Das trägt einander

Die Duineser Elegien

Rainer Maria Rilkes Duineser Elegien sind keine leichte Kost. Hält man sich an die Regieanweisungen des Dichters, nach denen sich im Vollzug des Sprechens und für die Dauer des Hörens im gemeinsamen Erleben eine Ahnung dessen auftut, was da poetisch sublim ziseliert und rhythmisch erhaben ausbalanciert ist, dann geht einem doch ein Licht auf. – Zeitweise zumindest, mit stetig sich ändernder, aber nie ganz verlöschender Kraft.

Am Ende steht ein Erlebnis, dass sich nicht eindeutig zuschreiben lässt: dem Dichter? Den beiden Interpreten? Das mäandert. Lesen und hören. Und dann: das Erlebnis des Vollzugs zu fassen suchen.

Das ist hier bei Franziska Walser und Edgar Selge ein ganz ungeheures, weil das Paar, wechselseitig zu Wort kommend, unterschiedlicher kaum sein könnte: Edgar Selge scheint Rilke alles aus dem Leib zu reißen und aus dem eigenen wieder herauszurufen – keine Rezitation, keine Begegnung zwischen Autor und Leser mit der Membran aus Papier, nein: ein aus dem Geröll des eigenen Herzens und seinen Seufzern aufsteigender Monolog, immer neu ansetzend im rufenden Entsetzen, gestillt in den wenigen Momenten des Verstehens. Jedes Ende seiner Elegie erschöpft erreichend. Und dann Franziska Walser, wieder Ordnung einlesend, noch auf dem dünnsten Eis des Daseins den Haltegriff der Form wie eine Bestimmung wahrend und auch im dunkelsten Moment gefasst … so gerät Dichtung zu Gegenwart, ohne auf rationalen Segen angewiesen zu sein.

Alle Affekte bestimmt das Timbre: Edgar Selges schaler Tenor dehnt die existenzielle Spannung bis auf Zehenspitzen stehend. Franziska Walsers weicher, unbestechlich klarer Alt bietet aller Erschöpfung einen Stuhl. Das trägt einander.

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