Im Flow

Genial guter Jazz

Aaron Parks:
Little Big.
Ropeadope (Groove Attack), 2018.

Jazz ist etwas für freie Geister und für die, die die Freiheit suchen. Wer sich ihm verschreibt, wählt den Weg des immer Neuen und Unbekannten, den „step across the border“, wie ein wunderbarer Film über den englischen Gitarristen und Komponisten Fred Frith von Nicolas Humbert und Werner Penzel überschrieben ist. So könnte auch dieses tänzerisch im Flow schwingende und leichtfüßig mitreißende Art-Rock-Jazz-Album von Aaron Parks überschrieben werden. Die Anteile daran sind gut und ausgewogen verteilt: Greg Tuohey spielt eine umwerfend feinfühlig-rotzige Leadguitar (Kid, Digital Society), die sich lächelnde Dialoge mit den von Aaron Parks gespielten Keyboards liefert und immer wieder verschmitzt aus diesen ausbricht, um kraftstrotzend den nächsten Gipfel zu erklimmen, oder sich in die Wiese fallen lässt, deren grüne Weiten Aaron Parks leichtfingrig ausbreitet. David Ginyard macht der Garde virtuoser Mitspiel-Bässe höchste Ehre – und einer hält alles mit einer atemberaubenden
Elastizität der Hand- und Sprunggelenke zusammen, dass man ihn für den neuen Billy Cobham hält: Tommy Crane am Schlagzeug, das er durchwirbelt und streichelt wie keiner. Was für ein Groove, was für ein Sound, was für ein lichter Kosmos der Klänge und Rhythmen! Da verschmilzt alles in der scheinbaren Spielfreude des Zufalls und mit der Leichtigkeit höchster handwerklicher Meisterschaft ineinander und zeigt seinen Komponisten Aaron Parks als magister ludi auf der Klaviatur klingender Bilder der Freiheit. Kein Ton für die Tonne, keine Phrase als Lückenbüßer, aber jeder Klang ein neuer weiter Garten, in dem alle Instrumente und Temperamente ihren Platz haben. Es scheint, als baue Aaron Parks seine kompositorischen Gerüste von vornherein eher horizontal im Geflecht der eigens gefingerten Klangspektren, die sich zwischen verwunschen-artrockigen Synthesizer- (Aquarium, Mandala) und wunderbar einfachen Pianoklängen (Hearth, The Fool) bewegen, um alle Vertikalen frei zu halten und sie seinen Mitspielern als Räume zu öffnen, in denen sie je nach Zuspiel mit variabler Melodik und rhythmischer Virtuosität antworten. Bells gerät beispielsweise zu einem dieser Kleinode ebenso wie Good Morning – flügelleicht wie ein Psalm, der voll Freude in den Tag tanzt, durch nichts getragen als die Sorglosigkeit des Moments und einen Beat, der fliegen gelernt hat. Das Ende des Album ist wie ein Anfang „Doors open“. Man möchte meinen, Keith Jarrett brauche sich um seine Nachfolge nicht weiter zu scheren – man möchte nur, dass Aaron Parks so weitermacht.

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