Fasten ist kein Lifestyle

Warum es auch Protestanten tun sollten

Auch in diesem Jahr werden von Aschermittwoch bis Ostern viele Menschen fasten, bewusst auf etwas verzichten, auch Protestanten. Vom Ende des Monats, von Aschermittwoch an, werden sie vierzig Tage lang bis zum Karsamstag Genussmitteln wie Süßigkeiten, Alkohol, Zigaretten oder Gewohnheiten wie kurze Autofahrten, dem Gebrauch von Internet und Smartphone entsagen. Das klingt gut. Warum tun sich evangelische Christinnen und Christen dennoch immer noch so schwer mit dem Fasten?

Fakt ist: Schon Martin Luther hatte in reformatorischer Zeit mit dem
Fastenzwang gebrochen; ihm erschien das Fasten wie eine gute Tat, mit dem der Mensch Gott gnädig stimmen wollte. Und damit verlief die damals gängige Glaubenspraxis deutlich gegensätzlich zum reformatorischen Grundsatz, der vorsieht, dass die Rechtfertigung vor Gott allein aus dem Glauben kommen kann. Und doch akzeptierte Luther das Fasten als Ausdruck individueller
Frömmigkeit und biblischer Praxis.

Trotzdem geriet über Jahrhunderte hinweg das Fasten im Protestantismus in Vergessenheit. Doch in den vergangenen dreißig Jahren haben Aktionen wie „7 Wochen ohne“ oder „Klimafasten“ das Weniger-Ist-Mehr auch unter evangelischen Christen wieder populärer werden lassen.

Gut ist, es zu betonen: Evangelische Christen fasten nicht, weil kirchliche Vorschriften sie dazu verpflichten. Sondern freiwillig. Ja, sie entscheiden selbst, ob und auf was sie verzichten wollen.

Daraus ergibt sich: Das Fasten ist letztlich eine Entscheidung, um frei zu sein, frei für die eigene Persönlichkeit, den eigenen Glauben. Frei vom Konsum von Genussmitteln oder gesellschaftlichen Zwängen.

Und dabei tut es heute gut, altes Wissen neu zu beleben. Auch wenn das Fasten in der auf Optimierung ausgerichteten Gesellschaft für viele wie ein Lifestyle-Trend daherkommt. Denn die Passionszeit war schon immer die Zeit der Reduktion, Besinnung und Buße. Es lohnt, sich den biblischen Hintergrund zu vergegenwärtigen. Den liefern all jene Texte der Bibel, in denen der Zeitraum von vierzig Tagen eine besondere Bedeutung zukommt. Wie die vierzig Tage der Wanderung des Propheten Elia durch die Wüste oder der Frist für die Stadt Ninive zur Umkehr. Selbst Jesus fastete vierzig Tage. Immer ist es eine Zeit des Wechsels, der Vorbereitung oder Umkehr.

Evangelische Christen besinnen sich in der Passionszeit darauf, dass sie den Weg Jesu teilen. Sie werden erinnert, dass kein menschliches Leben ohne Leid gelebt werden kann.

Damit wird Fasten zum Teil jedes Lebens, gleich welcher Konfession. Denn wer verzichtet, gewinnt neuen Raum, bekommt die Erfahrung neuer Freiheit, auch spirituell. Hin zu Ostern lässt sich sieben Wochen lang üben, wie verantwortlicher Umgang mit dem eigenen Leben und mit der Schöpfung die Existenz bereichert. Unliebsame Gewohnheiten gilt es zu hinterfragen, Gedanken zu entrümpeln, seine Zeit sorgsamer zu nutzen. Der bewusste Verzicht hier und da kann ein Mehr an Lebensqualität schaffen, das weiter strahlen kann.

Das Aschekreuz auf der Stirn am Aschermittwoch, Innehalten und Buße tun, die Ganzheit von Körper und Geist wahrnehmen – mit beidem glauben: das würde wohl auch Luther so sehen. Es gibt gute Gründe, als evangelischer Christenmensch ab Aschermittwoch zu fasten.

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Kathrin Jütte

Kathrin Jütte ist Redakteurin der "zeitzeichen". Ihr besonderes Augenmerk gilt den sozial-diakonischen Themen und der Literatur.


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