Viel Freude

Distler und Zimmermann

Der Fülle barocker und romantischer Chor-CDs steht eine übersichtliche Palette moderner Aufnahmen des 20. Jahrhunderts gegenüber. Der Chormusik beim DLF Kultur sei Dank, dass sie dieser Nische unverdrossen die Treue hält und viele Aufnahmen fördert. So auch diese des Norddeutschen Kammerchores, die den ungestüm-zarten Klangmonolithen Hugo Distler (1908–1942) mit selten aufgeführten, liturgischen Chorwerken aus dem Jahrkreis opus 5 und den Liturgischen Sätzen opus 13 vorstellt, gepaart mit den Drei geistlichen Konzerten für Sopran und Orgel opus 17, der Orgelsonate opus 18,2 und schließlich einer Chorvariation für Sopran und sechsstimmigen Chor (1964) von Heinz Werner Zimmermann (geboren 1930) über ein Thema Distlers, 1965 uraufgeführt von Helmuth Rilling.

Das Programm scheint für eine CD nur bedingt tauglich, weil das Ohr die Wechsel zwischen Chor, Solo und Orgel immer neu balancieren muss – live im Konzert(raum) ist es gewiss besser aufgehoben. Dessen ungeachtet birgt die Auswahl im Detail eine Fülle klangschöner Werke, die Hugo Distler als den in seiner Eigenwilligkeit bedeutendsten deutschen Komponisten geistlich-liturgischer Musik des frühen 20. Jahrhunderts zeigen, weswegen Zimmermanns Auswahl eines Distlerschen Themas für seine hier vorgestellte 20-minütige Chorvariation nur folgerichtig ist.

So ist dessen Werk auch im Kosmos Distlerscher Klangvorstellungen wahrzunehmen. Dabei übernimmt er dessen akkordische Vielfalt und überführt sie stilistisch in die Grenzbereiche des vokalen Jazz, spielt mit Vokalisen und zungenbrecherischen Sprachkaskaden, nutzt die Solo-Chor-Konstellation geschickt für kontrastreiche Affekte und setzt mit einer überaus lebendigen, den Chor an die Grenzen führenden Vielfalt der Stilmittel Distler ein würdiges Denkmal. Wesentlichen Anteil daran hat Christina
Roterberg, die sich durch eine bezaubernde klangliche Fülle mit sublim silbriger Führung auszeichnet und jene sängerische Klugheit besitzt, die der Distlerschen Melodik gerecht wird und ihr zu mystischem Leuchten verhilft.

Dass dem Chor manch professionelle Klang- und Deklamationsstärke fehlt, macht er durch eine große Innigkeit und makellose Intonation, vor allem aber durch das seltene Verständnis Distlerscher Phrasierung wett, die dessen Werk die nötige Gelassenheit und Schönheit schenkt. Die CD ist eine Bereicherung – auch als Repertoirevorschlag für Chöre, die sich der Tugend verschrieben haben, die komplexe Literatur des frühen 20. Jahrhunderts um Distler, Brunner, Burkhard, Pepping und Schroeder vor dem Vergessen zu bewahren.

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