
Ohne Licht gäbe es nur Dunkelheit. Der Astronom und Wissenschaftsjournalist Uwe Reichert beschreibt, wie die Naturwissenschaft ein Verständnis dafür entwickelt hat, was Licht eigentlich ist.
Licht erhellt unseren Tag. Es lässt uns unsere Umgebung wahrnehmen und wirkt positiv auf unser Gemüt. Kerzenlicht strahlt eine besinnliche Ruhe aus. Ein Regenbogen – in der Bibel ein Zeichen des Bundes zwischen Gott und den Menschen sowie der gesamten Erde – lässt uns innehalten und die Schönheit dieses Naturphänomens genießen. Meine kindliche Neugier war es, die mich einst fragen ließ: Was sehe ich da eigentlich? Warum leuchtet die Kerzenflamme? Wie kommt das Farbenspiel eines Regenbogens zustande? Diesen Dingen wollte ich auf den Grund gehen – und ich entdeckte eine Welt, deren Faszination mich nie wieder losließ.
In der Schule lernte ich, dass Licht als Welle beschrieben werden kann. Oder als Teilchen. Je nachdem, welche Eigenschaft des Lichts man erklären möchte. Ich hörte, dass Licht Energie und Informationen übertragen könne und dass es sich mit der höchstmöglichen Geschwindigkeit bewege: der Lichtgeschwindigkeit, rund 300 000 Kilometer pro Sekunde. In 1,3 Sekunden läuft Licht von der Erde bis zum Mond, nur 500 Sekunden braucht es von der Sonne zur Erde. Kein materieller Gegenstand kann diese Geschwindigkeit erreichen. Das alles fand ich merkwürdig. Weitere Fragen taten sich auf.
Ein Studium und ein berufliches Leben später habe ich vor allem eine Antwort: Licht verhält sich seltsam – sehr seltsam sogar. Mit unserer Alltagserfahrung ist es nur unzureichend zu erfassen.
Für den Bau einfacher optischer Geräte wie Brillen, Fernrohre und Mikroskope war es lange ausreichend, Licht als Bündel von sich geradlinig ausbreitenden Strahlen aufzufassen, die an Grenzflächen – zum Beispiel an der Oberfläche von Linsen und Spiegeln – gebrochen und reflektiert werden. Doch bereits im 17. Jahrhundert war klar, dass sich manche Eigenschaften von Licht nur erklären ließen, wenn man eine Wellennatur annahm: Analog zu Wellen, die sich auf der Wasseroberfläche bilden und ausbreiten, wenn man einen Stein hineinwirft, sollte auch Licht eine Wellenlänge und eine Amplitude haben. Der Abstand zwischen zwei Wellenbergen (oder Wellentälern) definiert die Wellenlänge, während die Höhe der Wellenberge die Amplitude und somit die Stärke der Welle festlegt.
Doch die Analogie hat Grenzen. Wasser- und auch Schallwellen brauchen ein Medium, um sich fortzubewegen (eben das Wasser oder die Luft). Was sollte im Falle von Licht das schwingende Medium sein? Die Erkenntnis setzte sich erst im 19. Jahrhundert durch: Ein solches Trägermedium gibt es nicht; vielmehr sind es elektromagnetische Felder, deren Eigenschaften räumlich und zeitlich variieren und dem Licht seinen Wellencharakter verleihen. Derartige Felder breiten sich selbst im Vakuum aus, in dem es keinerlei Materie gibt.
Aber als elektromagnetische Welle kann Licht mit Materie in Wechselwirkung treten. Beispielsweise wird Licht an der Oberfläche eines festen Körpers zum Teil reflektiert und zum Teil absorbiert. Als der Physiker Max Planck im Jahr 1900 genauer untersuchte, wie bei diesem Prozess Energie übertragen wird, fand er Erstaunliches: Die übertragene Energie kann nicht jeden beliebigen Wert annehmen, sondern nur abgestufte, diskrete Werte. So, als würde Licht einer bestimmten Wellenlänge aus einer Vielzahl von Teilchen oder Paketen bestehen, die jeweils eine bestimmte Energiemenge mit sich tragen.
Einzelne Photonen
Diese Energiepakete nennen wir Lichtquanten oder Photonen. Ihr Energieinhalt wird durch die Wellenlänge bestimmt beziehungsweise durch die Frequenz der Welle, also die Anzahl ihrer Schwingungen pro Sekunde. Dies sind analoge Beschreibungen, denn Wellenlänge und Frequenz sind über die Lichtgeschwindigkeit direkt miteinander verknüpft. Je kleiner die Wellenlänge, desto höher die Frequenz und desto größer die Energie des Photons.
Mit dieser Beschreibung erkennen wir an, dass Licht zwar die Eigenschaften von Wellen und Teilchen vereint, aber weder das eine noch das andere ist. Licht ist etwas ganz Eigenständiges, was sich unserer Alltagserfahrung entzieht und nur mit Hilfe der Quantenphysik zu verstehen ist. Deren Regeln gelten für alles in der Welt des Allerkleinsten, im Größenbereich von Atomen und subatomaren Partikeln. Auch materielle Teilchen wie etwa Elektronen sind Quanten, die sowohl Teilchen- als auch Wellencharakter haben.
Das elektromagnetische Spektrum
Mit dieser radikal neuen Interpretation sollte sich die Quantenphysik als grundlegend für das physikalische Verständnis unserer Welt erweisen. Ohne sie könnten wir nicht verstehen, warum uns der feste Boden trägt, auf dem wir stehen, wie sich die beiden Gase Wasserstoff und Sauerstoff zu dem für uns so wichtigen Lebenselixier Wasser vereinigen können, woher die Sonne ihre Energie bezieht, die noch für einige Jahrmilliarden reichen wird, oder wie die Solarzellen auf dem Dach unseres Hauses elektrischen Strom liefern können.
Insbesondere die Emission und Absorption von Licht lässt sich nur im Quanten-Bild verstehen. Materie besteht aus Atomen, und jedes Atom hat einen Kern und eine Hülle aus Elektronen. Die Elektronen können sich nur in diskreten Energieniveaus aufhalten, analog zu den Stufen einer Leiter. „Fällt“ ein Elektron auf ein niedrigeres Energieniveau, wird die Energiedifferenz zwischen den beiden Stufen als Photon freigesetzt. Sofort nach seiner Entstehung saust das Photon mit Lichtgeschwindigkeit davon. „Gebremst“ wird es erst, wenn es in einem anderen Atom ein Elektron auf ein höheres Energieniveau hebt. Auch hier muss die Energiedifferenz der Leiterstufen der Energie des Photons entsprechen. Es kann nie ein halbes Photon absorbiert werden, denn als Quant lässt es sich nicht weiter unterteilen.
Eine Konsequenz der quantenphysikalischen Regeln ist auch, dass jeder Gegenstand, der eine Temperatur hat, Photonen aussendet. Das ist im Falle einer brennenden Kerze oder eines glühenden Ofens offensichtlich, aber auch unser eigener Körper und uns kalt erscheinende Objekte wie Eis senden elektromagnetische Strahlung aus. Diese ist eine Mischung aus Photonen verschiedener Energie.
Mit unseren Augen können wir nur diejenige Strahlung sehen, deren Wellenlänge im Bereich zwischen etwa 380 und 780 Nanometern liegt (ein Nanometer ist der milliardste Teil eines Meters). Das hat die Evolution so eingerichtet, denn in diesem Wellenlängenbereich strahlt unsere Sonne am hellsten und wir können uns mit diesem Licht in unserer Umgebung zurechtfinden und behaupten. Wenn wir von Licht reden, meinen wir immer die elektromagnetische Strahlung in diesem wahrnehmbaren Wellenlängenbereich.
Mit einer Oberflächentemperatur von 5 500 Grad Celsius sendet unser Tagesgestirn aber ein viel breiteres Strahlungsspektrum aus. Strahlung mit einer Wellenlänge oberhalb von 780 Nanometern, die wir als Infrarotstrahlung bezeichnen, empfinden wir als Wärme. Zu noch größeren Wellenlängen hin schließen sich die Mikrowellen- und Radiostrahlung an. Am kurzwelligen Ende des sichtbaren Spektralbereichs geht das Licht in die ultraviolette Strahlung über. Noch kürzere Wellenlängen haben die Röntgen- und die Gammastrahlen. Zum Glück für uns werden diese hochenergetischen Strahlungsanteile von der Erdatmosphäre absorbiert, denn sie würden das biologische Leben zerstören.
Alles in allem umspannt die elektromagnetische Strahlung, die uns die Natur durch eine Vielzahl astronomischer Quellen im Universum anbietet, mindestens 29 Größenordnungen – von Radiowellen mit Wellenlängen von vielen Milliarden Kilometern bis zu Gammastrahlen höchster Energien, deren Wellenlängen nur den Bruchteil eines Atomdurchmessers betragen. Nur einen winzigen Teil davon nehmen wir als sichtbares Licht wahr.
Um diese Situation mit einer Metapher zu verdeutlichen: Die Natur spielt für uns auf einem Klavier mit mehr als 96 Oktaven Umfang, und nur eine Oktave davon können wir wahrnehmen.
Hat Licht eine Farbe? Nein. Diese Antwort mag überraschen, denn wir sprechen gerne von blauem, grünem, gelbem und rotem Licht. Doch der Farbeindruck, den die Energie eines Photons in unserem Gehirn hervorruft, ist ein sinnesphysiologischer Effekt. Photonen, die auf die lichtempfindlichen Zapfen in der Netzhaut unserer Augen treffen, lösen dort elektrische Impulse aus. Der Sehnerv leitet diese Impulse an unser Gehirn, das sie zu einem Farbeindruck verarbeitet.
Das Sonnenlicht erscheint uns im Allgemeinen weiß. Erst wenn wir es zum Beispiel mit einem Prisma in einzelne Wellenlängenbereiche auffächern, nehmen wir verschiedene Farben wahr: Das sichtbare Spektrum beginnt bei den kürzeren Wellenlängen um 380 Nanometer mit Violett und reicht über Blau, Grün, Gelb und Orange bis zu einem tiefen Rot bei den längsten wahrnehmbaren Wellenlängen bei 780 Nanometern.
Dieses Farbenspiel bietet uns die Natur gelegentlich in Gestalt eines Regenbogens. Um ihn zu sehen, brauchen wir zweierlei: Eine Regenfront vor uns und die – möglichst tiefstehende – Sonne hinter unserem Rücken, die ungehindert durch eine Wolkenlücke scheint. Das Sonnenlicht, das auf den Regenschauer fällt, wird in einem komplizierten Vorgang an den Regentröpfchen gebrochen und reflektiert, bis es genau unsere Augen erreicht. Die Farbenringe des Regenbogens liegen auf konzentrischen Kreisen um den sogenannten Gegenpunkt der Sonne: Das ist der fiktive Punkt, der genau auf der Verbindungslinie Sonne–Beobachter unterhalb des Horizonts liegt.
Im Allgemeinen sieht man nur den Hauptbogen, der sich in einem Winkel von 42 Grad um den Gegenpunkt der Sonne bildet. Die Farbe Rot liegt dabei an der Außenseite des Bogens, während an der Innenseite Blautöne dominieren. In besonderen Fällen ist auch ein schwächerer Nebenbogen mit einem Winkel von 51 Grad um den Gegenpunkt zu sehen, der durch weitere Reflexionen in den Wassertröpfchen erzeugt wird. In ihm ist die Farbreihenfolge umgekehrt.
Was mich aber neben der Physik an einem Regenbogen besonders fasziniert, ist der persönliche Charakter dieses Naturphänomens. Der Regenbogen bildet sich stets um den Gegenpunkt der Sonne, der auf den jeweiligen Beobachter bezogen ist. Deshalb sehen verschiedene Personen, auch wenn sie direkt nebeneinander stehen, unterschiedliche Regenbögen. Und der Farbeindruck ist sowieso ein ganz individueller, denn er hängt von den farbempfindlichen Zapfen in der Netzhaut der beobachtenden Person ab.
Uwe Reichert
Dr. Uwe Reichert ist Physiker und Wissenschaftsjournalist.