"Aus weniger mehr machen"

Interview mit Thorsten Schäfer-Gümbel, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), zur Zerschlagung von USAID und den geplanten Einsparungen bei der deutschen Entwicklungszusammenarbeit
Blick auf den Metolong Staudamm des "Renoka-Projekts" zum Wassermanagement der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Lesotho.
Foto: picture alliance/dpa
Blick auf den Metolong Staudamm des "Renoka-Projekts", ein Wassermanagement-Projekt der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Lesotho.

zeitzeichen: Herr Schäfer-Gümbel, die US-Regierung zerschlägt die Strukturen ihrer Entwicklungszusammenarbeit und löst die koordinierende Behörde USAID auf. Welche Folgen nehmen Sie international wahr? 

THORSTEN SCHÄFER-GÜMBEL: Das ist für die internationale Zusammenarbeit ein schwerer Schlag. Wir sind in vielen Ländern in Kontakt mit Kolleginnen und Kollegen von USAID und deren Kooperationspartnern. Viele von ihnen sind nicht nur finanziell von der Unterstützung durch die USA abhängig. Und es wird ganz sicherlich auch die Herausforderungen verschärfen, mit denen alle anderen Akteure der internationalen Zusammenarbeit umgehen müssen. 

Inwieweit können andere Organisationen, wie etwa die GIZ, die Lücke füllen, die durch den Wegfall von USAID entstanden ist? Der Bedarf an internationaler Zusammenarbeit ist ja nicht kleiner geworden.

THORSTEN SCHÄFER-GÜMBEL: Der Bedarf ist gestiegen, und dies schon vor der Zerschlagung von USAID. Die sich überlagernden Krisen verlangen nach mehr internationaler Zusammenarbeit, nicht nach weniger. Wir können die globalen Herausforderungen nur gemeinsam erfolgreich bearbeiten. Die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen können wir nur erreichen, wenn die Anstrengungen der internationalen Zusammenarbeit erhöht werden. Wir sind schlicht nicht mehr im Fahrplan. Bereits erreichte Entwicklungsfortschritte sind in den vergangenen Jahren unter anderem durch die Pandemie zerstört worden. Durch die Entscheidung der Trump-Administration ist die Herausforderung noch mal größer geworden. Und deswegen wird sich der gesamte politische Raum, übrigens nicht nur in Deutschland, mit der Frage beschäftigen müssen, wie man reagiert. Das ist zuallererst eine politische Frage. Wenn dann entsprechende Aufträge ergehen, ist die GIZ stets lieferfähig. Auch und gerade in Partnerschaft mit vielen europäischen Akteuren sind wir schnell, effizient und breit handlungsfähig. 

"Aus einer Sackgasse gibt es nur einen Weg zurück: Umkehr."

Sehen Sie in den USA noch einen Weg zurück? Besteht noch Hoffnung für USAID, etwa durch den Schutz durch Gerichtsurteile? 

THORSTEN SCHÄFER-GÜMBEL: Hoffnung gibt es immer, und ich schaue nie pessimistisch in die Zukunft. Aber mein Eindruck ist schon, dass sich die Trump-Administration ideologisch verrannt hat. Aus einer Sackgasse gibt es nur einen Weg zurück: Umkehr. Das scheint mir aktuell unrealistisch. Aber unabhängig davon müssen wir uns selbst verhalten. In jeder Herausforderung liegt auch eine Chance! 

Die OECD empfiehlt ihren Mitgliedsländern, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungszusammenarbeit auszugeben. Deutschland lag Schätzungen des Verbandes VENRO zufolge im vergangenen Jahr bei 0,66 Prozent.  Der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung sieht nun eine weitere Kürzung der ODA-Quote vor. Wie beurteilen Sie das?

THORSTEN SCHÄFER-GÜMBEL: Die Gestaltung und die Schwerpunkte des Haushalts sind politische Fragen, die im deutschen Bundestag diskutiert und entschieden werden. Das Bundesunternehmen GIZ arbeitet mit den Ergebnissen dieser Beratungen und den Entscheidungen anderer Auftraggeber. Es gibt eine hohe Aufmerksamkeit zur deutschen Debatte, vor allen Verantwortlichen liegen sehr schwere Abwägungsentscheidungen. Die Bedarfe und Herausforderungen sind sicher größer als die Möglichkeiten. Wir stellen uns darauf ein, dass wir aus weniger mehr machen müssen. 

Der wahrscheinlich künftige Bundeskanzler Friedrich Merz hat kürzlich gesagt: „Die Entwicklungszusammenarbeit muss integraler Bestandteil einer von deutschen Interessen geleiteten Außenpolitik sein.“ Ist das der richtige Ansatz?

"Klimaschutz- und Energievorhaben sind auch Ausdruck einer interessensgeleiteten Politik."

THORSTEN SCHÄFER-GÜMBEL: Deutsche und europäische Interessen spielen schon sehr lange in der internationalen Zusammenarbeit eine Rolle, und das ist auch berechtigt. Das Thema Stabilität und Sicherheit ist im deutschen Interesse, im europäischen Interesse, und darauf zahlt internationale Zusammenarbeit ein. Globale Herausforderungen wie Pandemien, Klimawandel oder Konflikte machen nicht an Grenzen halt – sie erfordern koordiniertes internationales Handeln. Insofern sind zum Beispiel Klimaschutz- und Energievorhaben, die inzwischen 35 Prozent unserer Einnahmen im gemeinnützigen Bereich ausmachen, auch Ausdruck einer interessensgeleiteten Politik. Daher finde ich völlig in Ordnung zu sagen, dass Werte und Interessen unsere internationalen Engagements prägen.

Im Koalitionsvertrag heißt es allerdings ausdrücklich auch: „Unser Ziel ist, dass Vergaben von staatlich finanzierten Projekten der finanziellen Zusammenarbeit überwiegend an Unternehmen aus Deutschland und der EU erfolgen.“ Es geht schon auch um die wirtschaftlichen Interessen unserer Unternehmen.

THORSTEN SCHÄFER-GÜMBEL: Und diese Interessen müssen wir auch nicht verstecken. Internationale Zusammenarbeit ist ja kein reiner Altruismus, sondern von Werten und Interessen geleitet. Aber nicht nur von unseren. Es kommt auch immer die Perspektive der Partner im globalen Süden vor, denn auch da gibt es Interessen. Diese gilt es in einem klugen Abwägungsprozess zu bringen. Dabei sind Partnerschaften mit der Wirtschaft wichtig; etwa auch, um die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen und mittel- und langfristig auch in Deutschland und Europa Stabilität und Wohlstand zu sichern. Genau so ist die internationale Zusammenarbeit seit langem aufgestellt. 

Was müsste besser in der Entwicklungszusammenarbeit laufen? Der immer wieder erhobene Vorwurf lautet ja, dass viel Geld ausgegeben und wenig Wirkung erzielt wird…

"Es geht eben nie nur um ein Einzelthema"

THORSTEN SCHÄFER-GÜMBEL: …dabei ist der Effekt der internationalen Zusammenarbeit einer der am besten überprüften, kontrollierten und evaluierten. Unsere unabhängigen Evaluierungsexperten kommen zu einer Note von rund 2,3 über alle evaluierten Vorhaben. Das ist wie im richtigen Leben. Es gibt immer Veränderungs- und Verbesserungsbedarf. Dazu gehört, dass wir verstärkt auf integrierte Lösungen setzen. Denn es geht eben nie nur um ein Einzelthema – nur um Wasser, um Ausbildung oder Regierungsführung. Vielmehr müssen wir den größeren Rahmen sehen. Wir sollten verstehen, dass diese Themen zusammenhängen. Denn es geht darum, auf der einen Seite globale Güter zu schützen, auf der anderen Seite Lieferketten zu sichern und letztlich Perspektiven für Menschen zu schaffen. Dazu leistet die Internationale Zusammenarbeit und die GIZ einen wichtigen Beitrag. Ich denke, wir sind da insgesamt auf einem guten Weg. 

 

HINWEIS: Thorsten Schäfer-Gümbel ist Teilnehmer einer Podiumsdiskussion zum Thema "Deutschlands Entwicklungszusammenarbeit unter Druck - Globale Krisen und knappe Mittel", zu der die Evangelische Akademie Frankfurt für den 5. Mai, 19 Uhr,  einlädt. Weitere Teilnehmer sind Norbert Altenkamp (CDU) Mitglied des Bundestages (MdB), Dr. Jörn Grävingholt, Abteilungsleiter Politik, Brot für die Welt und Diakonie Katastrophenhilfe und Hamira Kobusingye, Umweltaktivistin aus Uganda. Das Grußwort spricht Prof. Dr. Christiane Tietz, Kirchenpräsidentin der EKHN, die Moderation der Veranstaltung übernimmt zeitzeichen-Redakteur Stephan Kosch. Weitere Informationen zu der Veranstaltung finden Sie hier:

https://www.evangelische-akademie.de/kalender/deutschlands-entwicklungszusammenarbeit-unter-druck/62665/

 

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Foto: GIZ

Thorsten Schäfer-Gümbel

Thorsten Schäfer-Gümbel ist Politikwissenschaftler. Er ist seit November 2022 Vorstandssprecher der Deutschen Gesellschaft für Internationalen Zusammenarbeit (GIZ), deren Vorstand er seit 2019 angehört. 

Foto: Rolf Zöllner

Stephan Kosch

Stephan Kosch ist Redakteur der "zeitzeichen" und beobachtet intensiv alle Themen des nachhaltigen Wirtschaftens. Zudem ist er zuständig für den Online-Auftritt und die Social-Media-Angebote von "zeitzeichen". 

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