Erhellend

Sprüche der Bibel

Für viel Geld werden Unternehmern und Managern Kurse angeboten, in denen man Tipps und Tricks für moderne Unternehmensführung erlernen kann. So bekommt man Hinweise darüber, dass es sinnvoll sein könnte, seine Mitarbeiter wertzuschätzen, sich einen guten Ruf zu erwerben – eine Marke werden–,aber dann auch diesen Ruf ganz leicht verlieren kann, wenn man Schrott liefert oder betrügt.

Bibelleser wissen mehr! Denn diese Regeln gibt es längst, man muss nur die Sprache kennen. „Dem Ochsen, der da drischt, soll man das Maul nicht verbinden.“ (Mitarbeiterwertschätzung, in Deuteronomium 25,4). „Das Werk lobt den Meister“ (Qualität liefern, in Sirach 9,17) und „Was der Mensch sät, wird er ernten“ (so etwas wie der kategorische Imperativ, in Galater 6,7).

Es geht um die Sprichwörter der Bibel. Neu zusammengetragen und wissenschaftlich erforscht von Rainer Metzner in seinem neuesten Buch Der Mensch denkt, Gott lenkt – Die Sprichwörter der Bibel. Das Buch des Privatdozenten der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin ist dieses Frühjahr in der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig erschienen.

Wer nun erwartet, ein lockeres Nachschlagewerk für biblische Sprichwörter in die Hand zu bekommen, mitsamt Übersetzungen in heutiges Managementdeutsch, wird enttäuscht sein. Rainer Metzner geht nach den Regeln der theologischen Zunft streng wissenschaftlich vor, was auch eine große Anzahl von Fußnoten zur Folge hat. Nach einer linguistischen Einführung in das Wesen des „Sprichworts“ und Anmerkungen zum Stand der Forschung darüber, geht er auf die besondere Bedeutung der Übersetzungen von Martin Luther ein. Denn der machte erst aus mancher biblischen Redewendung ein griffiges deutsches Sprichwort. So ließ er sich extra von seinem Freund Georg Spalatin Wörter aus dem Volksmund sammeln, legte sogar eine eigene Sprachsammlung darüber an, um eben nicht Worte des Adels und des Hofes zu verwenden. In diese Falle wollte er nicht tappen.

Was Metzner auszeichnet, ist seine genaue Beschreibung der philologischen Bedeutung und Herkunft der Sprichwörter, ihre Entsprechungen in anderen Bibelstellen, sogar die Zitierung von alttestamentlichen Sprichwörtern in neutestamentlichen Texten, oder bei Jesus selbst. Darüber hinaus – und das ist das Besondere – beschreibt er eine Art Wirkungsgeschichte des jeweiligen Sprichwortes in der deutschen Literatur und Kultur.

„Wen der Herr liebt, den züchtigt er!“, Sprüche 3,12. Über Jahrhunderte diente dieses biblische Sprichwort der Rechtfertigung von patriarchaler Gewalt und der Prügelstrafe. In heutiger Übersetzung liest sich das Sprichwort so: „Wen der Herr liebt, den weist er zurecht, und hat doch Wohlgefallen an ihm wie ein Vater am Sohn.“ Diese Übersetzung begründet Metzner mit zahlreichen biblischen Querverweisen. Wichtig auch sein Hinweis auf die frühe griechische Übersetzung der Septuaginta, in der das lutherische „züchtigen“ mit dem griechischen Wort „Paideia“ (erziehen) ganz anders klingt. So wird das Sprichwort dann auch im Neuen Testament verwendet. Metzner zeigt über Theodor Fontane bis hin zu Friedrich Nietzsche, welche Wirkung dieses Sprichwort hinterließ. Nietzsche dreht es etwa in Also sprach Zarathustra um: „Ich liebe den, welcher seinen Gott züchtigt, weil er seinen Gott liebt: denn er muss am Zorne seines Gottes zugrunde gehen.“

Metzners Buch besticht durch seine wissenschaftliche Fundierung und Präzision. Ihm liegt eine tiefgehende Genauigkeit zugrunde. Die Auseinandersetzung mit Martin Luthers Übersetzungstechniken – etwa Verständlichkeit geht vor Genauigkeit – hilft, kulturelle und sprachliche Unterschiede zu erkennen und auch zu nutzen. Die zahlreichen Verweise in die Wirkungsgeschichte in Literatur und Kultur sind erhellend.

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