Schwitzende aller Länder...

Genügend Wasser trinken ist wichtig. Aber es reicht nicht.
Foto: privat

Bekanntermaßen hat Bluesky das alte Twitter als Mikroblogging-Dienst der Wahl vernunftbegabter Menschen abgelöst. Ich genieße es sehr, in meiner Timeline dort über die neuesten Nachrichten und die aktuellen Diskurse auf dem Laufenden gehalten zu werden. Dazu gibt es noch eine ordentliche Ladung Witze und „Shitposts“. Also Kurznachrichtenkunstwerke, deren kathartische Wirkung auf das Gemüt mit dem handelsüblichen Kakophemismus leider kaum zutreffend beschrieben ist. 

In den vergangenen heißen Junitagen häufen sich in meiner Timeline nebst Hinweisen auf wissenschaftliche und journalistische Einordnungen der Hitzewelle sicher nur gut gemeinte, aber in ihrer Häufung etwas enervierende Mahnungen, angesichts der allgegenwärtigen Demse nur das Trinken nicht zu vergessen. Reichlich, allerdings nicht reichhaltig soll man sich das kostbare Nass zuführen, am besten in Form des auch in Deutschland zum immer knapperen Gut werdenden H2O. Wasser! Waassser! 

Wer ist schuld?

Während die Grünflächen verdorren und allenthalben das Brauchwasser eimerweise an die geliebten Stadtbäume geschüttet wird, nun da die Bevölkerung Zuflucht an Badeseen, in Freibädern und an den Springbrunnen der Städte sucht (die hoffentlich die letzten kommunalen Einsparungswellen überlebt haben), jetzt, wo wir alle die Erd-Erwärmung wieder einmal am eigenen Leibe erleiden, frage ich mich, wem wir diesen Schlammassel eigentlich zu verdanken haben.

Heiß war es immer schon (mal wieder) und auch Dürresommer hat es immer schon gegeben. Zwei übrigens nicht unbedingt miteinander verbundene Phänomene, wie Meteorologie-Expert:innen auf Social-Media-Plattformen (auch ungefragt) erklären. Wer erinnert sich noch an Michaela, die uns die Hitzewelle im Jahr 2003 bescherte? „Mit geschätzten 45.000 bis 70.000 Todesopfern und einem volkswirtschaftlichen Schaden in Höhe von geschätzten 13 Milliarden US-Dollar gehört sie zu den opferreichsten Naturkatastrophen der vorhergegangenen 40 Jahre weltweit“, informiert die Wikipedia, „und [ist] wohl das schlimmste Unwetterereignis des Kontinents seit Beginn der modernen Geschichtsschreibung“.

Mir wurde die 2003er Hitzewelle erst neulich auf einer Tagung zur Zukunft des guten Lebens im ländlichen Raum ins Bewusstsein gerufen. Auch auf dieser Zusammenkunft von Landwirt:innen, Aktivist:innen, Verbandsfunktionär:innen und Historiker:innen ging es viel ums Wasser. Ich selbst habe keine lebendige Erinnerung an jenen August. Als Jugendlicher schert einen die Wärme vermutlich auch nicht so sehr. Nun aber, da ich älter und älter werde und auch im Sinne einer transgenerationellen Verantwortung, beginnen mich die Hitze- und Dürretage, die sich in den vergangenen Jahren bedenklich häufen, doch zu sorgen. 

Das Verantwortungsprekariat

Der Zusammenhang solcher Extremwetterereignisse mit jener – offenbar schicksalshaften? – Heimsuchung namens Klimakrise ist wissenschaftlich recht gut belegt und an anderer Stelle von sehr viel gewichtigeren und kompetenteren Autor:innen ausgeführt worden. Auf die (hoffentlich überflüssige) Überzeugungsarbeit, dass wir an der Hitze nicht ganz unschuldig sind, verzichte ich darum hier. Wer ist eigentlich dieses „Wir“? Auch darüber klären uns Wissenschaftler:innen und Klimaaktivist:innen beharrlich auf: 

Ursächlich für den exorbitanten Ausstoß der klimaschädlichen Gase sind nicht einfach alle Menschen in ihrer Allgemeinheit, sondern im besonderen Maße die reichen Leute in den Industrieländern – und ganz besonders noch einmal das Verantwortungsprekariat der Super-Reichen. Also jene Menschen aus Unterhaltungsindustrie, Wirtschaftsleben und Politik, denen „wir“ bei anderer Gelegenheit ausdauernd zujubeln: Die Crème de la Crème des Kapitalismus, die Privatflugzeugfliegenden, Yachten-Bummler und „Weltraum“-Urlauber:innen. All das, während verantwortungsethisch geschulte Evangelische beharrlich in Zügen ohne (funktionierende) Klimaanlage durch die Lande zuckeln. Da tut ein anderes Fundstück vom – gerüchteweise ach so „links-grünen“ - Bluesky gut:

 

Post zu Mariä Heimsuchung

 

Bitte verstehen Sie, geneigte Leser:in, diese sommerliche Kolumne also als Aufruf zu einer zünftigen Neid-Debatte! Während einige wenige Megareiche Champagner saufen, werden wir in den Social-Media-Timelines immerhin daran erinnert, darauf zu achten, genügend Wasser zu trinken. Nur kein Undank! 

Zu heiß zum Denken?

Eine weitere Beobachtung aus den vergangenen Tagen: Teil des Problems des Klimadiskurses ist wohl, dass wenn man in einer Hitzewelle die Auswirkungen der Klimakrise so richtig zu spüren bekommt, zugleich die Lust am Nachrichtenlesen und Online-Diskurs (zu Demos vermutlich auch) am Nullpunkt ist. Noch deutlicher wird dieses Problem gegenwärtig, wenn einem dank „nun häufiger auftretenden Extremwetterereignissen“ das Haus weggespült oder das Dorf verschüttet wird, wenn nicht gleich die Oma wegstirbt.

„Es ist viel zu heiß zum Denken“ – auch das durfte ich dieser Tage in zahlreichen Varianten lesen. Und klar, 36 Grad sind nicht ohne. Wenn uns zu heiß zum Denken ist, dann vermutlich auch zum Handeln. Aber man wird ja wohl noch fragen dürfen, wie lange wir uns das – also die – noch leisten wollen?! Wann gehen die Reichen denn zugunsten der Hungernden (und Dürstenden) leer aus? Für ein richtiges Präventionsparadoxon ist es ja nun offenbar schon zu spät.

Vereinigt Euch!

Ich denke, es ist an der Zeit für ein paar schöne, auch das allgemeine Gerechtigkeitsempfinden, den sensus fidei und die Zuneigung zu den Institutionen unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung stärkende Enteignungen. Mindestens aber, das halte ich für einen Minimalkonsens unter guten Demokrat:innen mit Verantwortunsgbewusstsein, müssten sich die reichen Damen und Herren angemessen an der Finanzierung der mitigierenden Maßnahmen in der Klimakrise beteiligen, zum Beispiel durch eine Extrasteuer. 

Die Luxusyachten auf dem Mittelmeer könnten in eine europäische Flotte für die Seenotrettung eingegliedert werden. Mit den Booten der Oligarchen aus Autokratien und Diktaturen könnten wir gleich morgen beginnen. Flugzeuge und Tourismus-Raketen schmieden wir um in Züge und E-Busse für die einfachen Leute. Und statt immer mehr Wasser zu trinken – Denken Sie dran! - stoßen wir alle endlich mit Champagner aus schwedischen Anbaugebieten an. Schwitzende aller Länder vereinigt Euch! 

 

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