Lang, lang war’s her

Leibniz-Preis 2020 für Thomas Kaufmann

Frohe Kunde! Zum ersten Mal seit 19 Jahren wurde der Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis wieder an einen evangelischen Theologen verliehen. Kurz vor Weihnachten konnte sich Thomas Kaufmann, Professor für Kirchengeschichte an der Universität Göttingen und international renommierter Forscher im Bereich der Reformationsgeschichte, über den Oscar unter den deutschen Förderpreisen freuen (siehe auch Seite 70). Bis zu 2,5 Millionen Euro darf Kaufmann, 57, in den kommenden sieben Jahren nun für die Förderung von Projekten ausgeben – eine Art Lottogewinn für die theologische Forschung.

Diese Ehre sei für ihn völlig überraschend, sagte der Preisträger bescheiden, doch ganz unerwartet kam die Auszeichnung nicht, war Kaufmann doch der Wissenschaftler, der in den Jahren der Lutherdekade von Seiten der Theologie her wichtige Impulse für das Reformationsjubiläum 2017 geliefert hatte, die nicht nur für theologische Fachchinesen interessant waren, sondern gleichermaßen auch für Kirche und Gesellschaft.

Beispielhaft ist zum einen seine Veröffentlichung des Buches „Luthers Juden“ von 2014, in dem Luthers Antijudaismus treffend charakterisiert wird, und dessen Erkenntnisse die offizielle Distanzierung der EKD von Luthers Judenschriften beförderte.

Zum anderen war es Kaufmann schon immer wichtig, die Reformation als gesamteuropäisches, internationales Phänomen zu erfassen – populär verständlich niedergelegt in seinem luziden Buch „Erlöste und Verdammte“ von 2017. Zudem lieferte sich der temperamentvolle Forscher im selben Jahr einen unterhaltsamen öffentlichen Streit mit der seiner Ansicht nach übergriffigen Kritik aus dem EKD-Kirchenamt an der akademischen Theologie (vergleiche zz 3, 4 und 5/2017) und sorgte so für eine geistreiche Debatte. Mehr geht nicht.

Den unverhofften Fördersegen will Kaufmann nach ersten Überlegungen in Forschungsprojekte stecken, die er selbst unter dem Stichwort „Lutherus Latinus“ zusammenfasst. Es geht dabei um die größtenteils noch unerschlossenen Texte Luthers, die schon im 16. Jahrhundert in sehr breitem Umfang ins Lateinische übersetzt wurden, die Lingua franca der damaligen Wissenschaft. Durch diese lateinischen Übersetzungen wurde eine europäische Rezeption des Reformators ausgelöst, deren inhaltliche Nuancen in der national geprägten deutschen Lutherforschung ab dem 19. Jahrhundert völlig außerhalb der Perspektive lagen.

Außerdem möchte Kaufmann die zahlreichen nationalsprachlichen Lutherübersetzungen aus der Reformationszeit, zum Beispiel ins Dänische, Französische und Tschechische, künftig mehr in den Blick nehmen. Auch in diesen Übersetzungen werden natürlich andere Bedeutungsnuancen und Akzente transportiert, die Kaufmann in Editionen sichtbar machen will, um damit dem „deutschen Luther“ einen „europäischen Luther“ gegenüberzusetzen. Diese Historisierung bedeute zwar zunächst einmal „Verfremdung“, aber auch Annäherung, denn das 16. Jahrhundert sei ein „vornationalstaatliches Zeitalter“ gewesen, „ein Kontinent mit permanenter Migration und Austausch in alle Richtungen“. Und das, so Kaufmann, sei eine für die Gegenwart „notwendige Perspektive“. So ist es. Punkt.

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