Im Dialog

DDR-Kunst im Potsdamer Kunsthaus Minsk
Wolfgang Mattheuer (1927–2004): „Oh, Caspar David … (ausgekohlter Tagebau)“ von 1975.
Foto: dasminsk
Wolfgang Mattheuer (1927–2004): „Oh, Caspar David … (ausgekohlter Tagebau)“ von 1975.

Mit Hasso Plattners exklusiv-individuellen Sammlungen wird Potsdam mehr und mehr Reiseziel für Liebhaber:innen der Bildenden Kunst und bildet damit einen faszinierenden zweiten Schwerpunkt neben dem Weltkulturerbe Schloss und Park Sanssouci, der der Stadt neben dem historischen Ensemble einen besonderen Gegenwartsbezug schenkt. Neben dem Museum Barberini hat sich seit 2022 DAS MINSK, 1971–77 als Restaurant im Stil der Ostmoderne errichtet und ein wichtiges Zeugnis der DDR-Architektur, als Kunsthaus in Potsdam etabliert.

Hier ist derzeit die Ausstellung „IM DIALOG – Kunst aus der DDR“ mit Werken aus der Sammlung Hasso Plattner zu sehen. Um die Fülle zu fokussieren, liegt dieser Ausstellung zunächst das 1976 erschienene Buch Ateliergespräche von Henry Schumann zugrunde. Darin kommen DDR-Künstler:innen mit Schumann ins Gespräch, die im Erdgeschoss des MINSK mit ihrem Werk vorgestellt werden. In der oberen Etage kommt es zu drei inszenierten, nicht stattgefundenen Dialogen – von Gabriele Stötzer mit Wolfgang Mattheuer, Werner Tübke und anderen („Über Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit“), von Ralf Kerbach mit Cornelia Schleime und Sascha Anderson („Grenzüberschreitung“) und schließlich von Ruth Wolf-Rehfeldt mit Thomas Schulz („Mail-Art als Fenster zur Welt“). War die Zeit bis 1976 im Nachgang der X. Weltfestspiele 1973 noch eine Zeit der Öffnung, kam es mit der Inthronisierung Erich Honeckers, der Ausbürgerung Wolf Biermanns und der Selbstverbrennung von Oskar Brüsewitz im selben Jahr zu Konfrontationen, die viele Hoffnungen wieder zerschlugen und den Diskurs verschärften. In dem Kontext wird auch die DDR-Teilnahme 1977 an der documenta 6 beleuchtet. Wie die DDR-Dichtung nicht ohne ihre Zwischentöne zu lesen und zu verstehen ist, sind auch die Perspektiven auf die Bildende Kunst der DDR und ihre Protagonist:innen komplex. Geografische und politische Zuordnungen als DDR-Kunst oder DDR-Maler:in werden oft zu Zuschreibungen; über die künstlerische Qualität sagen sie zunächst nichts.

Unspektakulär kleinformatig

Diese findet sich hier auf beinahe intimem, klug genutztem, hellem Raum zuhauf und ist in der subtilen Art der Präsentation sehr beeindruckend. Im Kontext der umfangreichen Ausstellungen Caspar David Friedrichs zum 250. Geburtstag 2024 fällt zunächst Wolfgang Mattheuer mit seinem unspektakulär kleinformatigen „Oh, Caspar David … (ausgekohlter Tagebau)“ von 1975 ins Auge. Ein Jahr, nachdem Mattheuer größere Bekanntheit erlangt hatte, weil er parallel zur Dresdner Ausstellung zum 200. Geburtstag Caspar David Friedrichs, die diesen und die Malerei der Romantik in der DDR wieder salonfähig machte, eine Ausstellung im selben Museum hatte, nimmt er auf dessen „Mönch am Meer“ Bezug. Das Bild offenbart große Parallelen: Beide sind Landschaftsmaler, haben einen ähnlichen Bildaufbau und wissen, die Landschaft symbolisch effektvoll zu überhöhen. Kennzeichnet Caspar David Friedrich aber eine sehnsuchtsgeladene Kontemplation, ernüchtert Wolfgang Mattheuer durch kritisch-realistische Diesseitigkeit, die metaphorisch industriellen Fortschritt und Natur- und Umweltzerstörung im Bild des Brachlandes zusammenführt. Der vor der Größe des Universums ergriffen erschaudernde Mönch wird hier zum ameisengroß verschwindenden Totengräber seiner selbst. Der Bildtitel wechselt von der Hommage in eine resignative Erkenntnis.

Ähnlich aufwühlend erweist sich auch ein anderes Bild Mattheuers, der 1974 entstandene „Freundliche Besuch im Braunkohlerevier“. In der Weite der Industrielandschaft unter sagenhaft blauem Himmel gehen Arbeiter zur Förderbrücke. Durch sie hindurch laufen entgegengesetzt schatten-, fuß- und gesichtslose Menschen mit bunten, dümmlich lächelnden Kastenmasken – ein wichtiges Motiv Mattheuers – Funktionäre mit Blumen und Manuskripten. Einverständnis sieht anders aus. Die aufmerksam aufklärerische Ausstellung gibt wichtige Impulse und öffnet die Augen für Geschichte und Gegenwart. 

Information
Die Ausstellung „IM DIALOG – Kunst aus der DDR“ ist bis 10. August 2025 zu sehen, jeweils mittwochs bis montags 10–19 Uhr; www.dasminsk.de.


 

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