Eigene Untätigkeit beklatschen?

Randbemerkungen zum Dortmunder Kirchentag
Foto: privat

Auch wenn jeder Kirchentag ein riesiges Großereignis ist, finden faktisch sehr viele und durchaus verschiedene Kirchentage gleichzeitig statt. Ein großes und fröhliches Familientreffen einer durchaus heterogenen Verwandtschaft mit viel Musik und Gesang, mit einer keineswegs nur unbeschwerten Heiterkeit und einer an die Grenzen der Geduld geratenen drängenden Zuversicht. Natürlich ist Vieles, was sich in Dortmund als prophetisch gab, längst keine Überraschung mehr. Wenn Manches davon inzwischen auch von den Spatzen auf dem Dach zu vernehmen ist, kann das nur erfreulich sein, denn es hat noch nichts von seiner Dringlichkeit verloren. Zwei Randbemerkungen dazu:

Es gehört mit zur Tradition der Kirchentage, dass sie deutlich von den großen gesellschaftlichen Herausforderungen ihrer Zeit geprägt sind. Übrigens – und darüber darf man zwischendurch auch einmal erschrecken – hat der Kirchentag 1927 in Königsberg diese Herausforderung im entschlossenen Eintreten der Kirche für die völkische Erhebung Deutschlands gesehen. Da haben sich glücklicherweise die Zeiten geändert. Mit guten Gründen blickt der Kirchentag heute auf die nur als skandalös zu bezeichnende Untätigkeit im Blick auf die global voranschreitende Zerstörung der Lebensgrundlagen und die sich gleichzeitig beschleunigende Destabilisierung der bisher wenigstens einigermaßen berechenbaren und darin verlässlichen politischen Machtverhältnisse auf unserem Globus. Dennoch hat es mich merkwürdig berührt, als ich mich in einer großen Halle wiederfand, wo auf einem pointierten Kurzbeitrag einer Vertreterin von ‚Fridays For Future‘ minutenlange standing ovations folgten. Ich habe mich gefragt, wer da eigentlich so frenetischen Beifall klatscht. Es saß oder stand da doch im Wesentlichen die Generation, die längst die Chance hatte, etwas zu tun, und nun beklatscht, dass ihnen ihre Untätigkeit so schonungslos vor Augen gestellt wird. Auf dem Kirchentag beschleicht mich immer wieder der Eindruck, dass sich das Publikum selbst beklatscht, weil es sich auf der richtigen Seite wähnt. Ob sich ‚Fridays For Future‘ über diesen Beifall tatsächlich freuen kann? Mit sich selbst bestätigenden Stimmungen ist noch nichts gewonnen, zumal diese auch schnell wechseln können.

Meine zweite Randbemerkung bezieht sich auf die vom Kirchentag stiefmütterlich gepflegte Ökumene, die weit hinter dem zurückbleibt, was ich etwa als ökumenischer Gesprächspartner auf den Katholikentagen in Leipzig und in Münster erlebt habe. Es ist einer Initiative der katholischen Bistümer in nrw zu verdanken, dass sie an die Evangelische Kirche von Westfalen herangetreten sind, um dem Thema der Ökumene eine ausdrücklichere Beachtung zu verschaffen, was dann in einem eilends erstellten Programm „Ökumenisch Kirche sein“ geschehen ist, das im offiziellen Programm des Kirchentages keinen Platz mehr gefunden hat. Es wäre ein Zeichen ökumenischer Unglaubwürdigkeit, wenn sich die Ökumene allein auf die ökumenischen Kirchentage beschränkte. Hier sollte bereits jetzt über den ökumenischen Kirchentag 2021 in Frankfurt hinausgedacht werden.

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