„Ein Thema, das mich gefunden hat“

Alicia Mielke promoviert über die Theologin Klara Hunsche und die Bekennende Kirche
Alicia Mielke
Foto: Martina Goyert

Die Rolle von Frauen in der Kirchen­geschichte wird bisher viel zu wenig berücksichtigt. Auch deswegen promoviert Alicia Mielke, 26, über Klara Hunsche – eine Theologin und Religionspädagogin, die in der Bekennenden Kirche in der Nazizeit eine wichtige Rolle spielte.

Dass ich einmal Theologie studieren würde, war mir nicht in die Wiege gelegt, denn ich entstamme einem eher gemäßigt kirchlichen Elternhaus, zumindest kam von da kein besonderer religiöser Input. Aber schon in der Grundschule und besonders in der weiterführenden Schule hat mir der Religionsunterricht viel Freude bereitet. Da ich schon immer Lehrerin werden wollte, beschloss ich 2016, Deutsch und Evangelische Religionslehre auf Lehramt in Paderborn zu studieren. Schnell stellte sich heraus, dass ich damit die richtige Entscheidung getroffen hatte. Neben dem Interesse an den fachlichen Inhalten begeisterte mich am Institut für Evangelische Theologie vor allem der Umgang mit den Studierenden. Das lag daran, dass sich hier um jede*n einzelne*n Studierende*n gekümmert wird und man sich sehr wertgeschätzt fühlt. Das war im Rückblick wirklich toll!

Trotzdem ging ich zu Beginn des Studiums davon aus, dass ich nach dem Master die Uni verlassen und sofort ins Referendariat gehen würde. Aber dann wurde ich durch die beherzte Ermunterung unserer Propädeutik-Beauftragten schon früh Tutorin in der Kirchengeschichte. Da habe ich dann schnell gelernt, wie faszinierend dieses Fach ist. Meine Bachelorarbeit schrieb ich über Luthers Antijudaismus, und ich war positiv überrascht oder am Anfang sogar ein bisschen überrumpelt, als ich im Gutachten über diese Arbeit las, dass mir eine weitere wissenschaftliche Qualifikation dringend empfohlen wird. In einem persönlichen Gespräch mit meinem damaligen Gutachter und heutigen Betreuer, Professor Harald Schroeter-Wittke, sagte mir dieser dann: „Du wirst promovieren!“ – „Werde ich nicht!“, sagte ich noch zu Beginn des Gesprächs. Zusätzlich machte er mich zu diesem Zeitpunkt auch auf Klara Hunsche aufmerksam – eine Theologin, die in der Bekennenden Kirche in der Nazizeit eine bedeutsame Rolle gespielt hatte, und die bisher kaum erforscht ist. Schon da reizte mich dieses Thema sehr, zumal das auch unter dem Aspekt der Gender Studies sehr interessant erschien, denn ein genderspezifischer Fokus ist mir – auch aufgrund meiner Arbeit am Zentrum für Gender Studies der Uni Paderborn – zeitlebens im Studium wichtig gewesen. So habe ich zum Beispiel Hausarbeiten über Männlichkeitskon­struktionen in der Bibel, über die Frage „Hat Gott ein Geschlecht?“ oder auch über die Abtreibungsdebatten im Raum der evangelischen Kirche angefertigt. In den folgenden Wochen führte dieses Gespräch dazu, dass ich nach meinem Bachelorabschluss erstmals den Weg der Promotion wirklich in Betracht zog. Als ich dann mit dem Masterstudium anfing, hatte ich die Gelegenheit, an einem sogenannten Peer-Mentoring-Programm für die Förderung von Frauen in der Wissenschaft teilzunehmen. Mit Klara Hunsche als möglichem Thema im Hinterkopf merkte ich dabei, dass mir eine Promotion sehr viel Freude bereiten würde, sodass ich diesen Weg nun nicht mehr ausschloss.

Faszinierende Frau

Zunächst aber schrieb ich meine Masterarbeit zum Abschluss des Studiums über Klara Hunsche, dann würde ich ja merken, ob das Thema ergiebig genug ist. Im Zuge dieser Arbeit hatte ich das große Glück, mit Barbara Herfurth, Leiterin des Ausstellungsprojektes zur Barmer Theologischen Erklärung in Wuppertal, auf eine Nichte von Klara Hunsche zu stoßen, die mir zu reichhaltigem Quellenmaterial verhalf. Schnell wurde mir klar, dass dies auf jeden Fall genug Stoff für eine Dissertation bietet. Meine Masterarbeit unter dem Titel „Klara Hunsches Einstellung zum Nationalsozialismus unter besonderer Berücksichtigung religionspädagogischer Aspekte“ habe ich 2022 eingereicht. Leider gab es direkt danach keine Promotionsstelle für mich – das kommt in der Wissenschaft häufig vor. Aber dank einer Förderung der Uni Paderborn konnte ich eine Anschubfinanzierung erlangen, die es mir ermöglichte, entsprechende weiterführende Anträge zu erarbeiten. Schließlich habe ich 2023 ein Promotionsstipendium im Bereich der Genderforschung an der Paderborner Universität bekommen, eine Förderung für drei Jahre, und so kann ich seit etwa eineinhalb Jahren konzentriert an der Dissertation arbeiten. Klara­ Hunsche (1900–1979) ist eine faszinierende Frau. 1920 machte sie ihr Examen als Lehrerin und war später eine der ersten, die aus der Barmer Theologischen Erklärung von 1934 religionspädagogische Ansätze ableitete. Es ist spannend, an ihrer Biografie aufzuzeigen, wie sich eine klassisch nationalprotestantische Sozialisation auf Grund der schwieriger werdenden politischen Lage, besonders nach 1933, über die Jahrzehnte langsam verändert.

Außerdem ist es absolut lohnend, ihre Schriften zur Religionspädagogik, die sie in den 1930er- und 1940er-Jahren in Form von Aufsätzen verfasste, auszuwerten. Auch unter dem Aspekt, dass wir heute noch davon etwas lernen können, denn Klara Hunsche reflektierte gezwungenermaßen sehr genau, wie sich die Aufgabe und der Auftrag, aber auch die Möglichkeiten von Religionsunterricht unter den Bedingungen einer Diktatur verändern.

Kampf um Frauenordination

Zum anderen ist aber auch ihr Kampf um die Frauenordination bewundernswert. Als Mitglied im Verband evangelischer Theologinnen sowie im 1941 eingesetzten Vikarinnenausschuss der Bekennenden Kirche setzte sie sich sehr dafür ein. Letztlich blieb sie damals noch erfolglos, denn während des Krieges wurden Frauen zwar als Ersatz für Pfarrer, die an der Front waren, gerne herangezogen, aber nach 1945 gab es da ein klares Rollback. Ein Skandal, wenn man bedenkt, dass zum Beispiel in Berlin die Bekennende Kirche in ihren Hochzeiten zu 80 bis 90 Prozent aus Frauen bestand! Heute kennt man in Fachkreisen meist nur Elisabeth Schmitz und vielleicht noch Marga Meusel, aber Klara Hunsche ist leider noch wenig bekannt. Mehrere Jahre nach dem Krieg wird ihre 1937 vollzogene Einsegnung rückwirkend als Ordination anerkannt, aus vorliegenden Briefen Hunsches lässt sich aber dennoch erkennen, dass – auch nach dem Inkrafttreten des Pfarrerinnengesetzes 1964 – zeitlebens Uneinigkeit über ihre Berufsbezeichnung bestand.

Ich bin optimistisch, dass ich meine Arbeit über Klara Hunsche, ihr Leben und ihr Werk, bis zum Herbst kommenden Jahres abschließen kann. Auf jeden Fall bin ich sehr dankbar, dass dieses Thema mich gleichsam gefunden hat. Denn ein wichtiges, übergeordnetes Ziel der Arbeit ist natürlich die Rekonstruktion von Kirchengeschichte aus weiblicher Sicht und die Rekonstruktion von weiblichen Agitationen, die es gab und bisher in unserer Geschichtsschreibung schwer vernachlässigt wurden. Das muss sich dringend ändern! 

 

Aufgezeichnet von Reinhard Mawick

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