Der Papa unter den Autokraten

Das Papsttum ist Patriarchat in Reinform
Foto: privat

Als säkulare Protestantin beobachte ich die religiösen Inszenierungen unserer katholischen Geschwister immer mit einer Mischung aus Faszination und Irritation. So auch den Rummel um die Frage, wer wohl neuer Papst wird. Aber während ich das Konklave im Jahr 2013 noch mit einer Spur von Belustigung verfolgte, bin ich dieses Mal mit gemischten Gefühlen dabei. Denn was damals auf mich wie das letzte Aufbäumen eines im Vergehen begriffenen altmodisch-patriarchalen Rituals wirkte, hat in diesen Tagen eine neue Ernsthaftigkeit angenommen, die etwas Bedrohliches hat: Wir leben in einer Zeit, in der starke Männer ein Comeback erleben. Aller Demokratie und Emanzipation zum Trotz: Trump, Putin, Xi und Co. sind fest entschlossen, die Dinge unter sich auszumachen. 

Die katholische Theologin Mary Hunt hat in einem Kommentar nach dem Tod von Franziskus geschrieben, die Kirche brauche eher einen Neustart als einen neuen Papst. Ich bin ganz ihrer Meinung, aber realistischerweise ist ein solcher nicht in Sicht. Es ist sogar unwahrscheinlicher denn je. Denn mit einem Papst an der Spitze kann die katholische Kirche in der Liga der starken Männer ganz oben mitspielen. Mehr noch: Ein Papst ist nicht nur schöner gekleidet als die Konkurrenz, er genießt sogar rund um den Globus Autorität und kommt von vornherein auf Lebenszeit ins Amt. Er hat nicht nur irdische, sondern noch höhere Weihen.

Bild vor Augen

Und: Er ist nicht einfach König oder Präsident, sondern: Papa. Ein Papst regiert nicht (nur) mit harter Hand, mit Disziplin und Strafe, sondern hat einen direkten emotionalen Zugang zu seinem Volk. Vor dem Papst, dem „heiligen Vater“, werden erwachsene Menschen wieder zu Kindern. Das Papsttum ist Patriarchat in Reinform. Und zwar auch dann, wenn jetzt, wie viele hoffen, ein irgendwie „liberaler“ oder „fortschrittlicher“ Papst ins Amt gewählt würde, der den weltlichen Zampanos bei Fragen wie sozialer Gerechtigkeit oder Migration in bisschen Paroli bieten kann. 

Ob sich Jesus eigentlich darüber im Klaren war, was er in Gang gesetzt hat mit der Idee, Gott „Vater“ zu nennen? Wahrscheinlich nicht. Zu seiner Zeit war das Patriarchat noch nicht, wie heute, eine umstrittene Form von Herrschaft und Unterdrückung, sondern galt als natürlicher Zustand der Welt. Indem er Gott „Vater“ nannte, unternahm Jesus den Versuch, die ferne monotheistische abstrakte Wesenheit namens „Ich bin der ich bin“, deren Wege unergründlich sind und deren Gegenwart im realen Leben allzu oft nicht spürbar ist, konkret in den Alltag hereinzuholen: Gott ist „unser Vater im Himmel“! Wer sich unter „Gott“ nichts vorstellen kann, hat bei „Vater“ unmittelbar ein Bild vor Augen. Und damals war womöglich sogar eine herrschaftskritische Komponente im Spiel, denn die realen autoritären Väter mit ihrem Alleinregierungsanspruch über Frauen, Kinder und Sklav*innen bekamen mit „Gottvater“ eine himmlische Konkurrenz.

Inflationäre Metapher

Doch irgendwann wurde die Metapher vom „Vater“ in der Kirche inflationär. Nicht nur Gott, sondern auch all seine Repräsentanten auf Erden wollten plötzlich so genannt werden. Das Christentum bescherte der Welt eine regelrechte Patriarchats-Explosion, denn auf einmal gab es überall „Padres“. Dabei war das in der frühen Kirche gar kein Name für gemeindliche Funktionsträger*innen gewesen. Es gab Apostel*innen, Diakon*innen, Bischöfe (griechisch für Aufseher oder Vorsitzender), oder Presbyter*innen (griechisch für Ältere). Der Ursprung dieser (wie ich finde) Unsitte, Geistliche als „Vater“ anzusprechen, liegt vermutlich im Mönchtum, vielleicht, weil Gläubige in Klöstern ohne blutsverwandte Familie zusammenlebten und die reale Position des „Vaters“ unbesetzt war. Aber dann hat die Gleichsetzung Gottes und seines irdischen Personals mit Männlichkeit und speziell Väterlichkeit das Christentum so stark geprägt, dass es vermutlich für immer davon gezeichnet ist. 

Sicher: Auch im traditionellen Islam und im orthodoxen Judentum ist die geistliche Hierarchie faktisch männlich. Aber eben nicht auf einer dogmatischen Ebene, sondern eher aus Gewohnheit. Das in anderen monotheistischen Religionen strikt eingehaltene Bilderverbot hat die Übertragung der gesellschaftlichen männlichen Dominanz auf das Göttliche und die religiösen Institutionen erschwert. Aber dem Christentum ist die Männlichkeit sowohl Gottes als auch des Klerus in den tiefen Schichten des eigenen Selbstverständnisses eingeschrieben. Das Christentum ist die einzige Religion, die bis tief in die Dogmatik, in ihre zentralen Glaubensgrundsätze hinein im wahrsten Sinn des Wortes patriarchal ist.

Im Aufschwung

Und jetzt ist dieses Modell wieder weltweit im Aufschwung. Der Kirche mag es nutzen, vor allem der römisch-katholischen, wenn sie sich nun gegenüber den Autokraten und Patriarchen dieser Welt als diejenige Institution profilieren kann, die fast als einzige dem Schreckensbild eines von radikalen Feministinnen betriebenen woken Untergrabens männlicher Autorität Paroli geboten hat.

Aber ob das dann ein Christentum ist, das es verdient, mit Leben gefüllt und verteidigt zu werden? Von mir jedenfalls nicht.

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