Das Ende der Partnerschaft

Kirche und Sport sollten ihre Schnittmengen in den Kommunen bewusster wahrnehmen

Zwei der wichtigsten Institutionen in der Kommune sind mit vielen Sinnen erlebbar, hörbar, sichtbar. Und nicht wenige Bürgerinnen und Bürger gehören beiden an: Kirchengemeinde und Sportverein. Wie steht es um das Miteinander, den Austausch, den kritischen Dialog dieser gesellschaftlichen Player?

Zumindest zwischen Kirche und Sport gibt es seit den 1960er-Jahren ein geregeltes Miteinander in Arbeitskreisen, durch Akademietagungen, Studienkurse und Spitzengespräche. Es war ein Prozess der Annäherung, ein (mehr oder weniger) wohlwollender Austausch im Sinne einer „Partnerschaft“, auch mit Streit und Differenz. Wolfgang Huber, einer der Protagonisten dieser Partnerschaft, stellte kürzlich die Frage nach der Tragfähigkeit dieses Konzeptes. Beim fünfzigsten Studienkurs „Kirche und Sport“ der EKD wurde Bilanz gezogen: Wie immer waren Sportfunktionäre, Sportwissenschaftler, Theologinnen und Praktiker mit dabei. Ethiklexika, Sammelbände zu verschiedenen Themen, Thesenpapiere und Forschungsarbeiten waren Ergebnisse der Partnerschaft, die in die Krise geraten ist. Das ist gesellschaftlichen Veränderungen geschuldet, auf die nun reagiert werden muss. Denn nach wie vor, so auch die Meinung von Sportwissenschaftlern wie Matthias Krüger (Münster) oder Stefan Schneider (Köln), liegt eine große Chance im Austausch. Doch wie kann der künftig gestaltet werden?

Wichtige Bereiche des Leistungssports sind weitgehend kommerzialisiert. Im Breitensport führt die Nachfrage nach individualisierten Angeboten (zum Beispiel Fitnessstudios) zum Mitgliederschwund in den klassischen Vereinen. Kirchen haben Angst zu schrumpfen und davor, an gesellschaftlicher Relevanz zu verlieren. Und dies trotz eines hohen Stands ehrenamtlichen Engagements in beiden Bereichen, allerdings vorwiegend älterer Mitglieder.

Es gibt verschiedene Schnittmengen im Pool der Herausforderungen. In der Corona-Krise spitzt sich vieles zu, viele Kirchen und Sportstätten waren geschlossen, die Folgen noch nicht absehbar. Aber hier liegt vielleicht auch die Chance für einen Neuansatz.

Es gibt einen Paradigmenwechsel, der gesehen werden muss: Nicht eine „Partnerschaft“, die immer auch auf eine Trennung hinauslaufen kann, sondern eine Situation von „overlapping memberships“ bestimmt die Gegenwart, so Huber. Wer sich für Kirche interessiert, ist oft auch sportlich aktiv. Wer im Sportverein engagiert ist, ist es häufig auch in der Kirchengemeinde.

In Frankfurt-Bornheim stehen Turngemeinde und Evangelische Johannis-Gemeinde vor der Herausforderung, Angebote inmitten eines kulturell und religiös pluralen Stadtteils vorzuhalten. Hier wohnen Familien mit ähnlich vielen Kindern wie im Prenzlauer Berg, viele wachsen zwei- oder dreisprachig auf. Die Eltern arbeiten bei Airlines und Banken, in Restaurants, Beraterfirmen und Krankenhäusern. Die Kirchengemeinde unterhält drei Kindertagesstätten, macht die Bühne frei für Theater, Kabarett und Musik, die Arbeit mit Familien ist mittlerweile ein Schwerpunkt. Die Turngemeinde macht zahllose Angebote im Fitness-Bereich, für Kleinstkinder, Schwangere und Jedermann. Der Sportdirektor hat sein Kind in der evangelischen KiTa, die Familie der Pfarrerin ist Mitglied in der Turngemeinde, im Gemeindebrief wirbt der Sportverein mit einem „Tag der Offenen Tür“ – mit 30 000 Mitgliedern übrigens einer der größten Sportvereine Deutschlands. Aber es ginge weitaus mehr, wenn die längst vorhandenen Schnittmengen bewusster wahrgenommen würden. Denn die gesellschaftlichen Herausforderungen sind enorm. Das soziale Miteinander ist gefährdet, die Demokratie braucht neue Kraft. Nachhaltigkeit und Solidarität sind zu stärken, Populismus und Antisemitismus zu bekämpfen. In der Kommune braucht es einen regelmäßigen Austausch, braucht es Gemeinwesenarbeit, braucht es neben Spiritualität und Bewegung auch Raum für Innovation. In Kirchen- und Sportvereinen ist wichtiges Potenzial vorhanden.

Auch auf der Bühne des Leistungssports sind die Möglichkeiten längst nicht ausgeschöpft: Die Stadionkapellen in Frankfurt, Gelsenkirchen oder Berlin sind starke Symbole geteilter Mitgliedschaft, die nach stärkerer inhaltlicher Auseinandersetzung rufen. Die im Anschluss an Dietrich Bonhoeffer geforderte Diskursbereitschaft im Sinne einer „Öffentlichen Theologie“ ist zu verstehen als Teilnahme und Teilhabe an den Diskursen zu gesellschaftsrelevanten Themen. Davon profitieren Kirche und Sport gleichermaßen, wenn sie sich gegenseitig als Diskurspartner ernster nehmen würden als bisher. Gute Ansätze gibt es, aber es ginge weitaus mehr. Der Kirchentag im kommenden Jahr in der Sportstadt Frankfurt könnte dabei hilfreich sein.

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