Packend

Zum Konzil von Nizäa

Diese Klarheit, diese heutige Sprache wünschte man sich von vielen Büchern in der Theologie: „Aus der Sicht der Bewohner des Ostens war Constantin jetzt der neue Chef, dem man unsicher entgegensah. Würde er Rache nehmen? Würde er den Krieg gegen die Perser erneuern? Wie würde er sich zu den Christen vor Ort stellen? Brauchte er die Christen überhaupt noch, nachdem er der Herrscher des gesamten Reiches geworden war? All das konnte man nicht wissen – der Kaiser hatte sich gerade einmal zwölf Jahre zuvor dem Christengott zugewandt und mit seinen Anhängern nicht nur gute Erfahrungen gesammelt.“

Es ist nicht leicht, über das Konzil von Nizäa zu schreiben. Das kirchengeschichtlich, wenn nicht weltgeschichtlich bedeutende Ereignis liegt nun einmal 1 700 Jahre zurück, es gibt nicht viele Quellen, es ist ein fernes Ereignis der Spätantike. Wie ist heute zu vermitteln, dass ein Bischofstreffen vor so langer Zeit noch heute, im 21. Jahrhundert und rund 60 Generationen später, eine Rolle spielt: für die Art, wie und was wir heute glauben, wie Kirche heute aufgebaut ist und wie Kirche und Staat heute zueinander stehen?

Nun, es fängt damit an, dass man so klar und analytisch schreibt wie etwa Hartmut Leppin, von dem die anfangs zitierten Sätze stammen. Der Professor für Alte Geschichte an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main hat für den Sammelband Nizäa – Das erste Konzil aus dem Herder Verlag einen packenden Text zu den politisch-geschichtlichen Hintergründen der so lange zurückliegenden Kirchenversammlung geschrieben.

Der Aufsatz des Althistorikers Leppin ist einer der Höhepunkte des von Jan-Heiner Tück und Uta Heil herausgegebenen Bandes. Tück ist Professor für Dogmatik an der katholischen Fakultät der Universität Wien, Heil Professorin für Kirchengeschichte an der evangelischen Fakultät der gleichen Universität. Der Band ist also schon in seiner Anlage ein ökumenisches Werk, und das tut ihm gut. Denn es öffnet den Blick, verhindert muffigen Konfessionalismus schon im Ansatz und wirkt wie ein großes Plädoyer für mehr ökumenisches Miteinander.

Auch in dieser Hinsicht sehr gelungen ist etwa der Aufsatz von Jennifer Wasmuth, die Ökumenische Theologie an der Universität Göttingen lehrt. Wasmuth arbeitet die Bedeutung des Konzils von Nizäa für die reformatorische Theologie heraus. Sie verweist dabei auf Martin Luther, der sich intensiv mit den Konzilien beschäftigte. Der Reformator betonte das sola scriptura ausdrücklich auch gegenüber konziliaren Autoritätsansprüchen. Er schätzte die Konzilien zugleich als Orte der Abwehr von Irrlehren. Ausgehend von dieser Wurzel folgert Wasmuth: „Das Konzil von Nizäa hat in der reformatorischen Tradition eine bedeutende Rolle gespielt, um zum einen gegen den römischen Primatsanspruch mit einem historisch einschlägigen Beispiel kirchlicher Lehrentscheidung von ‚katholischer‘ Reichweite zu argumentieren, um zum anderen das Idealbild eines Kaisers zu zeichnen und damit an die Verantwortung weltlicher Herrschaft für kirchliche Belange zu appellieren, um darüber hinaus am Beispiel der kanonrechtlichen Bestimmungen die Bedeutung rechtlicher Konzilsentscheidungen als historisch kontingent zu relativieren und zugleich zu plausibilisieren, um vor allem und hauptsächlich jedoch die fides Nicaena zu bekräftigen und sich damit zugleich selbst in diese als in jeder Hinsicht schriftgemäß verstandene Glaubenstradition zu stellen.“

Leppin und Wasmuth sind zwei sehr gelungene Beispiele von vielen unter den insgesamt 19 Aufsätzen in diesem Band, die das zunächst so ferne Geschehen zu einem Ereignis machen, das noch heute faszinieren kann. Kurz: Der Band Nizäa – Das erste Konzil hat das Zeug, zu einem Standardwerk über dieses große Ereignis vor 1 700 Jahren zu werden. Die Lektüre ist sehr zu empfehlen.

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