Heilsame Erfahrungen

Klartext
Foto: Privat

Gestärkte Hoffnung

Ostersonntag, 12. April

Der letzte Feind, der vernichtet wird, ist der Tod.
(1. Korinther 15,26)

Im Römischen Reich wurden unzählige Menschen, Nichtrömer und vor allem Sklaven, gekreuzigt. Und vermutlich fanden sich die meisten Männer und Frauen, die im Machtbereich der Römer lebten, damit ab, wie mit Kriegen, Sklaverei, Armut und der Unterdrückung von Frauen. Wahrscheinlich konnten sich manche eine menschlichere Gesellschaft vorstellen, hielten aber eine Veränderung für unrealistisch und ließen ihre Hoffnungen fahren.

So etwas geschieht erst recht, wenn Hoffnungsträger umgebracht werden. Das erlebten am Karfreitag die Frauen und Männer, die Jesus nachgefolgt waren, weil er von Gott anders sprach und mit Menschen anders umging, als es damals üblich war. Umso mehr erstaunt, dass seine Jüngerinnen und Jünger an Ostern wieder Hoffnung schöpften. Und sie taten das nicht aus eigener Kraft, sondern weil ihnen etwas widerfuhr, das sie wieder aufrichtete.

Menschen versuchen, den Tod auf zwei Weisen zu verharmlosen. In der biologischen Variante heißt es: Leben ist nur möglich, wenn Lebewesen sterben, wenn die ältere Generation der jüngeren Platz macht. In einer christlichen Variante werden das Grauen des Todes und der Schmerz über den Verlust lieber Menschen mit dem Hinweis auf die Auferstehung überspielt. Aber Paulus tut das nicht. Er weist darauf hin, dass der Tod des Todes noch aussteht, dieser also weiter zum Leben gehören wird. Aber wegen Ostern brauchen Christen nicht mehr wie das Karnickel auf die Schlange starren und sich von den Todesmächten lähmen lassen. Wir können sie vielmehr bekämpfen, weil wir auf den Gott des Lebens vertrauen. Und der lässt immer wieder Zeichen der Hoffnung aufleuchten. Ein gewaltiges, einzigartiges war die Auferweckung Jesu. Eines der kleineren Hoffnungszeichen war zum Beispiel 1786 die Abschaffung der Todesstrafe in der Toskana durch Großherzog Leopold, einen der aufgeklärten Söhne Maria Theresias.

Glückliche Fügung

Sonntag Quasimodogeniti, 19. April

Die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden. (Jesaja 40,31)

Hoffen und Harren macht manchen zum Narren“, weiß der Volksmund. Das trifft auf die Hoffnung zu, die sich nur auf das Jenseits richtet. Sie macht apathisch, unempfindlich für das Leiden anderer (oder das eigene) und findet sich mit der Welt ab, so wie sie ist. Diese Haltung war auch unter Theologen zu finden. Kriege verstanden manche bis ins 20. Jahrhundert als „Zeichen der gefallenen Welt“, die man hinnehmen müsse. Sie würden allenfalls weniger, wenn alle Menschen sich bekehrt hätten und Christen geworden seien. Und den wahren Frieden fände man erst nach dem Tod. Als Narren wurden dagegen die wenigen Christen abgetan, die vor und nach dem Ersten Weltkrieg darauf hofften und dafür kämpften, dass Konflikte zwischen Staaten wie die zwischen Personen vor Gericht geregelt werden.

Wer auf den Gott Israels hofft, den Jesus „Vater“ nannte, und auf ihn harrt, rechnet damit, dass morgen schon möglich werden kann, was heute noch unmöglich erscheint. Der Glaube an diesen Gott verleiht Kraft, setzt in Bewegung und bewirkt Geduld. So können Juden und Christen es aushalten, wenn das Gute, für das sie kämpfen, lange ausbleibt. Menschen können und sollen Pläne machen, im persönlichen wie im politischen Bereich ihres Lebens. Aber die Erfüllung hängt letztlich nicht allein von ihnen ab, sondern von dem, was weltliche Zeitgenossen „Zufall“ nennen und Glaubende als „Fügung“ interpretieren. Otto von Bismarck soll gesagt haben, ein Staatsmann könne „nie selber etwas schaffen“, sondern „nur abwarten und lauschen bis er den Schritt Gottes durch die Ereignisse hallen hört“. Dann müsse er „vorspringen und den Zipfel“ von Gottes Mantel „fassen“.

 

Plötzlicher Ruf

Sonntag Miserikordias Domini, 26. April

Dazu seid ihr berufen, da auch Christus gelitten hat für euch und euch ein Vorbild hinterlassen, dass ihr sollt nachfolgen seinen Fußstapfen. (1. Petrus 2,21)

Amen, so ist es, möchte man rufen. Aber die Begeisterung weicht der Ernüchterung, ja dem Entsetzen, wenn man sieht, in welchem Zusammenhang dieser Vers steht. Er gehört zu einem Kapitel, das die Lutherbibel mit „Mahnungen an die Sklaven“ überschreibt. Es beginnt mit Vers 18: „Ihr Sklaven ordnet euch in aller Furcht den Herren unter, nicht allein den gütigen und freundlichen, sondern auch den wunderlichen.“ Das Wort „wunderlich“ klingt harmlos. Gemeint sind aber unberechenbare, gewalttätige Sklavenhalter.

Deutlich wird (wieder einmal), dass manche Aussagen der Bibel, auch des Neuen Testamentes, aus heutiger Sicht falsch, weil inhuman sind. Heute dürften wohl auch Christen, die die Bibel mit dem „Wort Gottes“ gleichsetzen, sagen, dass sich die Nachfolge Jesu und die Versklavung von Menschen vollkommen widersprechen und ausschließen.

Und die Frage stellt sich: Welche Autorität besitzt für Christen die Bibel und welche die Erfahrung, die sie machen? Es fällt auf, dass für Christen, die Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts die Abschaffung der Sklaverei erkämpften, Erfahrungen, innerliche und äußerliche, eine wichtige Rolle spielten.

Das gilt nicht nur für die Quäker, sondern auch für den anglikanischen Pfarrersohn Thomas Clarkson (1720–1846). Als er in Cambridge studierte, beteiligte er sich an einem Preisausschreiben zum Thema: „Ist es erlaubt, Menschen gegen ihren Willen zu versklaven?“ Zur Vorbereitung las er Abhandlungen von Gegnern der Sklaverei, Berichte über den Sklavenhandel und die mit ihm verbundenen Gräuel und interviewte auch Beteiligte.

Nachdem Clarkson in Cambridge den Preis für seine Arbeit entgegengenommen hatte, ritt er nach London zurück. Dabei sinnierte der 25-Jährige über seinen Essay. Und plötzlich, wie aus heiterem Himmel, verspürte er den Ruf, sein Leben der Abschaffung der Sklaverei zu widmen.

Clarkson tat das. 1787 gründete er in London zusammen mit zwei Anglikanern und neun Quäkern die Gesellschaft zur Abschaffung der Sklaverei. Und schließlich gewann er den Unterhausabgeordneten William Wilberforce, der dafür sorgte, dass das britische Parlament 1807 den Sklavenhandel verbot.

 

Offene Augen

Sonntag Jubilate, 3. Mai

Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht. (Johannes 15,5)

Jesus Christus kennen wir durch die Überlieferung des Neuen Testamentes. Und wir begreifen ihn und den Gott, den er verkündigt, besser, wenn wir auch das Alte Testament lesen. In Jesus Christus bleiben, heißt also auch, an der Bibel bleiben.

Und dabei spielt die Situation eine Rolle, die uns prägt und auch erschüttert. Plötzlich entdecken wir Bibelstellen neu und verstehen sie besser. Und andere erwecken den Eindruck, dass nicht Jesus in ihnen, durch sie spricht, sondern der Geist einer anderen Zeit, wie in den „Mahnungen an die Sklaven“, die uns am vergangenen Sonntag beschäftigten.

Jesus Christus lebt, das ist die Botschaft von Ostern. Er ist also nicht an tote Buchstaben gebunden, sondern kann zu uns auch durch Erfahrungen sprechen, die wir in unserem Inneren und mit anderen Menschen machen. So erkannten Christen, dass der Sklavenhandel unchristlich ist. Und heute halten viele Christen für falsch, was Paulus für richtig hielt, dass in den Gemeinden „die Frauen schweigen“ und „sich unterordnen“ (1. Korinther 14,34).

 

Großer Schatz

Sonntag Kantate, 10. Mai

Und alle Leviten, die Sänger waren … standen östlich vom Altar … und bei ihnen hundertzwanzig Priester, die mit Trompeten bliesen. Und es war, als wäre es einer, der trompetete und sänge. (2. Chronik 5,12–13)

Die Einweihung des Tempels in Jerusalem, von der das 2. Chronikbuch erzählt, liegt sehr weit zurück. Trotzdem passt die Geschichte gut zum Sonntag Kantate. Denn es fallen drei Punkte auf, die auch heute von Bedeutung sind:

Musik gehört zur Religion, weil sie wie diese das Herz anspricht und Tiefenschichten des Menschen erreicht.

Den Gottesdienst gestalten Priester und die Leviten, die den niedrigen Klerus bilden, gemeinsam. In unsere Situation übersetzt: Für die Gottesdienstgestaltung sind nicht nur Geistliche (Ordinierte) wichtig, sondern auch Laien (Nichtordinierte), Kirchenmusiker und diejenigen, die den Kirchdienst versehen.

Und so unterschiedlich eine Gemeinde ist, der Gesang verbindet sie, so dass sie klingt, „als wäre es einer“.

An einem Palmsonntag habe ich einmal eine Messe auf dem Petersplatz in Rom mitgefeiert. Die roten Messgewänder der Zelebranten, der aufsteigende Weihrauch und die Palmen, die über den Platz getragen und vom Wind bewegt wurden, boten einen großartigen Anblick. Aber etwas Wichtiges fehlte: dass die Festgemeinde miteinander einen Choral sang. So wurde mir wieder bewusst, welchen Schatz wir Protestanten an den lutherischen Kirchenliedern und am Genfer Psalter haben. Aber Musik kennt keine Konfessionsgrenzen. In römisch-katholischen Kirchen des deutschsprachigen Raumes erklingen auch reformatorische Choräle. Und in englischsprachigen Ländern singen Anglikaner und andere Christen geistliche Lieder des Methodisten Charles Wesley (1707–1788).

Musik spricht auch Menschen an, die mit Predigten – aus was für Gründen auch immer – wenig anfangen können. Landeskirchliche Gemeinden sollten daher gelegentlich Gottesdienste ohne Predigt feiern. Dabei können sie von der Herrnhuter Brüdergemeine lernen. Sie feiert am Samstagabend einen Liedergottesdienst. Die Gemeinde singt Strophen aus rund zehn Chorälen, unterbrochen durch die Lesung des Lehrtextes und ein Gebet. Im Choral Evensong der anglikanischen Kirche gibt es zwei Schriftlesungen. Der Chor singt Psalmen, Magnifikat, Nunc Dimittis und das Vater Unser und im Wechsel mit dem Liturgen die Litanei. Und zum Schluss singt die Gemeinde an Sonntagen oft einen Choral.

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