Nahe bei Berlin in einem Brandenburger Supermarkt spielt die Szene, an einem Samstagmorgen gegen zehn. Während des Wartens fällt mir auf: Ich, Sechzigerin, bin hier die Jüngste. Vor mir aufgereiht steht eine Kiezkundschaft aus Graumelierten, dicht am Förderband zur Kassiererin. Irgendwie erinnert mich das Bild an meine Kirchengemeinde. Nur bleiben dort oft die ersten Reihen frei, die Person vorne auf Distanz.
Im Zeitlupentempo geht es vorwärts. Am Kassenterminal sitzt eine junge Frau mit Rastalook und dunklem Teint. Sie scheint neu hier zu sein. Behutsam, ja vorsichtig schiebt sie die Lebensmittel über den Scanner. Immer wieder schaut sie hilfesuchend hinter sich zu einem jungen Mann mit schwarzem Vollbart im weißen Kittel. Er ist für sie hilfreich zwischen all den Warengruppen und Sonderangeboten, gemeinsam bewirken sie, dass das Kassenband am Laufen bleibt.
Jetzt legt die Kundin vor mir ihr Sammelsurium aus ihrem Hackenporsche auf das Band. Dazu höre ich sie sagen „drehpapierdiegrünen“ und „nochnedrumgold“. Die lokale Artikulation bedeutet für alle Zugereisten wie mich eine Herausforderung.
Weder Babbel noch KI haben die hiesige Umgangssprache im Brandenburgischen eingespeist. Gottseidank hilft wieder ein Blickkontakt der Kassiererin nach hinten, und sie kann das Gewünschte aus dem Tabakkäfig fingern und auf das Band legen.
Große Augen richten sich danach fragend auf Graumeliert: „Was darf es noch sein?“ Die preußisch-knappe Antwort an den Rest der Welt kommt prompt: „ditliechtuffemband“. Und wieder kann der junge Mann nach einem Blick auf das Durcheinander seiner Kollegin beistehen: Der Schnittlauch und der Magerjoghurt gehören noch zum Hackenporsche mit dem Drehtabak. Angesichts der internationalen Verständigung verabschiede ich mich mit einem fröhlichen „Auf Wiedersehen“ und nehme ein Lächeln der Kassiererin mit nach Hause.
Kathrin Jütte
Kathrin Jütte ist Redakteurin der "zeitzeichen". Ihr besonderes Augenmerk gilt den sozial-diakonischen Themen und der Literatur.