Im Dialog

Reformierte Tradition

"Kirchen-leitend wie kirche-leidend“ sei Matthias Zeindler bis vor kurzem in verschiedenen Funktionen in den Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn aktiv gewesen, so der Hannoveraner Systematische Theologe Marco Hofheinz im Geleitwort zu Zeindlers „Beiträgen zur reformierten Theologie“, die unter dem Titel Sich Gottes Einspruch gefallen lassen erschienen sind. Und tatsächlich beziehen sich Zeindlers historisch- und systematisch-theologische Aufsätze zumeist auf die Kirche. Damit steht der Schweizer Systematische Theologe auch inhaltlich in der Tradition der reformierten Theologen, die sein Denken und seine Aufsatztitel am meisten prägen, vor allem Karl Barth. Man merkt dem gesamten Buch an, dass Zeindler „seinen Barth gelesen hat“, wie Hofheinz es treffend formuliert. Zeindler, der sich auch als Titularprofessor an der Universität Bern mit reformierter Theologie befasst hat, lebt in und aus dieser Tradition und macht ihren aktuellen Anspruch im ökumenischen „Konzert“ durchgängig deutlich.

Der Sammelband besteht aus vier Teilen, der Abschnitt zu Karl Barth ist mit „Gottes Menschlichkeit“ überschrieben. In ihm geht es ausgehend von der Beziehung Barth – Thurneysen zunächst um Freundschaft und theologisches Erkennen, wobei neben der Freundschaft auch die Liebe als Voraussetzung (oder: Ort oder: Raum) des Erkennens gewürdigt wird. Barths Liebe zu Mozart wird als „konsequent einseitig“ gewürdigt – wer eher Hindemith, Beethoven, Schubert oder Bach schätzte, konnte bei Barth auf keine Gnade rechnen. Auch wenn man sich hier von ihm ein eher einordnendes Wort gewünscht hätte, bleibt Zeindler nicht beim historischen Barth stehen, sondern bringt ihn in den Dialog mit gegenwärtigen theologischen Positionen, vor allem aus dem englischsprachigen Raum. Und in diesem Dialog erweist sich Barth etwa mit seiner Anthropologie und seiner Gnadenlehre als erstaunlich modern.

Sicht auf den Gottesdienst

Auch Ulrich Zwingli, Johannes Calvin, Jonathan Edwards, Reinhold Niebuhr, Emil Brunner und Kurt Marti werden gewürdigt. Niebuhr ist heute vor allem durch sein „Gott schenke mir Gelassenheit“-Gebet bekannt, hat aber darüber hinaus manche interessanten theologischen Deutungen moderner Gesellschaften formuliert. Dass er sowohl lutherische wie reformierte Positionen vertreten konnte, ist angesichts seiner unierten Prägung allerdings nicht verwunderlich und macht ihn eher nicht zu einer „reformierten Existenz“, wie Zeindler es meint.

Die Aufsätze der letzten beiden Abschnitte widmen sich unterschiedlichen Themen reformierter Theologie, vor allem der reformierten Sicht auf den Gottesdienst. Lesenswert sind beispielsweise die zwölf Thesen zur Frage „Gibt es eine reformierte Spiritualität?“ und „das zehnfache Ärgernis des Priestertums aller Gläubigen“, denn sie zeigen exemplarisch, wie lebendig Zeindler seine theologische Tradition einer Theologie des Wortes Gottes heute fruchtbar macht. „Manchen ist es wohl dabei, andere empfinden es als frustrierend: Die Kirche hat eine penetrante Tendenz, um sich selbst zu kreisen.“ Demgegenüber sei eine zum Priestertum aller Gläubigen (oder: Getauften) orientierte Kirche „nach aussen orientiert“ und gleichzeitig ohne eine lebendige „Gemeinschaft der Christenmenschen“ nicht denkbar. Diese Christenmenschen und Volkskirchenmitglieder müssten immer wieder an „die Unvertretbarkeit des Glaubens“ erinnert werden. Denn Individualität des Glaubens heiße heute, „Glauben nicht delegieren zu können. Sätze wie dieser machen deutlich, dass und wie Zeindler wirklich „kirchen-leitend wie kirche-leidend“ ist.

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Foto: privat

Vicco von Bülow

Pastor Dr. Vicco von Bülow ist Referent für Theologie und Öffentlichkeitsarbeit der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen, Hannover.

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