„Eine besondere Portion göttlicher Gnade”

Was an Dietrich Bonhoeffers Verlobter Maria von Wedemeyer so fasziniert
Foto: privat

Der neue Bonhoeffer-Film des US-amerikanischen Regisseurs Todd Komarnicki hat in Deutschland heftige Debatten über historische Stimmigkeiten im Film ausgelöst, nachdem bereits seine Vermarktung in den USA kritisiert wurde, und er befeuert eine schon lange währende „Bonhoeffer-Mania“ . Mehr Kritik hätte auch verdient, dass der Theologe des Widerstands ganz ohne seine Verlobte Maria gezeigt wird.

Maria Friederike von Wedemeyer wurde 1924 in Pätzig bei Schönfließ in der Neumark (heute Polen) geboren. Sie wuchs mit sechs Geschwistern auf dem Rittergut ihrer Eltern auf. Vater Hans von Wedemeyer war zuerst Landwirt, dann Berufsoffizier geworden. Er war ein entschiedener Gegner Adolf Hitlers. Hans von Wedemeyer fiel als Regimentskommandeur 1942 in Russland.

Die Erziehung der Kinder übernahm zuerst ein Hauslehrer. Mit elf Jahren wurde Maria auf die Internatsschule Magdalenenstift in Altenburg/Thüringen geschickt. Die von der Pädagogin Elisabeth von Thadden geleitete Internatsschule Wieblingen bei Heidelberg folgte; sie wurde Schulsprecherin und entdeckte ihre „große Liebe zur Mathematik“, wie sie einmal notierte.

Im März 1942 legte Maria von Wedemeyer ihr Abitur ab und verlobte sich im Januar 1943 mit „dem Pfarrer Dietrich Bonhoeffer“. Ihre Besuche des Verlobten im Untersuchungsgefängnis Tegel nennt sie Fürsorge: Dazu gehören Kleider waschen, Lebensmittel und Nachrichten in seine Zelle schmuggeln. Im Februar 1945 wuchs sie über sich hinaus, als sie beim Einmarsch der Sowjetarmee einen Pferdetreck anführte, mit dem sie vier ihrer Geschwister und andere Flüchtlinge von Pätzig über die Oder nach Westdeutschland brachte – 500 Kilometer weit.

Nach ihrem Verlobten Dietrich Bonhoeffer suchte sie in mehreren Konzentrationslagern vergeblich und erfuhr erst sechs Monate nach der Kapitulation von dessen Tod. Schließlich studierte die 22-Jährige Mathematik, Physik und Geschichte in Göttingen. Hier war sie zeitweise mit dem Mitstudenten Hartmut von Hentig, dem späteren Reformpädagogen, befreundet. Formales Denken galt ihr als Chance, ein moralisches Bewusstsein zu entwickeln. Sie sah das nur im Christentum für gegeben an.

Bald erhielt Maria von Wedemeyer ein Stipendium am Bryn Mawr College in Pennsylvania/USA. Nun begann eine turbulente Zeit: Sie schloss ihre Ausbildung mit dem „Master of Mathematics“ ab, hatte mit dem aus Deutschland „mitgebrachten“ Ehemann Paul-Werner Schniewind zwei Söhne. Doch die Ehe scheiterte, sie musste die Kinder allein großziehen. Beim Unternehmen Remington-Rand-Univac in Philadelphia avancierte sie zur Gruppenleiterin in der Abteilung „Angewandte Mathematik“. Maria von Wedemeyer heiratete 1959 den Geschäftsmann Barton Weller und zog nach Easton/Connecticut, doch scheiterte auch diese zweite Ehe 1965. Maria wechselte nach Boston, wo sie beim Unternehmen Honeywell eine neue Abteilung für Computertechnik „System Analysis“ verantwortete.

Maria von Wedemeyer leitete ein Team von Wissenschaftlern. Ein Mitarbeiter von ihr berichtete später: „Ich erinnere mich bei Maria am meisten an die Freude, die sie zeigte, ein Manager zu sein. Wenn sie keinen Spaß hatte, war etwas falsch … Jedermanns Idee war gleich gut und gehörte auf den Tisch … Sie war großartig, da sie mit Ideen spielen konnte.” Er ergänzte: „Maria setzte sich für Menschen ein … . Sie trug es nicht auf ihren Schläfen, aber sie ist doch ein Beispiel für Gleichberechtigung.“ Einmal ließ sie wissen: Für sie eigne sich zum Beten und Nachdenken besonders gut die morgendliche Autofahrt zur Arbeit. Sie finde es gut, dass es 40 Minuten seien.

Maria von Wedemeyer-Weller erkrankte 1977 schwer an Krebs und starb nach mehreren Krebsoperationen am 16. November des gleichen Jahres in Boston. Als Mitglied der Episcopal Church hatte sie mit dem dortigen Pastor Scott Paradise ihre Trauerfeier vorbereitet. Seine „Eulogy” für Maria endete mit diesen Worten: „Die Schönheit ihrer Gegenwart hatte die Pracht eines strahlenden Sternes. Unsere Leben werden ein wenig dunkler sein ohne sie. Aber weil sie unter uns weilte, werden wir mit mehr Mut, Kraft, Humor und Liebe leben. Es mag eine besondere Portion göttlicher Gnade gewesen sein.” Nach Marias Wunsch brachten die Söhne die Urne nach Gernsbach/Baden-Württemberg in Deutschland.

Es liegt nahe: Maria von Wedemeyer-Weller wollte die schlimme Zeit in Deutschland hinter sich lassen. Amerika und ihr unerschütterlicher Mut haben ihr dabei geholfen. Wenn Bonhoeffer überlebt hätte, wären sie gemeinsam in die USA gegangen? Diese Spekulation lässt sich kaum denken. Denn was hätte die evangelische Nachkriegskirche wirklich aus dem selbstlosen Helden im Widerstand gemacht? 

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Roger Töpelmann

Dr. Roger Töpelmann ist Pfarrer i.R. Er war bis 2020 u.a. Pressesprecher des Evangelischen Militärbischofs in Berlin.

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