Hilft ja nix, manchmal braucht‘s US-Gitarren: Klassiker wie das Strokes-Debüt, mal einen ganzen Wilco-Tag, während Kids wieder Nirvana-Shirts tragen, oder Grandioses wie The Wood Brothers, die hier bislang sträflich unter dem Radar blieben. Puff of Smoke ist das zehnte Album von Oliver (Gitarre, Gesang), Chris (Kontrabass) und ihrem ‚spiritual brother‘ Jano Rix (Percussion, Piano, Synthies). Lässig klingt von dem umwerfend eingespielten Roots-Trio alles und ist bis in die Lyrics gewitzt. Ein kluger Kopf nannte ihre Musik mal Progressive Americana. Das scheppert, knarzt, rollt virtuos, fliegt elegant, hat Raffinesse, und kommt augenblicksgewiss auf jenen Punkt, den man Weisheit oder freundliches „F***t euch doch alle“ nennt. Kurzum, es geht um Erlösung im Alltag, Ideologie-frei, jedoch Geldgier und Dominanzgebaren gegenüber sehr bestimmt.
Der Sog ihrer Songs ist groß, weil Können, gelassene Inbrunst und Haltung kongenial ineinander fallen. Ihr Sound besiedelt alles, was dieser freiheitsgetaufte, gewaltgesättigte und just arg irrlichternde Dream-Staat musikalisch je hervorbrachte, von Funk bis Desert Rock, kubanischem Cachito-Groove und Detroit-Techno. Sie brillieren in raspelnder Tom-Waits-Launigkeit, haben Jazz im Blut und reichen in Lyrics und Gesang bis an das Understatement von Country-Mogul John Prine. Alles drin, vielleicht, weil sie im stets offenen Produktionsprozess auf das kreativ Unbewusste setzen und Menschen mögen, so sehr sie die auch kennen. Ein fröhliches Singalong also, wobei der gehörige Tiefgang der elf Songs nie drückt, ob im Normalo-Rumpeler „Witness“ als Opener, beim Tanzbein-Trigger „The Trick“ mit frisierten Fender Rhodes, bärtanzpurzelnden Wiegerhythmen in dem kirmesflotten Psychedelia-Hochamt Above All Others (dieser Bass!) oder der Schlussballade „Till The End“.
Emotionale wie geistige Mitte dieser begeisternden Fülle ist der Titeltrack, der vorschnellen Grasgeruch vernehmen ließ. Dabei ist Puff of Smoke in mancher Bibel bloß Übersetzung von griechisch atmis aus dem Jakobusbrief (4,14): „Ihr wisst nicht, was morgen sein wird. Was ist euer Leben? Dunst seid ihr, der kurze Zeit bleibt und dann verschwindet.“ Luther schmähte ihn als ‚stroherne Epistel‘. Ihm steckte zu viel jüdische Bibel darin. Dass er so Jesu „Seht die Vögel unter dem Himmel an; seht die Blumen auf dem Felde“ letztlich gleich mit abräumte, schien ihn kaum zu kümmern. Wir indes danken den Wood Brothers fürs Erinnern (vapor, Dunst, atmis), übernehmen die Rauchfahne und lesen bei Jakobus weiter (4,15): „Dagegen solltet ihr sagen: Wenn der Herr will, werden wir leben und dies oder das tun.“ Der berühmte jakobäische Vorbehalt: So Gott will und wir leben; auf Arabisch: Inschallah. (Es lohnt sich doch, Sprachen zu lernen, liebe Theologen!) Und dies alles durch ein Album, das weder gläubig noch christlich ist, nur toll, schlau und erlösend. Todsicher hätte der Nazarener Wood Brothers gehört, Puff of Smoke allem voran. Amen.
Udo Feist
Udo Feist lebt in Dortmund, ist Autor, Theologe und stellt regelmäßig neue Musik vor.