„Wir sind wer! Aber hatten keine Chance!“

Die baden-württembergische Landesausstellung „Uffrur!“ widmet sich dem Bauernkrieg
Am Eingang der Landesausstellung im Kloster Schussenried: Eine Mischung aus kulturhistorischen und digitalen Elementen erwartet die Besucherinnen und Besucher.
Foto: Landesmuseum Württemberg
Am Eingang der Landesausstellung im Kloster Schussenried: Eine Mischung aus kulturhistorischen und digitalen Elementen erwartet die Besucherinnen und Besucher.

Im Südwesten kämpften vor 500 Jahren die Bauern um Freiheit, Menschenrechte und Partizipation. Vom Schwarzwald bis in den Odenwald, vom Allgäu bis in den Kraichgau setzten sie sich gegen die Ausbeutung und Unterdrückung durch den Adel und den Klerus zur Wehr. Zehntausende Bauern fanden in den Kämpfen den Tod. Von diesen Geschehnissen der Jahre 1524/25 erzählt die Landesausstellung „UFFRUR!“ im Kloster Schussenried, die der evangelische Theologe und Journalist Jürgen Kaiser besucht hat.

Lebensgroße Avatare historischer Menschen des Bauernkriegs, acht an der Zahl, sprechen und agieren auf Leinwänden zu den Besuchern der Großen Landesausstellung von Baden-Württemberg über den Bauernkrieg 1525 bis zum 5. Oktober 2025 im Kloster Schussenried in Oberschwaben. Am Ausgang der Ausstellung, ganz am Ende, noch mal ein Avatar. Der soll wohl einen heutigen Bauern aus Oberschwaben darstellen, der den Bauernkrieg zusammenfasst: „Auch wir sind wer! Aber hatten keine Chance!“

Die hatten die Bauern auch nicht. Zwischen 70.000 bis 75.000 sind niedergemetzelt worden, so die heutige Forschung. Und erreicht haben sie so gut wie nichts. Die Unterdrückung durch die Oberen ging anschließend mindestens so weiter, oft noch härter. Plastisch gezeigt wird das in der Ausstellung nicht nur durch über 150 Originalgegenstände der Zeit, sondern eben durch die acht Avatare, die aus ihrer Sicht Aktivitäten berichten und erläutern. So diskutiert der Abt des Klosters Weißenau, Jakob Murer, mit seinem Leibeigenen Stefan Rahl. „Der Luther hat Euch den Kopf verdreht!“, wirft er ihm vor. Götz von Berlichingen tritt als unzufriedener Ritter auf. Und Georg Truchsess von Waldburg, bekannt unter seinem Spitznamen „Bauernjörg“, erläutert seine gnadenlosen Befehle, die Bauern abzuschlachten. 

Der Clou: Die Ausstellungsmacher unter Leitung von Ingrid-Sibylle Hoffmann und Marco Veronesi haben ihre Figuren kräftig von KI bearbeiten lassen. Diese muss sich, so der Eindruck, fleißig in Modemagazinen umgeschaut haben. Besonders stark fällt das beim Künstler und Bauernführer Jörg Rathgeb (Herrenberger Altar) auf: wie ein Dressman aus der Herrenboutique, und gleich noch um 20 Jahre jünger gemacht. Aber diese Verfremdung ist gewollt. 

Verfremdung gelungen

Zwei historische Frauen wirken ebenfalls mit: Magdalena Scherer, Stuttgarter Baderin, die alle Eitelkeiten und Gelüste der Menschen kennt, und Margarete Renner, Bäuerin aus Böckingen bei Heilbronn, die aktiv beim Weinsberger Blut-Ostern mitmachte. In einem Dialog der beiden Frauen lässt die KI sie auftreten wie eine Kreuzung zwischen der Jungfrau von Orleans und Rosa Luxemburg. Verfremdung gelungen.

Im ersten Teil der Ausstellung wird durch Originalgegenstände das Leben und Leiden der Bauern geschildert. Vier Bauernfiguren aus Holz von 1534 zeigen Bauern bei der Abgabe ihrer Steuern – dem Zehnten. Die Abgaben waren erdrückend, mussten in der Ständegesellschaft doch die Bauern, die nichts zu sagen hatten, alle anderen ernähren: Bürger, Soldaten, Adelige und den Klerus. Diese lehnten ihre Ernährer als „Tölpel“ ab. So zu sehen auf Eisenradierungen von 1533 auf einem Bauernfest. Etwas Besonderes gibt es zusätzlich zu sehen: Porträts von Bauern, wohl von Holzschnitzern angefertigt, um Menschen auf ihren Altären so lebensecht wie möglich darstellen zu können. Nur so ist es zu erklären, dass es überhaupt Porträts von Bauern zu einer Zeit gibt, in der Bauern eben nicht porträtwürdig waren.

Neben der Unterdrückung spielte das „Alte Recht“ eine Rolle. Das Recht der Bauern, zu jagen und zu fischen und die gemeinsamen Flächen der Gemeinde, die Allmende, auch frei nutzen zu dürfen. Denn all dies wurde ihnen einfach genommen.

Entscheidend für das Selbstwertgefühl war die Reformation. Martin Luthers Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ 1520 hatte eine geistige Revolution ausgelöst. Die Schrift wurde überall nachgedruckt. Da war der Schritt gering, von der inneren Freiheit des Menschen auch auf eine äußere Freiheit zu schließen. Sebastian Lotzer, Kürschner aus Memmingen und glühender evangelischer Prediger, machte genau dies, verkündete die Botschaft überall und schrieb an den Zwölf Memminger Artikeln der Bauern mit. Dieser Wunsch nach äußerer Freiheit war der Zündfunke.

Ein Zündfunke

So schlossen sich ab 1524 in ganz Süddeutschland, Thüringen, Sachsen, aber auch in Österreich, Tirol und der Schweiz, Bauern zu „Haufen“ zusammen und formulierten ihre Forderungen. Sie wollten verhandeln und stellten das Gesellschaftssystem von Oben und Unten nicht in Frage. Viele bäuerliche Schreiben der Ausstellung zeigen das und beweisen, dass die Bauern eben keine „Tölpel“ waren. In Süddeutschland gab es mehrere solcher Haufen. Es kam zu Überfällen und Gewalttaten. Von Lukas Cranach dem Älteren ist eine Federzeichnung von 1537 zu sehen, wie Frauen Geistliche überfallen und ausrauben, Bischöfe und Kardinäle sind auch dabei.

Im Original ebenfalls zu sehen sind die Zwölf Artikel der Bauern zu Memmingen. Sie fordern darin die freie Pfarrerwahl, die Abschaffung des Kleinzehnten, die Aufhebung der Leibeigenschaft, freie Jagd und Fischerei, Rückgabe der Wälder, die Reduzierung der Frondienste, die Einhaltung bestehender Besitzverhältnisse, Neufestsetzung der Abgaben an den Grundherren, festgelegte statt willkürliche Strafen, Rückgabe der Allmenden, die Abschaffung der Abgaben bei einem Todesfall in der Familie und zum Schluss die Bereitschaft, auf Forderungen zu verzichten, wenn sie nicht dem Wort Gottes entsprächen.

Über alles hätte man reden können, wenn man gewollt hätte. Wollte man aber nicht. So verliefen die Verhandlungen ergebnislos. Derweil überfielen die Bauern Burgen und Klöster, so am 29. März 1525 auch das Kloster Schussenried. Es wurde geplündert, aber nicht zerstört.

So erging es auch dem Weißenauer Kloster, dessen Abt Jakob Murer als Avatar wortgewaltig die Bauern daran erinnerte, dass sie nichts wert seien und nur zu dienen hätten. Auch sein Kloster wurde geplündert. Wenige Wochen danach ließ er das ganze Geschehen in einer Bilderchronik darstellen. Dieses „Wimmelbuch des Bürgerkrieges“ ist in der Ausstellung zu sehen und gibt den Schriften Leben.

Ein Wimmelbuch

Als alles Verhandeln nichts nützte und die Lage festgefahren war, der „Bauernjörg“ immer mehr Truppen um sich versammelte, die brutal vorgingen, explodierte das Pulverfass in Weinsberg. An Ostern, dem 17. April 1525, jagten die Bauern, angeführt von Jäcklin Rohrbach und der „Schwarzen Hofmännin“, niemand anders als Margarete Renner aus Böckingen, die gesamte Burgbesatzung von Burg Weinsberg durch die Spieße. Brachten also alle um. Diese Nachricht ging wie ein Lauffeuer durch Deutschland. Die Tat war mit Anlass, dass auch Martin Luther, der Sympathie mit den Forderungen der Bauern hatte, umkippte. Nun verfasste er die Schrift „Wider die Mordischen und Reubischen Rotten der Bauern“ und forderte die Herren auf: „ … man soll sie (die Bauern) zerschmeißen, würgen, stechen, heimlich und öffentlich, wer da kann, wie man einen tollen Hund erschlagen muss.“ Die Herren ließen es sich nicht zweimal sagen.

Auch die Reformatoren Johannes Brenz (Württemberg) und Philipp Melanchthon (Wittenberg) stießen ins gleiche Horn. Alle Originaldrucke sind in der Ausstellung zu sehen.

Insgesamt wurden rund 1.000 Burgen und Klöster zerstört, 70.000 bis 75.000 Bauern verloren ihr Leben. In Süddeutschland war der Bauernkrieg mit der Schlacht bei Böblingen am 12. Mai 1525 vorbei, in Thüringen mit der Schlacht bei Frankenhausen am 15. Mai 1525. Dort spielte Thomas Müntzer eine große Rolle. In Tirol wurde noch bis 1526 gekämpft. Die Ausstellung in Schussenried geht aber auf diese Gebiete außerhalb Baden-Württembergs nicht ein.

Beeindruckende Mischung

Wirkungsgeschichte hatte der Bauernkrieg im 19. Jahrhundert für die Entwicklung demokratischer und freiheitlicher Ideen. Hier setzte der württembergische Pfarrer Wilhelm Zimmermann mit seiner Geschichte des großen Bauernkrieges 1843 Zeichen. Seitdem wird der Bauernkrieg als Beitrag zu einer deutschen Revolution gewertet, so auch in der Geschichtsschreibung der DDR. Darauf geht die Ausstellung ebenfalls kurz ein.

Die Mischung zwischen seltenen und raren Originalen aus der Zeit des Bauernkrieges und der vermenschlichten Darstellung der Akteure durch Avatare ist beeindruckend. Zudem die Avatare verfremdet sind. Dies bringt die mitgebrachten und vorgefassten Vorstellungen bewusst und mit Absicht durcheinander. So ist die Landesausstellung im Kloster Schussenried sehenswert. Bei einem Besuch runden die barocke Klosterkirche und der Besuch der Klosterbibliothek den Ge­samt­eindruck ab. 

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