Friedenspolitik von Frauen

Warum ein feministischer Kongress vor 110 Jahren heute noch aktuell ist
Foto: privat

Im April 1915 kamen in Den Haag über tausend politische Aktivistinnen aus zwölf Ländern zu einem Friedenskongress zusammen. Angesichts des „Wahnsinns und des Horrors“ des Weltkriegs diskutierten sie über Möglichkeiten und Voraussetzungen für Frieden. Am Ende verabschiedeten sie eine Resolution mit zwanzig Punkten, die angesichts heutiger Kriegs- und Aufrüstungsdebatten erstaunlich aktuell sind.

Leider ist kaum etwas von dem, was die Frauen damals erarbeitet haben, beherzigt worden. Vor allem der Hinweis, dass Friedensverhandlungen erfolgversprechender sind, wenn sie nicht allein von Männern geführt werden. Dass zwischen der Beteiligung von Frauen an internationalen Gesprächen und deren Erfolgsaussichten ein direkter Zusammenhang besteht, ist inzwischen gut belegt. Trotzdem sind Männer dabei meistens unter sich, so auch bei den Verhandlungen über ein mögliches Ende des russischen Angriffs auf die Ukraine.

Keine Auswirkungen

Neben der Mahnung, Frauen an den Prozessen zu beteiligten, forderten die Aktivistinnen in Den Haag umgehende Friedensverhandlungen, eine demokratisch legitimierte Außenpolitik, das vermittelnde Engagement neutraler Nationen, sowie langfristige Perspektiven wie Bildungsprojekte und Maßnahmen zur Stärkung internationaler Begegnungen und Vertrauensbildung.

„Der Kongress hatte aber keinerlei Auswirkungen auf die internationale Politik“ steht lapidar und wohl leider zutreffend auf der Wikipedia-Seite zu dem Treffen. Dabei waren viele prominente Aktivistinnen in Den Haag. Aus Deutschland die Juristin Anita Augspurg, eine führende Persönlichkeit der Frauenstimmrechtsbewegung. Aus Großbritannien die Rechtsanwältin Jessie Chrystal Macmillan, die später zu den Mitgründerinnen des Völkerbunds gehören würde. Den Vorsitz des Kongresses hatte, als Vertreterin eines neutralen Landes, die berühmte Sozialreformerin aus Chicago, Jane Addams.

Warum blieben die Ideen und Vorschläge der Frauen dermaßen einflusslos? Die Antwort ist leider einfach: Weil sie Frauen waren. „Für den Frieden“ zu sein, gilt in der binären Geschlechterlogik der westlichen Kultur als quasi natürliche Eigenschaft des Weiblichen. Wenn Frauen sich für Frieden einsetzen, dann gilt das deshalb nicht als politische Intervention, mit der man sich auseinandersetzen muss, sondern als bloß natürlicher Ausdruck des weiblichen Wesens, der von einer allgemeinen, also männlichen Warte aus nicht weiter von Interesse ist.

Kein simples "Die Waffen nieder"

In der Rezeption des Frauen-Friedens-Kongresses spiegelt sich das bis heute. Wenn überhaupt einmal von diesem Ereignis die Rede ist, wird pauschal gelobt, dass die Frauen sich „für den Frieden“ eingesetzt haben. Aber es wird fast nie gefragt, was genau sie sich denn unter Frieden vorgestellt haben. Das führt dann dazu, dass die feministische Friedensarbeit von damals von heutigen „Friedensbewegten“ als Grund dafür angeführt werden kann, gegen autokratische Herrscher „um des lieben Friedens willen“ nicht militärisch vorzugehen.

Um ein simples „Die Waffen nieder“ ging es den Aktivistinnen in Den Haag aber gerade nicht. Dieser Titel eines Romans von Berta von Suttner aus dem Jahr 1889 wird gerne auf Plakaten herumgetragen, ohne dass man sich wirklich mit den Inhalten des Buchs beschäftigt hat. Von Suttner fordert keineswegs, einfach das Kämpfen einzustellen, sondern sie analysiert die destruktiven Dynamiken einer militaristischen Kultur und die Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit man vielleicht wirklich einmal „die Waffen nieder“ legen kann. 

Voraussetzungen für den Frieden

Berta von Suttner konnte am Kongress in Den Haag nicht mehr teilnehmen, weil sie im Jahr zuvor gestorben war. Aber auch die dort formulierten Resolutionen forderten nicht einfach pauschal „ein Ende des Krieges“, sondern arbeiteten detailliert aus, welche Voraussetzungen ein tragfähiger Friede haben würde, zum Beispiel: 

„Dass kein Gebiet ohne die Zustimmung der dort lebenden Menschen übertragen werden darf und dass kein Recht auf Eroberung anerkannt werden darf;
- dass keinem Volk Autonomie und ein demokratisches Parlament verweigert werden dürfen;
- dass Regierungen aller Nationen sich darauf verständigen, künftige internationale Streitigkeiten einem Schieds- oder Schlichtungsverfahren zu unterwerfen und sozialen, moralischen und wirtschaftlichen Druck auf jedes Land auszuüben, das zu den Waffen greift;
- dass die Außenpolitik demokratischer Kontrolle unterworfen wird;
- dass Frauen die gleichen politischen Rechte wie Männer erhalten.“

Rüstungsunternehmen verstaatlichen?

Aktueller geht es ja wohl kaum. Und auch Punkt 12 der Resolution ist bedenkenswert. Er lautet: „Der Internationale Frauenkongress tritt für eine allgemeine Abrüstung ein und weiß, dass diese nur durch ein internationales Abkommen erreicht werden kann. Er fordert als einen Schritt dahin, dass alle Länder durch ein entsprechendes internationales Abkommen die Herstellung von Waffen und Kriegsmaterial selbst übernehmen und den gesamten internationalen Handel mit Waffen und Kriegsmaterial kontrollieren. Der Kongress sieht in den privaten Profiten der großen Rüstungsfabriken ein starkes Hindernis für die Abschaffung des Krieges.“

Eine Verstaatlichung der Rüstungsindustrie wird inzwischen von Fachleuten ernsthaft diskutiert, denn es ist immer offensichtlicher, dass die Marktmechanismen hier völlig aus dem Ruder laufen: Der Aktienkurs von Rheinmetall hat sich seit Beginn des Ukraine-Kriegs verzehnfacht. Solange Waffenexporte derartig lukrativ sind, wird Frieden wohl kaum zu erreichen sein.

Vielleicht wäre es an der Zeit, feministische Friedensarbeit nicht länger zu belächeln oder zu vereinnahmen, sondern ernst zu nehmen. 

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