Wer das Glück oder zuweilen auch die Last hat, die Bahnstrecke von Berlin nach Hannover mit dem ICE zu befahren, hörte seit Jahren mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in gleichen oder ähnlichen Worten eine Ansage, die folgende sieben kostbare Informationen enthält: Unser Zug hat zwei Zugteile (1), die in Hamm/Westfalen geteilt werden (2). Der vordere Zugteil fährt über Dortmund und Essen nach Düsseldorf (3), der hintere Zugteil fährt über Hagen und Wuppertal nach Köln (4), ein Übergang zwischen den Zugteilen ist nur auf den Unterwegsbahnhöfen (5), letztmalig in Hamm/Westfalen (6), möglich (7).
Hörte? Ja, hörte, denn seit März und noch bis Oktober entfällt die Zugteilung in Hamm wegen Bauarbeiten. Seit März fahren also beide Zugteile entweder durchs Ruhrgebiet und sparen Hamm ganz aus oder durchs Bergische Land, halten in Hamm, aber verzichten dann auf den Halt in Hagen. Ich gebe zu, dass mir die Ansage ein bisschen fehlt, und ich ertappe ich mich dabei, dass ich instinktiv das Gefühl habe, etwas sei nicht in Ordnung, bis mir einfällt: „Ach ja, es wird gebaut, deswegen keine Teilungsansage!“
Schon früher habe ich mich immer wieder gefragt, warum die Bahn für diese doch recht stereotype Ansage noch kein Band eingespielt hat. Bisher tätigten die Zugchefinnen und Zugchefs tapfer die Ansage mit den oben genannten Fakten immer in Echtzeit. Natürlich mit leichten Variationen, zum Beispiel mit Ausschmückungen wie „Meine Damen und Herren, bitte beachten Sie folgenden Hinweis, unser Zug besteht aus zwei Zugteilen …“…“ oder auch signalhafter „Meine Damen und Herren, ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit: Unser Zug besteht aus zwei Zugteilen …“.
Seit März ist nun also Funkstille, was das angeht. Das Marketing der Bahn hätte also Zeit, in sich zu gehen. Sollte man diese legendäre Info zur Zugteilung in Hamm nicht vielleicht als Konserve vorproduzieren? Das würde die Stimmen der Zugchefinnen und -chefs schonen, denn die müssen doch häufig andere, aktuelle Ansagen machen, leider häufig solche wie: „Meine Damen und Herren, unser Zug hat Berlin mit einer Verspätung von fünfzehn Minuten verlassen. Grund dafür war ein technischer Defekt (oder eine verspätete Bereitstellung, oder der Grund waren einfach „Verzögerungen im Betriebsablauf“). Da könnten sie doch ab Oktober zumindest von der Zugteilung-in-Hamm-Ansage entlastet werden.
Und wenn man es schon produziert, warum nicht einen Jingle, nein, einen kleinen Song, das wäre doch hübsch! Auf die Schnelle fiele mir das ein: „Unser Zug ist zweigeteilt, und er muss in Hamm sich trennen / wer im falschen Teil noch weilt / der darf keinesfalls verpennen / kommt der Zug dann dort zu stehen / in den rechten Teil zu gehen“. Das ginge halbwegs auf die Melodie von „Unser Leben sei ein Fest“. Was? Sie meinen, das ist es noch nicht? Kann sein. Ich bleibe dran …
Reinhard Mawick
Reinhard Mawick ist Chefredakteur und Geschäftsführer der zeitzeichen gGmbh.