Zeitgemäß

Jesus und der Klimawandel

Die Klimakatastrophe schreitet unaufhaltsam voran und wird inzwischen in allen Teilen der Welt in bedrohlicher Weise spürbar. Sie fordert Menschenleben, löscht Pflanzen- und Tierarten aus und raubt künftigen Generationen die Lebensgrundlage. Das alles ist hinreichend bekannt, Wissenschaftler wie auch die Kirchen, ja selbst Gerichte mahnen seit geraumer Zeit zu einer ambitionierteren Klimapolitik. Viele Jahre gab es jedoch – von wenigen Ausnahmen abgesehen – in der Theologie leider nur wenige Beiträge zu dieser größten Herausforderung der Gegenwart.

Das hat sich in den vergangenen Jahren geändert, und das ist gut so. Theologische Beiträge aus verschiedenen Perspektiven melden sich zu Wort und führen einen harten Disput, den man auch in zeitzeichen verfolgen kann. Da sind zum einen Positionen aus dem Bereich der Ökotheologie und der öffentlichen Theologie, die für mehr Schöpfungsverantwortung eintreten und sich für eine sozial-ökologische Transformation aussprechen. Und zum anderen Positionen des öffentlichen Protestantismus und der liberalen Theologie, die vor einer Politisierung und Moralisierung in Kirche und Theologie warnen und sogar – wie der Theologieprofessor Günter Thomas – Klimaaktivisten als „grüne RAF“ brandmarken.

Nun hat sich der Mainzer Theologieprofessor Ruben Zimmermann mit einem sehr interessanten Beitrag aus der Perspektive des Neutestamentlers in diese Debatte mit der provozierenden Frage eingeschaltet „Wäre Jesus heute Klimaaktivist?. Mit diesem Titel nimmt er eine Frage auf, die Klimaaktivisten bei spektakulären Kirchturmabseilaktionen auf ein Banner schrieben – unterlegt mit einer Grafik, die die Tempelaustreibung Jesu darstellt.

Diese Steilvorlage aus dem säkularen Raum nimmt Zimmermann virtuos auf und bearbeitet sie mit viel exegetischer und theologischer Expertise. Er gibt interessante Einblicke in neue internationale wie nationale Ansätze der Bibelauslegung wie zum Beispiel der „ökohermeneutischen Exe­gese“, mit theologischen Modellen „Deep incarnation“ und „mimetischer Ethik“. Mit diesen Ansätzen fördert er vor allem anhand des Johannesevangeliums interessante, überraschende, manchmal auch irritierende Impulse für eine zeitgemäße Schöpfungsethik zu Tage. Neben spannenden Reflexionen zum Thema Umkehr und den biblischen Gleichnissen sind auch die Kapitel zum Thema Tierethik lesenswert und treffen den Nerv der Zeit. Den bekannten Terminus des „ewigen Lebens“, der im Johannesevangelium oft vorkommt, interpretiert er neu als „Leben mit Ewigkeitswert“, „Circle of life“ oder auch als „nachhaltiges Leben“. Einer seiner zentralen Thesen, dass in der heutigen Theologie und den kirchlichen Stellungnahmen oft die Umkehrforderung Jesu in den Schatten des Liebesgebotes gerückt wird, wird man leider in vielen Fällen zustimmen müssen.

Wobei an manchen Stellen die Kritik an zu wenig klaren Stellungnahmen der Kirchen zur Klimakrise nicht überzeugt, wenn man an Laudato Si und die vielen deutlichen EKD-Verlautbarungen wie die Klimadenkschrift mit dem bezeichnenden Titel Umkehr zum Leben und an zahlreiche Synodenbeschlüsse zur Klimagerechtigkeit und vor allem zu einer Umkehr zu einer glaubwürdigeren Praxis (Klimaschutzgesetze) denkt. Aktuell findet die Klimakatastrophe in Politik, Zivilgesellschaft und leider auch in der Kirche nicht mehr die ausreichende Aufmerksamkeit. Deshalb kommt das Buch von Ruben Zimmermann jetzt genau zur richtigen Zeit.

Den spannenden Ansätzen einer „ökohermeneutischen“ Exegese ist eine ähnliche Wirkungsgeschichte zu wünschen wie der befreiungstheologischen und feministischen Exegese. Der dringliche Ruf zur Umkehr und zu einer glaubwürdigen Nachfolgeethik, der von Zimmermann mit großer exegetischer Expertise untermauert wird, ist wichtiger denn je und wird hoffentlich von vielen gehört.

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