Medienereignis

Publizistische Perspektive

Über den Bauernkrieg kann man derzeit viel lesen. Eine umfangreiche monografische Neuerscheinung stammt von Thomas Kaufmann, einem der profiliertesten Reformationshistoriker Deutschlands. Die Reformation hat Kaufmann insbesondere im Zusammenhang mit der Medienrevolution durch die Druckerpresse als epochalen Beginn der (frühen) Neuzeit gedeutet. In dieses Muster zeichnet der Göttinger Kirchenhistoriker nun auch den Bauernkrieg ein: Er interpretiert das Ereignis aus publizistischer Perspektive als Medienereignis, wie der Untertitel verrät.

Aufgebaut ist das Buch in vier große Kapitel. Das erste Kapitel geht schlaglichtartig auf die verschiedenen Deutungen des Bauernkrieges in der Geschichte der vergangenen 500 Jahre ein. Das zweite Kapitel ist der Vorgeschichte des Bauernkrieges gewidmet – wobei, der mediengeschichtlichen Perspektive folgend, weniger Bauernunruhen, sondern das Bild von Bauern in der Publizistik vor dem Bauernkrieg dargestellt wird. Das dritte Kapitel bildet den eigentlichen Kern der Darstellung, es ist der Publizistik des Bauernkrieges im Jahr 1525 gewidmet. Das vierte Kapitel geht schließlich auf die publizistischen Nachwirkungen ein, etwa auf Luthers Debatte um den freien Willen mit Erasmus oder auf den Zusammenhang von Bauernkrieg und radikaler Reformation. Für die Zunft der professionellen (Kirchen-)Historiker:innen dürften die folgenden 200 Seiten Endnoten und Literaturverzeichnis eine willkommene Spielwiese sein, auf der sich zahlreiche interessante Beiträge zu Einzeldebatten rund um Autorenzuschreibung, Datierung, Interpretationen verstecken.

Der mediengeschichtliche Zugang ist beides zugleich, innovativ und horizonterweiternd einerseits, reduktionistisch und begrenzend andererseits. Um mit Letzterem zu beginnen: Was man gemeinhin unter dem Bauerkrieg versteht, nämlich die Ereignisse der Aufstandsbewegung verschiedener Bauernhaufen mit unterschiedlichen Forderungen und deren militärische Zerschlagung in dem begrenzten Zeitraum Ende 1524 bis Mitte 1525, spielt für Kaufmanns Darstellung kaum eine Rolle. Denn es geht ihm um die publizistische Debatte über die Bauern. Die Bauern als Akteure sind in dieser Perspektive weitgehend eliminiert – denn wer publizistisch tätig wurde, das waren gerade nicht die Bauern, deren Kommunikationsformen eher mündlich und handschriftlich waren. „Der Bauernkrieg als Medienereignis stellt sich in der Mehrzahl seiner Einzelpublikationen freilich als publizistischer Kampf gegen die Bauern dar.“

Zugleich bringt der Zugang eine erweiterte Perspektive. Neben den Debatten über die Bauern und den Bauernkrieg in schriftlichen Druckwerken schenkt Kaufmann auch dem tatsächlich gedruckten Bild vom Bauern einige Aufmerksamkeit und ordnet dies in die Debatten ein. Dem Buch sind zahlreiche Abbildungen (leider nicht immer in guter Qualität) samt Beschreibung beigegeben, meist von Holzschnitten in Drucken, auf die Kaufmann zum Teil ausführlich interpretierend eingeht. Außerdem macht die gewählte Perspektive deutlich, wie stark in der zeitgenössischen Debatte die Ereignisse des Bauernkrieges in die aufgeflammten Religionsstreitigkeiten eingebettet waren. Die Frage nach Ursache und Schuld dieser Katastrophe war für die Zeitgenossen aufs engste verknüpft mit der Frage nach dem zerstörerischen Potenzial dieser oder jener Glaubensauffassung, sei sie papistisch, lutherisch oder schwärmerisch. Somit war die Deutung des Bauernkrieges von Anfang an auch ein Streit um die Deutung der neuen evangelischen Religion.

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Foto: Maximilian Bühler

Jonathan Reinert

Dr. Jonathan Reinert ist  Professor für Kirchengeschichte und Ökumenik an der Theologischen Hochschule Reutlingen. 

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