Reza Aslan: Gott.
Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2018,
316 Seiten, Euro 22,–.
Reza Aslan ist in den Vereinigten Staaten ein vielgefragter Religionsexperte mit bewegter Glaubensbiografie. Von Haus aus Moslem iranischer Herkunft wuchs er in einer religionskritischen Familie auf, wurde als Jugendlicher evangelikaler Christ, konvertierte dann wieder zum Islam, von dem er sich aber auch distanzierte, als ihm Widersprüche im Koran auffielen. Heute versteht er sich als Botschafter eines dem Sufismus nahestehenden Pantheismus. Bekannt wurde er als Autor eines Buches über die Geschichte des Islam und einer Jesus-Biografie, in der er Jesus als Zeloten beschreibt: Zelot. Jesus von Nazaret und seine Zeit.
In seinem neuen Buch Gott will er die religiös Interessierten „zu einer reiferen, friedlicheren, ursprünglicheren Spiritualität“ führen, nachdem, so wird vorausgesetzt, die Menschheit spirituell immer auf dem Holzweg war, seit sie die animistischen Vorstellungen der Frühzeit hinter sich gelassen hat.
Über Jahrtausende hinweg hätten die Menschen ihre eigenen Eigenschaften auf Gott oder die Götter projiziert. Jetzt gälte es zu erkennen: Das Göttliche ist in den Menschen selbst. „Sie müssen Gott nicht fürchten, denn Gott sind Sie selbst.“ Mit dieser Botschaft endet das jüngst erschienene Buch.
Reza Aslan ist auch Dozent für kreatives Schreiben. So geht er recht kreativ zu Werke bei seiner Darstellung der Religionsgeschichte, die er auf knapp zweihundert Seiten unterbringt. Sehr verkürzt und verzerrt erscheint, was er zu Judentum und Christentum sagt. Es darf bezweifelt werden, ob der Rest stimmt – trotz der hundert Seiten Anmerkungen, die er anfügt.
Religion, so Aslans These, war dem Homo Sapiens von Anbeginn ins Gehirn gepflanzt: Er konnte nicht anders, er musste sein seelisches Bewusstsein auf die Umwelt projizieren.
So fanden die frühen Menschen die Natur voller Geister und glaubten an das Weiterleben ihrer Ahnen als Geistwesen. Nach der landwirtschaftlichen Revolution konzentrierte sich die religiöse Erwartung auf die Fruchtbarkeit der Erde, die nun vergöttlicht wurde. Als dann die Menschen sich in Völkern hierarchisch zu organisieren begannen, erfanden sie die ebenfalls hierarchisch organisierten Götterfamilien.
Der Monotheismus entsprach nicht dem menschlichen Bedürfnis, die eigenen Lebensumstände religiös zu überhöhen: Ein Gott konnte unmöglich alle menschlichen Eigenschaften in sich vereinigen. Deswegen mussten Echnathon in Ägypten und Zoroaster in Persien scheitern. Nur die Juden scheiterten nicht, als sie im Exil ihren einen Gott Jahwe erfanden, um nicht im babylonischen Reich unterzugehen.
Allerdings kamen ihnen schon gut fünfhundert Jahre später die Christen in die Quere, die mit Jesus Christus wieder einen zweiten Gott ausriefen.
Die ersten Christen waren bei Aslan allesamt Gnostiker, die zwischen dem bösen Schöpfergott und dem guten Erlösergott unterschieden. Aber weil der Bischof von Rom der oberste Bischof sein wollte und Konstantin der einzige Kaiser, habe man mit der Trinitätslehre dann so etwas wie einen obersten Gott konstruiert.
Erst Mohamed habe mit der Einzigkeit Allahs auch die Einheit von Gott und Schöpfung erkannt. Allerdings sei das im Koran nicht richtig durchgehalten, nur die sufische Mystik sei dem auf der Spur geblieben. Da muss Aslan zum Schluss aber zugeben: Mystik gab es in allen Religionen, selbst im Christentum.
Es ist sicher kein Schade, wenn Menschen nach der Lektüre dieses Buches sich veranlasst sehen, das „Göttliche“ in jedem Wesen zu respektieren. Schade ist es nur, wenn sie glauben, sie hätten dank Reza Aslan nun alles verstanden, was sich mit Gott verbindet.
Angelika Obert
Angelika Obert ist Pfarrerin im Ruhestand in Berlin. Sie war bis 2014 Rundfunk- und Fernsehbeauftragte der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz für den Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb).