Was für eine Kirche! Sie ist unterwegs zu den Menschen, heute hier, morgen vielleicht schon dort. Sie sucht die Begegnung, gibt Raum zum Ruhen, zu Gesprächen, zur Einkehr und zu Erlebnissen. Sie fällt auf, sie macht neugierig, sie lädt ein. Und sie ist voll mit Menschen. Gibt es nicht? Gibt es doch, und man konnte sie sehen in dreierlei Gestalt auf dem Kirchentag in Dortmund.
Dazu musste man zunächst ins Zentrum Jugend gehen, auf den Fredenbaumplatz, auf dem sich zu Kirmeszeiten das Riesenrad dreht. Wenn man die Zeltstadt mit all den Info- und Aktionsständen durchschritten hat, steht man vor der ersten Version dieser Kirche, der „#containerkiezkirche“ der Evangelischen Jugend Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Sie besteht aus 29 Containern, die geschickt angeordnet unterschiedliche Räume schaffen und auch einen Kirchturm, der über eine Kletterwand bestiegen werden kann. In den Containern finden Gottesdienste statt, aber auch Gesprächskreise zu unterschiedlichen Themen. Gerade geht es um Geschlechteridentitäten. Im „Hof“ zwischen den Containern findet sich eine Gruppe unter einer Discokugel zusammen. Gleich daneben eine Ausstellung zum Thema „Segen“, wer sie durchschreitet, hört segensreiche Worte und wird am Ausgang mit einer feinrieselnden Dusche belohnt. Theologisch kann man darüber diskutieren, als Symbol der Erquickung und Erfrischung funktioniert das bei sommerlicher Hitze hervorragend. Es fällt nicht schwer, sich vorzustellen, dass diese Kirche auch auf anderen Plätzen steht, mitten in der Stadt, die Aufmerksamkeit auf sich zieht und gewiss auch kirchenferne Menschen anspricht.
Ein paar Meter weiter, zwischen den Bäumen des angrenzenden Parks dann die andere Version, die Baumhauskirche des CVJM. Vierzig junge Männer und Frauen haben in viereinhalb Tagen einen Ort mit 170 Quadratmetern zwischen Himmel und Erde geschaffen, der Kühle und Schatten spendet. Die Idee stammt aus der Schweiz, ein knappes Dutzend solcher Kirchen steht mittlerweile in Deutschland und den Niederlanden. Sie laden Jugendliche zu Workshops und Camps ein, stehen einige Monate und können dann wieder abgebaut werden. Die Bäume bleiben unbeschädigt, denn die tragenden Pfeiler, die wiederverwendbar sind, werden mit Seilen befestigt. Die Materialkosten lagen in Dortmund bei knapp sechstausend Euro, dafür entstand ein Erlebnis- und Ruheraum, der auf dem Kirchentag für großes Interesse sorgte.
Und dann war da noch das Zentrum Kinder ein paar Haltestellen entfernt in den Räumen des Dietrich-Keuning-Hauses, einer Jugendfreizeitstätte im Norden der Stadt. Auch hier galt das Prinzip, dass Kirche sich zu den Menschen in den sozialen Brennpunkten aufmacht, mit Spielen, Theater, Musik und biblischen Geschichten im Gepäck. Das war den Machern wichtig, wie schon beim Kirchentag davor in Berlin, und das Konzept ging auf. Bei der Jonglage trafen sich Menschen, die sich sonst kaum begegnen und Kirche wurde auch für die Kirchenfernen erlebbar.
Drei Beispiele dafür, dass viel möglich ist, wenn Kirche sich herausbewegt aus den heimischen Gemäuern, nicht nur wartet, dass jemand kommt, sondern hingeht zu den Menschen, die die traditionellen Kirchenportale nicht mehr durchschreiten. Und das alles belebt durch viele junge Christen und Christinnen, die sich auseinandersetzen mit den wichtigen Fragen der Zeit. Armut, Afrika, Klimawandel, Inklusion, Geschlechterrollen – über all das und über vieles mehr wurde gesprochen und informiert in und um die mobilen Kirchen herum. Vertrauen in die Zukunft der Kirche? Das fiel hier leicht…
Stephan Kosch
Stephan Kosch ist Redakteur der "zeitzeichen" und beobachtet intensiv alle Themen des nachhaltigen Wirtschaftens. Zudem ist er zuständig für den Online-Auftritt und die Social-Media-Angebote von "zeitzeichen".