Es ist weit mehr als Impressionismus. Auch wenn die Hamburger Ausstellung schlicht so heißt. In der Kunsthalle lässt sich an sechzig Gemälden die spannende Entwicklung der französischen Malerei vom Klassizismus eines Eugène Delacroix bis zur beginnenden Abstraktion Paul Gauguins verfolgen. Zwischen ihnen leuchtet das flirrende impressionistische Licht. In solchem Glanz war das noch nicht in der Hansestadt zu sehen.
Die Impressionisten nahmen reinbunte Farben und setzten dicht nebeneinander kurze, kommaförmige Pinselstriche. Besonders die Landschaftsbilder flimmern so unter einer südlichen Sonne. Sie fingen die Erscheinungen der Dinge ein: Éduard Manet, Claude Monet, Camille Pissarro, Edgar Degas, Alfred Sisley, Berthe Morisot, Pierre-August Renoir, Eva Gonzalès – Frankreich war im 19. Jahrhundert der Kunstmaßstab schlechthin.
Das dänische Ehepaar Henny und Wilhelm Hansen erkannte das und erweiterte nach dem Ersten Weltkrieg seine Sammlung dänischer Werke durch französische. Hansen hatte im Versicherungsgeschäft ein stattliches Vermögen erworben und investierte leidenschaftlich in die Förderung von Künstlerinnen und Künstler, ab 1918 öffnete er zudem seine Privatgalerie einmal wöchentlich für Kunstfreunde. Henny Hansen vermachte nach ihrem Tod die Werke dem dänischen Staat mit der Maßgabe, dafür ein Museum zu bauen. Da dies 1953 eröffnete Haus in Ordrupgaard bei Kopenhagen zur Zeit renoviert und erweitert wird, sind dessen Meisterwerke bis zum 1. März an der Elbe zu sehen. Die Ausstellung lädt ein, Kunst als Schönheit zu erleben – idealer Einstieg ist der achtminütige Film zur Sammlung.Die anregende Promenade durch acht chronologisch gestaltete Themenräume beginnt bei den Anfängen der französischen Malerei im 19. Jahrhundert. Thomas Mann hätte gleich seine Freude an Honoré Daumiers „Don Quijote und Sancho Panza, unter einem Baum rastend“, sah er doch in der Gestalt des Ritters die christlichen Begriffe von „Erniedrigung und Erhöhung“ verkörpert. Nach ihrem erfolgreichen Kampf gegen die Windmühlen schläft der Knappe erschöpft, der Edelmann durchwacht die Nacht. Rund siebzig Mal hat Daumier Szenen aus Miguel de Cervantes’ Roman gezeichnet und gemalt. In ihm, so Thomas Mann, zeige sich, „was das Christentum für die Welt der Seele, der Dichtung, für das Humane selbst und seine kühne Erweiterung und Befreiung denn doch ewig bedeutet.“Der zweite Bereich der Ausstellung widmet sich den Landschaftsräumen Camille Corots und dem Übergang von realer zur Seelen-Landschaft: Die Natur wird zur Projektion persönlicher Empfindungen. Aus der stilbildenden Schule von Barbizon sind im nächsten Raum unter anderem drei Seestücke zu sehen, das jedes eine andere Stimmung vermittelt: bei Charles-François Daubigny verkörpert das Meer harmonisches Gleichmaß, für Gustave Courbet elementare Bedrohung und bei Jules Dupré unfassbare Unendlichkeit. Die Themen vier und fünf präsentieren Landschafts- und Stadtbilder, in deren Licht und Farben der Flaneur eintauchen möchte. Die beiden folgenden Säle zeigen harmonisch komponierte, zuweilen aber auch blumig-affektierte Porträts und Stillleben. Den fulminanten Schlussakkord des Spaziergangs setzt Paul Gauguin, der sich in der mystischen Spiritualität seiner polynesischen „Adam und Eva“ und der surrealen Kühnheit der „Blauen Bäume“ von der Gegenständlichkeit löst.
Die impressionistische Kulturtour wird zusätzlich zum Genuss durch die großen Durchblicke auf die Alster aus dem zweiten Obergeschoss der Galerie der Gegenwart, die nun endlich wieder frei sind. Paris, Kopenhagen und Hamburg kommen sich ganz nahe. Beeindruckend.
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