Der Weise

Eine neue Biografie

Am 5. Mai 1525 starb Kurfürst Friedrich III. von Sachsen im Jagdschloss Lochau. Nach Aufbahrung, Leichenzug und Begräbnisfeierlichkeiten fand der 62-jährige Regent seine letzte Ruhestätte im Großen Chor der Wittenberger Schlosskirche. In seiner Leichenrede klagte Philipp Melanchthon, ein Friedensfürst, kluger Politiker und frommer Christ sei von uns gegangen. Ebenso lobte Martin Luther Friedrichs Geduld und Weisheit und dass er um des Evangeliums vieles erduldet habe. Als christlicher Fürst sei er, nachdem er das Abendmahl unter beiderlei Gestalt genossen habe, mit Sanftmut, frischer Vernunft und Verstand verstorben – unter Verzicht auf die bisher üblichen Sterbezeremonien. Damit fand ein Prozess seinen Abschluss: Der tieffromme spätmittelalterliche Reichsfürst, den die Luthersache in seinen letzten Lebensjahren intensiv bedrängt und der den reformatorischen Änderungen nur zögerlich nachgegeben hatte, war im evangelischen Glauben gestorben.

Aus Anlass seines 500. Todestages legt Armin Kohnle nun eine höchst lesenswerte Biografie über diesen bedeutendsten Kurfürsten der Reformationszeit vor. Aus zahlreichen neu erschlossenen Quellen erarbeitet, gelingt es dem Leipziger Kirchenhistoriker, ein lebendiges und facettenreiches Bild von Friedrich III. zu entfalten. Sachbezogen, souverän und mit einer Prise Humor goutiert, entsteht ein packendes Portrait dieses nach seinem Tod mit dem Attribut „der Weise“ versehenen Herrschers. Die kenntnisreiche Einordnung sowohl in die reichs-, landes- und sozialgeschichtlichen als auch in die kirchen-, frömmigkeits- und bildungsgeschichtlichen Kontexte zeichnet diese auch im äußeren Erscheinungsbild gelungene Monografie aus.

Umsichtig werden der Aufstieg der Wettiner sowie die Leipziger Teilung 1485 mitsamt der auf Kurfürst Ernst beziehungsweise Herzog Albrecht von Sachsen zurückgehenden ernestinischen beziehungsweise albertinischen Linie skizziert. Unter der Überschrift „Ein schöner Herr und junger Sohn zu Sachsen“ wird sodann über die Geburt Friedrichs am 17. Januar 1463 in Torgau und den Bildungsgang des ältesten Sohnes von Kurfürst Ernst und seiner Frau Elisabeth von Bayern berichtet. Eingehend dargestellt werden die Beziehungen zu den jüngeren Brüdern Ernst (Erzbischof von Magdeburg), Adalbert (Administrator des Erzbistums Mainz) und Johann (Herzog und seit 1525 Kurfürst) mitsamt der ernestinischen Machtentfaltung am Ende des 15. Jahrhunderts. In diesem Zusammenhang hätten auch Friedrichs Mutter sowie seine beiden Schwestern Christine (seit 1478 mit König Johann von Dänemark verheiratet) und Margarethe (seit 1487 mit Herzog Heinrich von Braunschweig-Lüneburg verheiratet) etwas ausführlicher berücksichtigt werden dürfen. Mit dem Tod des Vaters 1486 wurde Friedrich Kurfürst und sein Bruder Johann Mitregent. 1513 kam es zur Verwaltungsteilung (Mutschierung) des ernestinischen Territoriums zwischen den beiden. Konzis wird Friedrichs Engagement in der Reichspolitik mit seinen Aufenthalten an den Kaiserhöfen Friedrichs III. und Maximilians I. sowie sein Bemühen um die Reichsreform dargestellt. Dass Friedrich, seit 1507 „Generalstatthalter des Reiches“, eine vermittelnde Position in der Reichspolitik einnahm, entfaltet der Biograf überzeugend. Nach dem Tod Maximilians 1519 wurde Friedrich in Frankfurt am Main zum römisch-deutschen König bestimmt, verzichtete aber umgehend zugunsten von Karl V., der sodann gewählt wurde.

Feinfühlig spürt Kohnle dem Privatleben des als bedächtig charakterisierten Fürsten nach, dessen Leidenschaft die Jagd war, der eine eher bescheidene Hofhaltung führte, viel auf Reisen war und über die diplomatische „Kunst des Hinhaltens“ verfügte. Nie standesgemäß verheiratet, hatte Friedrich mit seiner nicht näher bekannten Partnerin vermutlich vier Kinder.

Umfänglich förderte der Renaissancefürst Architektur, Kunst, Musik und Bildung, ließ Wittenberg zur Residenz ausbauen und ebendort 1502 eine Universität errichten. Aufgrund seiner tiefen Frömmigkeit, die Kohnle anhand der Pilgerreise ins Heilige Land, der frommen Stiftungen, des Aufbaus der Reliquiensammlung und anderem anschaulich schildert, engagierte sich Friedrich für den das Wort Gottes in den Mittelpunkt stellenden Professor Luther (Lutherschutzpolitik), vermied aber jegliche Nähe zum gebannten und geächteten Mönch. Auch blieben ihm die liturgischen Reformen in Wittenberg der 1520er-Jahre suspekt. Diese und weitere feinsinnige Beobachtungen zu Friedrichs Kirchenpolitik, die nicht zuletzt durch die proreformatorische Vermittlung Georg Spalatins geprägt war, eröffnen ein neues, differenziertes Bild auf einen Landesherrn, mit dem es sich zu beschäftigen lohnt.

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Foto: Anne Günther FSU Jena

Christopher Spehr

Dr. Christopher Spehr ist Professor am Lehrstuhl für Kirchengeschichte an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.


 

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