaltagung prägend sind, wegfallen. „Man darf also gespannt sein, wie der öffentliche Austausch, der sonst für die Synoden der evangelischen Kirchen stilbildend ist, unter digitalen Bedingungen aufrechterhalten werden kann“, schrieb direkt nach dieser Entscheidung am 16. Oktober der Journalist Philipp Greifenstein auf seinem Webportal „Die Eule“. Greifenstein zeigte sich damals besorgt, ob das klappen würde, da sich die EKD „bei der Umsetzung großer digitaler Events“ schwertue, besonders, wenn es darum gehe „ein Geschehen nicht nur abzufilmen, sondern interaktiv zu gestalten“.
Konkrete Sparvorschläge
Abgesehen von den rein technischen Herausforderungen hat sich die 12. Synode der EKD auf ihrer letzten Tagung auch sonst viel vorgenommen: Unter anderem die Debatte über das wegweisende Zukunftspapier des sogenannten Z-Teams. Es erschien zunächst im Juni als „Elf Leitsätze“, die nun grundlegend überarbeitet wurden und am morgigen Freitag von der Präses der EKD-Synode, Irmgard Schwaetzer, bei einem Pressegespräch der Öffentlichkeit vorgestellt werden.
Fast interessanter als ein Austausch über das Grundsatzpapier dürften die Diskussionen über die konkreten Sparvorschläge werden, die ein „Finanzbeirat der EKD“ ausgearbeitet hat, denn da geht es ans Eingemachte. Die Mitglieder dieses Gremiums, das der Rat der EKD eingesetzt hat, sind bisher merkwürdigerweise nicht auf der Website der EKD vermerkt, wo das Gremium neben anderen wie zum Beispiel der Dienstrechtlichen Kommission unter der Überschrift „Die Zukunft mitgestalten“ annonciert ist.
Dieser Finanzbeirat hat jedenfalls Vorschläge erarbeitet, wie im EKD-Haushalt bis zum Jahr 2030 Ausgaben in Höhe von 30 Prozent eingespart werden können. Das ist keine leichte Aufgabe! Natürlich ist allen klar, dass auf Sicht kräftig gespart werden muss, aber dabei macht auch der Ton die Musik. Mit einigen Einrichtungen, die Zuschussempfängerinnen der EKD sind, wurde anscheinend im Vorfeld nicht zimperlich umgegangen. Für viele dieser Einrichtungen wurde ein sogenannte „One-Pager“ erstellt, das heißt, kurze und bündige Notizen, die Zweck und Nutzen der jeweiligen Einrichtung für die EKD charakterisieren.
Linientreue als Kriterium?
So soll es beispielsweise in einer ersten Fassung dieser „One-Pager“ über das erst 2016 nach mühsamen Fusionsprozessen geschaffene „Evangelische Zentrum für Männer und Frauen“ in der EKD wenig schmeichelhaft geheißen haben:
„Die Kernfrage nach dem gesamtkirchlichen Bedarf für diese Arbeit muss gestellt werden. Die Zielgruppen sind gemeinsam gealtert, die Fragestellungen bearbeitet und die Rückbindung an die Positionierung der Gemeinschaft der Gliedkirchen wenig etabliert. Nicht selten kommentiert das Zentrum Statements und Positionen der EKD kritisch und findet in dieser Haltung ihre Identität. […] Eine komplette Einsparung der Mittel ist – abhängig von der Mitarbeitersituation – sinnvoll […].“
Die Politikwissenschaftlerin und Journalistin Antje Schrupp hatte diese Frühform kürzlich auf ihrem Blog gottundco.com veröffentlicht und dazu angemerkt: „Es gehört inzwischen zu den Treppenwitzen des evangelischen Reform-Dilettantismus, mit recht schöner Regelmäßigkeit viel Geld für aufwändigen Buhei auszugeben, nur um die Ergebnisse davon später wieder in die Tonne zu treten (…)“.
Jetzt in der Endfassung liest es sich dem Vernehmen nach etwas höflicher, auch sei die "Kritik an der Kritik" der EKD herausgefallen. Aber völlig unabhängig, wie man zur Arbeit des Zentrums steht, verwundert und befremdet die Tatsache, dass – neben der zumindest recht gewagten Behauptung, dass die Fragestellungen der Geschlechtergerechtigkeit, denen sich das Evangelische Zentrum widmet, abschließend „bearbeitet“ seien –, zumindest in der Frühfassung auch als Vorwurf erhoben und zu Papier gebracht wurde, dass das Zentrum „Statements und Positionen der EKD“ „kritisch“ kommentiere und „in dieser Haltung ihre Identität“ finde.
Soll das heißen, dass zukünftig „Linientreue“ zur EKD – was immer das genau bedeuten mag – ein wichtiges Kennzeichen von evangelischen Institutionen sein soll? Jedenfalls wenn sie Unterstützung aus dem Etat der EKD erhalten wollen?
Die Frage bleibt: Ist diese eine durchgestochene frühe „One-Pager“-Formulierung ein Ausrutscher oder stilbildend für eine Art „Schlachtfest-Synode“ 2020? Letzteres wäre befremdlich ...Möglicherweise aber ist diese aggressive, abkanzelnde Sprache auch nur eine robuste Umsetzung des vielzitierten U-Satzes aus den „Elf Leitsätzen“ (Ziffer 265): „Unverbunden agierende, selbstbezügliche Institutionen und Arbeitsbereiche auf allen kirchlichen Ebenen werden aufgegeben.“
Dieser Satz, der beim ersten Hören logisch und plausibel für eine Reform- bzw. Sanierungsagenda klingen mag, ruft im Raum der evangelischen Kirche sofort und mit Recht die Frage hervor, wer bestimmt, welche evangelische Arbeit „unverbunden“ agiert und „selbstbezüglich“ ist.
Man darf gespannt sein, ob dieser „Unverbunden-Satz“ so auch in den neuen „Zwölf Leitsätzen“ zu finden ist und wer alles noch vom Finanzbeirat mit einem „kw-Vermerk“ bis 2030 versehen wurde ...
Reinhard Mawick
Reinhard Mawick ist Chefredakteur und Geschäftsführer der zeitzeichen gGmbh.