Es ist Jahrzehnte her, dass es in Deutschland permanent Aufregung über den Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) gab. Das war in den 1970er- und 1980er-Jahren. Schon damals stritt man sich über „Apartheid“, aber nicht über die Angemessenheit der Verwendung des Begriffs, sondern über die Strategien des Umgangs damit und um die Beurteilung der damaligen Situation in Südafrika. Dort regierte unstrittig ein Apartheidsregime.
Mit der Erklärung des Zentralausschusses des ÖRK vom 27. Juni wurde der Begriff „Apartheid“ wieder prominent vom höchsten Gremium des Rates zwischen den Vollversammlungen in die Öffentlichkeit gebracht. Bereits in der Überschrift wird man darauf gestoßen, sie heißt: Ein Aufruf zur Beendigung von Apartheid, Besatzung und Straflosigkeit in Palästina und Israel. Die Erklärung ist in Deutschland auf heftige Kritik gestoßen, und im Fokus der Kritik als Person steht der ehemalige EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm, der seit 2022 Vorsitzender des ÖRK-Zentralausschusses ist. Er versucht nun zu erklären, wie es dazu kommen konnte, und verweist auf das für Außenstehende etwas befremdlich anmutende Verfahren der differenzierten Konsenssuche. Besonders empörend finden viele, dass die Erklärung einseitig Israel verurteilt und das Massaker der Hamas vom 7. Oktober 2023, das diese beispiellose Eskalation in Nahost auslöste, unerwähnt lässt. Das ist in der Tat ein Skandal, und es ist gut, dass sich der württembergische Landesbischof Gohl und die EKD-Ratsvorsitzende Kirsten Fehrs klar von dieser ÖRK-Erklärung distanziert haben.
Nun gibt es Forderungen, dass sich die EKD und auch Heinrich Bedford-Strohm aus dem ÖRK zurückziehen sollten. Beides ist nicht ratsam, denn mit seinen 350 Kirchen ist der ÖRK eine Art UNO auf Kirchenebene. Wenn es das nicht gäbe, müsste man es erfinden. Und Grundlage der Mitgliedschaft ist immer noch „nur“ die 1961 auf der Vollversammlung in Neu-Delhi entwickelte so genannte Basisformel. Sie lautet: „Der Ökumenische Rat der Kirchen ist eine Gemeinschaft von Kirchen, die den Herrn Jesus Christus gemäß der Heiligen Schrift als Gott und Heiland bekennen und darum gemeinsam zu erfüllen trachten, wozu sie berufen sind, zur Ehre Gottes des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.“ Diese liturgische Formel klingt gut, sagt aber in der Welt realer Politik alles und nichts. Das ist ihre Stärke und Schwäche zugleich. Denn was „gemäß der Heiligen Schrift“ bedeutet, wird bis ans Ende aller Tage immer unterschiedlich, ja zuweilen konträr, ausgelegt werden. Aber auch die Forderung an Bedford-Strohm, sich vom Vorsitz des Zentralausschusses zurückzuziehen, ist kurzsichtig. Denn wer weiß, wer ihm nachfolgen würde? Bitter aber ist freilich: Die Positionierung des Weltkirchenrates zu Israel und Palästina zeigt, dass die besondere deutsche kirchliche Sicht zu diesen Themen in der weltweiten Christenheit eine absolute Minderheitenposition ist. Die Diskussion, wie damit umzugehen ist, hat gerade erst begonnen. Sie braucht Zeit, Ruhe und auf keinen Fall überstürzte Symbolhandlungen.
Reinhard Mawick
Reinhard Mawick ist Chefredakteur und Geschäftsführer der zeitzeichen gGmbh.